Informationen über das physikalische Medium separat gewinnen

Netzwerk-Management fängt schon bei der Schicht null an

04.05.1990

Jochen Rohrlapper ist Berater und Projektleiter im Geschäftsbereich Telecom der SCS Informationstechnik GmbH, München.

Wenn von Netzwerk-Management die Rede ist, dann fast immer nur im Zusammenhang von Schicht 1 bis 7 des ISO-Modells. Neben dem Applikations- und Ressourcen-Management wird dabei jedoch die physikalische Übertragung, Schicht null, häufig vernachlässigt. Fällt sie aus, hilft auch das ausgefeilteste Netzwerk-Management der höheren Ebenen nichts mehr. Mit diesem Management-Defizit befaßt sich Jochen Rohrlapper.

Da die Schichten 1 bis 7 aus Software aufgebaut sind, können hier auf einfache Weise Funktionen realisiert werden, die geeignete Informationen an ein Management-System liefern. Das Übertragungsmedium selbst kann dagegen keine Informationen liefern, da es ausschließlich aus Hardware besteht.

Für die Informationsgewinnung müssen deshalb separate Systeme eingesetzt werden. Diese Systeme dürfen dabei den laufenden Betrieb des Netzes nicht beeinträchtigen und sollten für die Informationsübermittlung selbstverständlich nicht das zu überwachende Medium benutzen.

Die für das Betriebs-Management wichtigsten Informationen sind Angaben über Signalqualität, Kurzschlüsse beziehungsweise offene Leitungsenden und genaue Ortsangaben der aufgetretenen Störungen. Im Sinne einer vorbeugenden Wartung ist eine kontinuierliche Überwachung und Protokollierung der Betriebsinformation erforderlich. Diese Informationen müssen über eine zentrale Melde- und Steuerfunktion abrufbar sein. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Dokumentation der topologischen Struktur des Netzes mit Informationen über den Verlauf der Kabel im Gebäude oder auf dem Firmengelände und die Lage von Knoten- sowie Verteilpunkten.

Zwischen den laufend eingehenden Betriebsinformationen und den Informationen der Topologie-Dokumentation sollte eine schnelle und eindeutige Zuordnung möglich sein, um genaue und umfassende Angaben über die Art und den Ort einer Störung zu erhalten. Hierzu ist eine übergeordnete Management-Funktion wünschenswert, welche die Zusammenhänge mit Hilfe einer grafischen Benutzeroberfläche übersichtlich darstellt.

Trend zu Stern-Koppler oder Multiport-Repeater

Am weitesten fortgeschritten sind die Kabel-Management-Systeme für CATV-Breitbandnetze. Große Breitbandnetze, auf denen unterschiedliche Netzwerke von verschiedenen Herstellern parallel installiert sind, erfordern unbedingt eine "neutrale" Überwachungsfunktion auf der Schicht null. Nur so können eindeutige Fehlerzuweisungen erfolgen.

Bei den am Markt angebotenen Netzwerk-Komponenten für Ethernet beziehungsweise IEEE 802.3 ist ein deutlicher Trend zu "intelligenten" Netzlösungen wie Multiport-Repeater oder Sternkoppler zu erkennen. Diese Systeme sind in der Lage, bestimmte Fehler auf Schicht null zu erkennen, bei Koaxialkabel beispielsweise Kurzschlüsse und offene Leitungsenden. Das als fehlerhaft geortete Segment wird abgeschaltet und nach Beseitigung der Störungsursache automatisch wieder zugeschaltet. Teilweise verfügen die Systeme bereits über eine zentrale Meldefunktion.

Beim Token-Ring ist das nicht möglich, sofern die originalen Ringleitungsverteiler eingesetzt werden. Die Hersteller kompatibler Produkte bieten jedoch auch zunehmend "intelligente" Ringleitungsverteiler an, teilweise bereits auch mit zentraler Melde und Steuerfunktion.

Die Anbieter von herstellerneutralen Netzwerkprodukten haben die Wichtigkeit von Management-Funktionen für die ISO-Schicht null erkannt. Leider sind diese Funktionen bisher nicht standardisiert, was den gemischten Einsatz von Produkten verschiedener Hersteller erschwert. Die wichtigsten Aspekte bei der Produktauswahl sind die zentrale Melde- und Steuerfunktion, die Art der verfügbaren Informationen und die Benutzeroberfläche des Gesamt-Systems.

Solange es sich um ein einheitliches und homogenes Netzwerk handelt, wie Ethernet oder Token-Ring, läßt sich durch eine entsprechende Produktauswahl das Betriebs-Management der Schicht null gegenüber früher wesentlich vereinfachen. Unkompliziert wird es dadurch aber immer noch nicht. Dies gilt besonders dann, wenn verschiedene Netzwerke beziehungsweise Übertragungsprotokolle über ein einheitliches Übertragungsmedium betrieben werden, wie dies bei einem Verkabelungssystem der Fall ist.

Die Ausgänge der (aktiven) Netzwerk-Komponenten wie Multiport-Repeater, Ringleitungsverteiler, Terminal-Server oder Steuereinheit, werden über einen (passiven) Rangierverteiler mit der Datensteckdose im Büro und damit mit dem betreffenden Endgerät verbunden. Für die Netzwerkkomponenten stellt sich das gesamte Verkabelungssystem einschließlich Rangierverteiler als eine direkte Leitung dar, es ist praktisch unsichtbar.

Verkabelungssystem praktisch unsichtbar

Die Information, welche Datensteckdose im Büro mit welchem Ausgang einer Netzwerk-Komponente verbunden ist, besitzt nur die Person, die die Verbindung geschaltet hat. Welche Art von Endgerät tatsächlich an der betreffenden Datensteckdose im Büro hängt, ist eine andere Frage.

Der einheitliche Datenanschluß mag die Mitarbeiter dazu verleiten, die Aufstellungsorte ihrer Endgeräte zu verändern, ohne den Netzwerk-Manager zu informieren. Handelt es sich dabei um verschiedenartige Endgeräte, ist der Verlust der Verbindung noch der harmloseste Schaden, der angerichtet werden kann, wenn das Endgerät an der falschen Buchse angeschlossen wird.

Aus Sicht eines Netzwerk-Managers hat ein Verkabelungssystem zwei große Schwachstellen - die Datensteckdose im Büro und den Rangierverteiler. Das Problem ist, daß genau an diesen neuralgischen Punkten heute und in Zukunft manuelle Eingriffe erforderlich sind. Programmierbare Rangierverteiler gibt es nur in der Elektrotechnik. Sie sind einfacher zu realisieren, da es sich dort um ein einheitliches und homogenes "Netzwerk" handelt - Einphasen-Wechselstrom mit 220 Volt und 50 Hertz.

Es ist daher notwendig, dem Netzwerk-Manager geeignete Hilfsmittel an die Hand zu geben, um die Gefahr von Fehlbeschaltungen zu reduzieren. Im Bürobereich erfordert dies sowohl technische Maßnahmen (zum Beispiel kodierbare Stecker und Steckdosen) als auch organisatorische Maßnahmen (zum Beispiel Arbeitsanweisungen). Im Bereich des Rangierverteilers helfen nur organisatorische Maßnahmen (zum Beispiel Zwang zur Dokumentation), die durch entsprechende technische Hilfsmittel unterstützt werden müssen.

Geeignete Hilfsmittel für den Netzwerk-Manager

Die elektronische Abbildung einer Kartei über geschaltete Verbindungen ist allenfalls für kleine Netze, als Sofortmaßnahme oder Übergangslösung akzeptabel .

Selbst ein derart einfaches System muß über eine Ein- und Ausgabemöglichkeit beim Rangierverteiler und eine zentrale Abfragemöglichkeit verfügen. Ohne direkten Zugang zum Management-System am Rangierverteiler wird der Zwang zur Dokumentation von Beschaltungen verringert, wodurch die Aktualität der Datenbasis nicht mehr gewährleistet werden kann.

Wie bei anderen Netzwerk-Management-Systemen ist auch hier eine dezentrale und eine zentrale oder globale Funktionalität erforderlich, entsprechend den Anforderungen, die sich aus dem Arbeiten vor Ort und der Planung und Überwachung eines Netzes ergeben.

Eine Funktion, die vor Ort mit Sicherheit benötigt wird, ist die Möglichkeit zur elektrischen Kontrolle von Verbindungen - und sei es nur ein integrierter Kabeltester. Für die zentralen beziehungsweise globalen Funktionen ist eine grafische Benutzeroberfläche notwendig Die Dokumentation der topologischen Struktur ist wünschenswert, wobei eine schematische Darstellung der geschalteten Verbindungen zwischen den Ausgängen der Netzwerkkomponenten und den Datensteckdosen im Büro als Mindestanforderung zu nennen wäre.

Wünschenswert ist ferner die Integration von Informationen über die eingesetzten Netzwerk Komponenten.

Neukonfigurationen erfordern eine zentrale Planung. Dabei geht es nicht nur um die Planung von Beschaltungen, sondern auch um den effektiven Einsatz vorhandener Ressourcen, beispielsweise von Netzwerk-Komponenten. Ein Kabel-Management-System kann den Planungsprozeß durch entsprechende Funktionen unterstützen und vereinfachen, zum Beispiel durch das Erstellen von detaillierten Schaltaufträgen für die Rangierverteiler und Stücklisten für die dort benötigten Netzwerkkomponenten .

Dem Autor sind derzeit keine Kabel-Management-Systeme bekannt, die wesentlich über die Karteikasten-Funktionalität hinausgehen. Lediglich der integrierte Kabeltester ist als Funktion bereits realisiert.

Bei der Auswahl von Netzwerk-Komponenten für ein Verkabelungssystem kann deren spezielle Eignung für diesen Einsatz nicht hoch genug bewertet werden. Aus Sicht des Netzwerk-Managers sind Punkte wie Überlastbarkeit der Ausgänge, Erkennung, Meldung und Reaktion auf Fehler sowie Fernbedienbarkeit von entscheidender Bedeutung. Die Integration in zentrale oder globale Management-Funktionen läßt sich nur dann effektiv realisieren, wenn offene und möglichst standardisierte Schnittstellen zur Verfügung stehen.

Ein praxisgerechtes und effizientes Netzwerk-Management muß auch die Verkabelung - also die ISO-Schicht null - einschließen. Bei der Diskussion über sinnvolle Standards und anwenderfreundliche Lösungen sind die Anbieter von Verkabelungssystemen und die Anwender gleichermaßen gefordert.