Neue C++-Compiler mit erweiterten Klassenbibliotheken Microsoft und Borland liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen

03.12.1993

FRAMINGHAM (IDG) - Fuer viele gequaelte Windows-Programmierer gelten offenbar Klassenbibliotheken wie OWL (Object Windows Library) von Borland und MFC (Microsoft Foundation Classes) von der Gates- Company als Erloesung von ihren Leiden. Mit diesem Argument entfachten zumindest beide Hersteller eine hitzige Debatte um ihre Produkte.

Waehrend Borland kraeftig die Werbetrommel fuer C++, Version 4.0, und OWL, Version 2.0, ruehrte, gewaehrte Microsoft erste Einblicke in neue Upgrades eigener Produkte: Mit der ab Ende Januar verfuegbaren Version 1.5 des Visual-C++-Compilers will die Gates-Company den momentanen Technologievorsprung des Konkurrenten wettmachen.

Unbestritten scheint indes, dass - unabhaengig vom verwendeten Tool - objektorientierte Entwicklungswerkzeuge dem Windows- Programmierer tatsaechlich bei seiner taeglichen Arbeit Zeit sparen. Besonders die Klassenbibliotheken wie OWL oder MFC vereinfachen nach anfaenglichem Aufwand fuer Schulung und Einarbeitung die komplizierte Erstellung von grafischen Elementen fuer Windows. Microsoft und Borland zielen mit ihren Produkten auf den gleichen Markt und liefern sich ein Wettrennen um die Gunst der Anwender.

Version 4.0 soll Probleme bei der Kompatibilitaet beheben

Borlands aktuelle Version 4.0 des Programmierwerkzeugs C++ generiert Maschinencode fuer 16- und 32-Bit-Prozessoren. Wichtigste Erweiterungen sind die Unterstuetzung von Templates, Exception- Handling und Runtime-Type-Informationen. Die neue, in Borland C++ 4.0 integrierte Object Windows Library 2.0 enthaelt GDI-Funktionen von Windows, Objekte fuer Toolbars, Statuslines, Bitmaps sowie Print-preview. Anwender, die Applikationen mit OWL 1.0 erstellt haben, benoetigen allerdings eine Uebersetzungssoftware, falls sie die neuen Features nutzen wollen. Die Version 1.0 ist nicht kompatibel mit dem Update. Borland wird mit C++ 4.0 ein Tool anbieten, das dieses Manko behebt.

Microsoft konterte mit der Ankuendigung eigener Upgrades: Ende Januar soll hierzulande ein neuer Visual-C++-Compiler in der Version 1.5 auf den Markt kommen. In dem Paket werden die erweiterten MFC-Klassenbibliotheken der Version 2.5 enthalten sein. Die Gates-Company fuegte dem Compiler Features zur Unterstuetzung der OLE-2.0- und ODBC-Schnittstelle hinzu. Mit Visual C++ lassen sich 16-Bit-Anwendungen fuer Windows und DOS erstellen. Fuer die Programmierung von 32-Bit-NT-Applikationen offerieren die Softwerker die Visual-C++-32-Bit-Edition.

Waehrend Microsofts Produkt sich streng an das hauseigene Windows- API haelt, haben Borlands Klassenbibliotheken in Sachen Portabilitaet die Nase vorn. Die Frage, welches Werkzeug fuer welchen Anwender sinnvoll erscheint, beantwortet Michael Schneider, Analyst bei dem Marktforschungsunternehmen Gartner Group: "Wenn Sie Mitarbeiter haben, die fuer den Rest ihres Lebens mit Windows arbeiten werden, dann wird sicherlich MFC die Loesung des Problems sein. Wenn man allerdings die Unbestaendigkeit des Betriebssystem-Markts in den naechsten zwei bis drei Jahren betrachtet, dann macht es Sinn, auf Borlands OWL zu setzen."

Betatester zeigten sich von den Moeglichkeiten des Borland- Compilers beeindruckt: Die neuen Features und die erweiterten Klassenbibliotheken erleichtern dem Programmierer die Orientierung im Windows-Morast. Frank Imburgio, Projektleiter bei einem Anlageberatungsunternehmen in New York, sagte dazu: "Das neue Borland-Tool reduziert die Lernkurve erheblich. 32-Bit-Architektur ist zur Zeit zwar nicht relevant, doch wir sind an diesem Fortschritt interessiert."