Implementierungsstrategie für Büroinformationssysteme:

Neue BI-Lösungen verändern das Büro

24.03.1989

Mangelnde Kompatibilität und fehlende organisatorische Unterstützung bei der Einführung von Büro-Informations-Systemen haben manche technisch ausgefeilte Lösung in eine Sackgasse geführt. Unzufriedene Anwender schafften sich PCs an, die nur mühsam in die vorhandene technische Produkt- und Systemlandschaft integriert werden können. Welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine BI-Lösung erfolgreich zu implementieren, beschreibt Gerhard Schönweitz*.

"Wir ertrinken in Information aber wir hungern nach Wissen". Nicht treffender kann die Problematik für den Einsatz von Büroinformationssystemen gesehen werden. Insbesondere, weil die Systeme zu einem tiefgreifenden Wandel der Aufgabenverteilung im Büro führt. Haben Sachbearbeiter früher alle Schreibaufträge ins Schreibbüro gegeben, so schreiben sie heute vielfach bereits selbst. Ebenso werden Fach- und Führungskräfte von den einschneidenden Veränderungen, die auch nicht vor dem Büro des Managers halt machen, konfrontiert. Dies reicht von dem Zugriff auf persönliche Archive über das Anfertigen eigener Grafiken für die Präsentation bis hin zur Datenbankabfrage. Man spricht dann von den sogenannten "neuen Organisationsformen (Rückdelegation, Reintegration, horizontale Integration)". Kennzeichen all dieser neuen Verfahren zur Abwicklung der Büroprozesse ist die Aufhebung der tayloristischen Arbeitsteilung und damit die Konzentration der vielfältigen Teilaufgaben eines Vorgangs an einem Arbeitsplatz. Daher muß die Einführung von komplexen Systemen zur Unterstützung der Bürotätigkeiten die abgestimmte Analyse der technischen und organisatorischen Voraussetzungen und ihre Verzahnung im Rahmen der Implementierung mit berücksichtigen.

Implementierung bedeutet dabei nicht nur das Installieren eines Gerätes - es bedeutet ebenso die Nutzbarmachung der Funktionen - im Zusammenhang mit den zu bewältigenden Aufgaben und die Einbindung in ein organisatorisches Gesamtkonzept. Wenn hierfür im Rahmen der Projektvorbereitung aber macht das erforderliche Fundament gelegt wurde, kann mit den nachfolgenden Aktivitäten nur in begrenztem Umfang begonnen werden.

Zur Vorbereitung der Einführung eines Büroinformationssystems sind zunächst die erforderlichen organisatorischen und technischen Voraussetzungen festzulegen. Ein derartiges Konzept legt die vorhandenen Ressourcen im Rahmen der Analyse der Ausgangslage fest. Abhängig von den vorhandenen Ressourcen werden im Rahmen der Zielsetzung Prioritäten definiert und deren organisatorische - und technische Grundlagen ermittelt. Dies bildet die spätere Basis für die Realisierung, weil bereits hier Schwerpunkte gelegt werden. Die Übersicht "Bürokonzept" (Abbildung 1) gibt eine grobe Darstellung der wesentlichen Fragen, die im Rahmen eines BI-Projektes zu lösen sind.

Die Büroinformationssysteme ersetzen bisher typisch inhomogene Strukturen der Hard- und Software in den Unternehmen (Einzelplatzsysteme, Speicherschreibsysteme) durch ein einheitliches Hard- und Software-Umfeld. Eine integrierte Arbeitsweise sowie die softwaretechnische Integration sind allerdings erst ansatzweise vorhanden. Dabei werden zahlreiche Funktionen durch die Erhöhung des DV-Durchdringungsgrades im Rahmen der Einführung von Büroinformationssystemen erstmals elektronifiziert. Schwerpunkte bilden die Textverarbeitung, gemeinsame Archive und Electronic-Mail. Die Ausstattung der Arbeitsplätze mit Büroinformationswerkzeugen zeigt Abbildung 2.

Der Bürobereich ist heute mit einer Reihe von Schwachstellen behaftet. Bei der Realisierung von Büroinformationsprojekten haben sich insbesondere folgende Schwerpunkte ergeben:

- Aufwendiges Zusammenstellen von Schriftstücken an interne und externe Partner.

- Fehlende Originale während der Vorgangsbereitung.

- Umfangreiche manuelle Autorenkorrekturen.

- Mehrfacherfassung von Daten während der Abwicklung.

- Fehlende Unterstützung bei der Analyse und Bewertung von Informationen.

Hier greift dann der Einsatz der BI-Werkzeuge. Sie bringen dabei folgende Verbesserungen im Umfeld des Büroablaufes:

- Vollständigkeit archivierter elektronischer Unterlagen.

- Verringerung des Erst- Erfassungs- und Korrekturaufwandes.

- Verbesserte Archiv- und Retrievalfunktionen.

- Vereinfachte Unterlagenverteilung für die Vorgangsbearbeitung.

- Leistungsfähige Kalkulations- und Analyseinstrumente.

Im Rahmen der organisatorischen Einbindung sind die Abläufe an die veränderte technische Unterstützung anzupassen. Dies geschieht im wesentlichen in drei Phasen (Abbildung 3):

Phase I

In der ersten Phase werden die Benutzer für ihre vielfältigen Aufgaben auf der Arbeitsplatzebene mit Werkzeugen für das Schreiben von Briefen, Notizen und Mitteilungen, das Zeichnen von Übersichten, Tabellen und das Berechnen von Angeboten, Preiskalkulationen und Kostensätzen, sowie die lokale Ablage dieser erzeugten Informationen ausgestattet. Dabei gilt es diese Werkzeuge so auszuwählen, daß die Übernahme der erzeugten Informationen ohne Schnittstellenprobleme in andere Applikationen möglich ist.

Phase II

Einsatz von Electronic-Mail-Diensten: Der Einsatz von Elektronic -Mail-Diensten bedarf einer organisatorischen Rahmenregelung. Denn nur dann wird verhindert, daß der einzelne Benutzer mit Messages zugeschüttet wird und aus dem elektronischen Müllberg die relevanten Daten nur mit hohem Zeitaufwand herausfiltern kann. Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß durch El-Mail eine direkte Kommunikation unter Umgehung des Dienstweges möglich wird. Hier sind Regelungen erforderlich, die die Einbeziehung der Überwachungsinstanz sicherstellen. Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage der Dokumentenechtheit. Nur wenn die Dokumente auch in einem Fixed-Format vorliegen, kann dies gewährleistet werden.

Druck:

Die gemeinsame Nutzung von Drucksystemen erlaubt eine kostengünstige Nutzung teurer Drucksysteme mit Spooling-Betrieb. Jedoch muß berücksichtigt werden, daß die Bedienung ordnungsgemäß sichergestellt wird. Hier treten Fragen im Zusammenhang mit der Schachtansteuerung (welches Formular in welchem Schacht), der Druckerstörung (Papierstau), dem Papier- und Tonernachfüllen sowie dem Ein- und Ausschalten auf. Allgemeine Regelungen wie "Wer gerade da ist!" helfen hier nicht weiter, da die Verantwortung damit ins Leere läuft. Ständige Meinungsverschiedenheiten sollten im voraus vermieden werden.

Archiv:

Bei einzelnen Dokumenten mag der Benutzer zwar noch den Überblick behalten, wie ist dies aber erst bei einigen Hunderten oder gar Tausenden von Dokumenten? Der Aufbau und die Pflege eines Archivs wird dann unumgänglich. Auch wenn das eingesetzte System über eine Volltextrecherche verfügt, lohnt es sich Dokumente nach spezifischen Klassifizierungen (Kostenstellenplan, Kundennummern, Projekt, Autor, Termin) abzulegen. Der systematische Aufbau und die Pflege des Archivs muß vorbereitend festgelegt werden. Nur so wird sichergestellt, daß die Benutzer ihre Unterlagen auch wiederfinden, die sie einmal abgelegt haben.

Phase III

Im Rahmen der dritten Phase werden die Zugriffsmöglichkeiten zu den verschiedenen Rechnern aber auch zu anderen Benutzergruppen realisiert. Von besonderer Bedeutung sind hier die Unternehmensdatenbanken sowie der Nachrichtenaustausch in heterogenen Landschaften. Hier sind zunächst die Zugriffsrechte sowie das Updating festzulegen. In der weiteren Vorgehensweise gilt es zu klären, welche Applikationen auf welcher Rechnerebene zu realisieren ist und wo die Daten archiviert werden.

Die Einführung von Systemen für Büroinformation sollte sinnvollerweise im Rahmen eines systematischen Evaluationsprogrammes erfolgen. Hierfür eignet sich die stufenweise Einführung einzelner Elemente und ihre abgestimmte Verzahnung im Rahmen des Gesamtprojektes. Wie sieht nun eine solche Planung aus? Begonnen wird zunächst an vorrangigen Arbeitsplätzen. Diese werden mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Grafikanwendungen ausgestattet. Die folgenden Stufen stellen eine systematische Nutzbarmachung sämtlicher Informatikressourcen des Unternehmens dar. Die differenzierte Stufenplanung zeigt Abbildung 4.

Im Rahmen des Evaluationsprogrammes wird in der Stufe I die Installation von Bürowerkzeugen für die Erstellung von Text, Tabellen und Grafiken vorgenommen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Programme einheitlich eingesetzt werden und zu internen und externen Partnern ein gemeinsames Austauschformat (zum Beispiel: ASCII für Texte, WKS für Tabellen) festgelegt wird. Nur dadurch wird ein reibungsloser Fluß von Informationen ohne Medienbrüche ermöglicht (Abbildung 5).

Im zweiten Schritt wird der Aufbau von arbeitsplatzübergreifenden Funktionen für die Archivierung und den Electronic-Mail-Dienst realisiert. Dabei gelten für die Realisierung eines Verbundes zum Austausch elektronischer Nachrichten folgende Grundsätze:

- Je Benutzer wird nur ein Terminal eingesetzt.

- Sämtliche erstellten Dokumentationen müssen im Wege eines transparenten Transfers auf dem Archivrechner abgelegt werden können.

- Mailprodukte müssen unter die Benutzeroberfläche integrierbar und nicht abhängig vom Zielsystem einer Nachricht sein.

- Mailprodukte müssen in die vorhandene Hardware-Landschaft integrierbar sein.

- Nachrichten die einmal erstellt wurden, müssen an beliebige Empfänger verteilt werden können.

Dabei gilt es zu berücksichtigen, daß sämtliche gemeinsamen Dienste von allen Anwendern nach einheitlichen Regelungen benutzt werden können. Dies geht vom Ansprechen des Services (Printer R 108), über die Abwicklung von Anfragen (Hole Do-

kument xy) bis hin zu integrierten Anwendungen (Sende Message an X und vermerke Empfangsquittung im Postjournal). Die eingesetzten Systeme sollten auch aus diesen Gründen hinsichtlich ihrer Schnittstellen auf die Nutzung der gemeinsamen Ressourcen ausgelegt sein (Abbildung 6).

Für die meisten Arbeitsplätze ist der Zugriff auf die Daten des Host-Rechners mittlerweile eine unabdingbare Voraussetzung. Werden heute vielfach noch dumme Terminals eingesetzt, wird zukünftig das intelligente Arbeitsplatzsystem über die notwendigen Verbindungen verfügen (Abbildung 7). Dies bedeutet insbesondere eine Verlagerung der Rechenkapazität hin zum Arbeitsplatz. Damit einher geht die Einbindung der lokalen PCs über

- die sogenannten Mainframe-Links direkt an den Host (Anbindung an eine Schnittstelle des Clusters zum Beispiel mittels IRMA-Karte) oder

- die Verbindung von Netzwerk-Rechnern mit dem Cluster, wobei alle übrigen angeschlossenen PCs oder Workstations die Verbindung zum Host über diesen Rechner (Gateway-Rechner) aufbauen,

- Verfügbarkeit von Emulations- und File-Transfer-Programmen,

- Datenumsetzprogramme für lokale Auswertungen.

Die Zugriffsmöglichkeit sollte für den Benutzer möglichst einfach gestaltet werden, um aufgrund der Komplexität der Systemfunktionen möglichst wenig Zeit für technische

Fragen und möglichst viel Zeit für die Anwendungen zu bekommen. Hier besitzen Aufrufmechanismen, die direkt zur Anwendung führen und Rechnerebenen transparent be- handeIn entsprechende Vorteile. Nicht zuletzt ermöglicht das Window-Management einfachere Bedienung. Nur im Rahmen dieser Einbindung ist eine Kopplung mit dem Mainframe auch produktiv einsetzbar.

Der Aufbau eines übergreifenden Electronic-Mail-Konzeptes wird mit der Verfügbarkeit von Mail-Produkten, die auch in heterogener Landschaft die Adressierung der Teilnehmer über ein entsprechendes Directory-System (Personal name, organisation name, unit name, private domain name, administration domain name und country name) ermögli-

chen, realisiert (Abbildung 8).

Mit entsprechend gesicherten Produkten ist jedoch nicht vor der Verabschiedung der entsprechenden Standards im Rahmen der diesjährigen CCITT-Tagung zu rechnen. Für die Übergangszeit sollte geprüft werden, mit welchem Programmieraufwand Interimslösungen geschaffen werden können. Langfristiges Ziel sollte es sein direkte X.400-Schnittstellen mit entsprechenden Verteilfunktionen in heterogenen Landschaften zu erreichen.

Im kommerziellen Bereich wird EDIFACT als Dokumentenstandard für den Austausch von Lieferscheinen, Rechnungen und Shiping-Dokumenten unter anderem eingesetzt.

Der Austausch sämtlicher Informationen über Abteilungen, Standorte und Rechnerhierarchieebenen erfordert die Definition von gemeinsamen Standards um ein "Wide Area Network" betreiben zu können. Solche Standards werden sowohl im Rahmen der CCITT-Tagung als auch durch die Industrie geprägt. Für den Dokumentenaustausch haben sowohl ODA/ODIF als auch DCA/DIA entsprechende Bedeutung. Für den Austausch von Daten mit einem Mainframe wird eine Peer-to-peer Kommunikation eingesetzt.

Durch diese Regelungen gelingt es, sowohl Attribute als auch Strukturen mit zu übernehmen und damit die Informationen ohne Qualitätsverluste für weitere Verarbeitungsgänge zu verwenden (Abbildung 9).

In der Stufe 6 der Implementierung werden nicht nur die Daten zwischen den Systemhierarchien ausgetauscht sondern auch die zugehörigen Anwendungen. Dies ist nur möglich, wenn entweder ein einheitliches Betriebssystem eingesetzt wird oder die Anwendungen auf systemübergreifenden Standards aufbauen. Dies ist unter anderem auch Ziel namhafter Hersteller in ihren Architekturkonzepten (SAA, DNA, Abbildung 10).

Die Einführung der Büroinformationssysteme bringt so viele Veränderungen sowohl in organisatorischer als auch in technischer Hinsicht mit sich, daß sich die systematische Planung und projektbegleitende Unterstützung in der Regel auszahlt. Es entstehen insgesamt auch weniger Konfliktsituationen, wenn die Probleme grundlegend geregelt wurden. Vielmehr bleibt im Rahmen der Einführung und während des Produktivbetriebs mehr Zeit um kreative Neuerungen zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. Diesem Potential sollte daher die entsprechende Aufmerksamkeit gelten, wenn die Implementierung gelingen soll.