Neubau als Chance begriffen Glasfaserhersteller macht Ernst mit papierlosem Buero

14.04.1995

FRAMINGHAM (IDG) - Die Owen-Corning Fiberglass Corp. hat sich selbst in Zugzwang gesetzt. Wenn es im Mai 1996 sein neues Zentralgebaeude bezieht, will das Fertigungsunternehmen gelernt haben, ohne eine Papieraktenablage auszukommen.

Vor zwei Wochen legte der Betrieb, der einen Jahresumsatz von 3,3 Milliarden Dollar ausweisen kann, den Grundstein fuer ein neues Headquarter in Toledo, Ohio. Die Plaene fuer den auf 100 Millionen Dollar veranschlagten Neubau weisen ein signifikantes Manko auf: Fuer die Ablage von Papierakten ist kein Raum vorgesehen.

Der Umzug der rund 1000 Headquarter-Angestellten ist bereits fuer Mai kommenden Jahres geplant. Folglich bleiben Chief Information Officer (CIO) Mike Radcliff und seinen Leuten ganze 13 Monate, um herauszufinden, wie Owen-Corning ohne die ueblichen Papierberge auskommen kann.

Technologieumstellung mit flexiblem Budget

Die 250 Koepfe zaehlende Abteilung Informationssysteme (IS) hat eine Menge Arbeit vor sich: Neben einer kompletten Videokonferenz- Ausruestung sollen Multimedia-Kioske, elektronische Pinnwaende, Andockstationen sowie drahtlose Netze installiert werden. Zudem sind Palmtops, Laptops, Satelliten- und Kabeldienste zu evaluieren sowie CD-ROM-basierte Publikationssysteme, Internet-Services und eine Technik fuer die Handschriftenerkennung auszuwaehlen.

Quasi nebenher wird die Radcliff-Abteilung nahezu jedes Softwaresystem durch R/3 von SAP ersetzen. In dieser Beziehung ist der Zeitplan jedoch etwas weniger optimistisch. Owen-Corning goennt sich immerhin 24 Monate, um die Fertigungs-, Vertriebs- und Forschungssysteme in mehr als 30 Laendern auf die Reihe zu bekommen.

All diese Anstrengungen sind Teil einer grossangelegten Neuorientierung, die den Kunden in den Mittelpunkt der Informationskultur stellen soll. Mittel zu diesem Zweck sind Teamorientierung, Mobilitaet der Mitarbeiter, permanente Weiterbildung und eine papierlose Arbeitsumgebung.

Was das kosten wird, steht noch in den Sternen. "Wir haben uns kein festes Budget vorgeschrieben", erlaeutert Jerry McColough, Leiter des mit der Technologieumstellung befassten Teams.

"Statt dessen bieten wir eine Auswahl an." Sollte eine Abteilung das Gefuehl haben, sie koennte eine bestimmte Technologie gebrauchen, um damit anders zu arbeiten und einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, dann werde ihr dieses Mittel zur Verfuegung gestellt.

Auf die Frage, ob das Unternehmen verrueckt geworden sei, schuettelt CIO Radcliff den Kopf. "Wir verfolgen einen der aggressivsten Zeitplaene, die Sie finden werden", raeumt er ein. "Aber das liegt nur daran, dass wir an einem schnellen Uebergang interessiert sind." Die Tatsache, dass Owen-Corning ein neues Headquarter errichte, lasse sich wundervoll als Sinnbild fuer die Umgestaltung der Arbeitsplaetze nutzen.

Um den selbstgesteckten Zeitrahmen einhalten zu koennen, hat das Unternehmen die Anwender beauftragt, selbst die Technologie zu definieren und auszusuchen, die sie kuenftig einsetzen wollen. Zu diesem Zweck wurde im vergangenen Monat eine Ausstellung organisiert, auf der mehr als 40 Anbieter ihre Produkte ins rechte Licht ruecken durften. Das letzte Wort bei der Technologiebeschaffung hat allerdings immer noch die IS-Abteilung.

Wie John Lee, Mitglied des elfkoepfigen Employee-Design- Integration-Teams (Edit), erlaeutert, helfen die Angestellten auch beim Uebergang vom papiergestuetzten zum elektronischen Schriftverkehr. Sie haetten bereits 300 verschiedene E-Mail- basierte Formulare entwickelt, die die Papierdokumente ersetzen sollen.