Simultanverarbeitung in mittleren Computern:

Neue Dimension für die Kleinen

13.06.1975

MÜNCHEN - Der Begriff Simultan- oder Parallelverarbeitung verknüpft sich heute noch weitgehend mit Großcomputern, die als Multiprozessoranlagen ausgelegt sind und über Betriebssysteme zur Verwaltung dieser Prozessoren verfügen. Denn diese Verarbeitungsform ist nur möglich, wenn die Hardwarekomponenten in unabhängige Funktionsblöcke aufgelöst werden, die in der Lage sind, spezielle Aufgaben eigenständig - ohne Zuhilfenahme anderer Einheiten - auszuführen.

"Riesenzwerge"

Mit den reduzierten Halbleiterpreisen und der Möglichkeit preisgünstiger Mikroprogrammierung haben sich jetzt auch bei Computern kleiner und mittlerer Größenordnung spezialisierte Prozessoren durchgesetzt. Komplexe Aufgaben werden zur Entlastung des Zentralrechners auf autonome Kleinrechner verteilt: Prozessoren für Peripheriegeräte "langsamer" Übertragungsleistung sowie zur Steuerung von Datenfernverarbeitungsnetzen.

Vorteil dieses Verfahrens ist daß der Rechner nur dann mit Dateneingabe und -ausgabe in Anspruch genommen wird, wenn es von der Verarbeitung wirklich erforderlich ist. Die Leistung des Computers kann dort zur Verfügung gestellt werden, wo die Informationen unmittelbar benötigt werden - am einzelnen Arbeitsplatz. Gerade dieser Punkt bietet die Möglichkeit einer optimalen Organisation der Datenverarbeitung auch in kleinen und mittleren Betrieben.

Xerox DBS und HB 61/60

Dafür zwei Beispiele bei neueren "Kleinsystemen". Das Rank Xerox DBS-Data Business System, vor Vierteljahresfrist angekündigt, verfügt über zwei Prozessoren, die die Ein-/Ausgabe unabhängig von der CPU machen. Das gleiche Prinzip findet auch bei dem Modell 61/60 von Honeywell Bull Anwendung: Ein Front-End-Prozessor (FEP) zur Steuerung und Überwachung der Terminals ist der Zentraleinheit vorgeschaltet. Rank Xerox bezeichnet das DBS als terminal-orientiertes Rechnersystem für gleichzeitige Batch- und Realtime-Verarbeitung: Bis zu 64 Terminals können bedient werden, ohne daß die Rechenleistung der Zentralleinheit beeinträchtigt wird. Durch die Zusammenarbeit von Ein-/Ausgabe- und Zentralprozessor wird darüberhinaus ein höherer Systemdurchsatz erreicht.

Wie steht's mit der Software?

Bleibt zu frgen, ob Software verfügbar ist, die den Ansprüchen der Benutzer gerecht wird. Rank Xerox bietet das TOS (Timesharing Operating System) an, das bis zu 12 Terminals unterstützt. Des weiteren das Betriebssystem Iden. Unter Iden können bis zu 64 Teilnehmer auf eine gemeinsame Datenbank zugreifen. Honeywell Bull propagiert GCOS 61 Level 3, eine Untermenge des Betriebssystems GCOS, das auf allen HB-Anlagen - bis rauf zum System 66 - eingesetzt wird.

Multidimension

Mit einem EDV-System mittlerer Größenordnung - der Kaufpreis einer DBS-Standardkonfiguration beträgt rund 310 000 Mark - werden dem Anwender die Leistungen der Groß-EDV geboten.

Wer noch die Zeiten der ersten Lochkartenmaschinen erlebt hat, kann eigentlich nur staunen, welche "multidimensionalen Verarbeitungmlöglichkeiten" - so ein Honeywell-Slogan - heute Anlagen bieten, die unter 10 000 Mark Monatsmiete kosten.