Netzwerk Architektur und Netzwerk Design

25.02.1977

Prof. Dr.-Ing. Georg Färber, Lehrstuhl für Prozeßrechner, Technische Universität München

Viele Publikationen haben sich in den letzten Jahren mit dem Problem des Netzwerk-Design befaßt, wobei komplexe Warteschlangen-Modelle entwickelt und zur Basis von Verfahren zur Netzwerk-Optimierung gemacht wurden. Leider setzen diese Verfahren genaue Kenntnis der Verkehrs-Statistik im Netz voraus - eine Information, die man im allgemeinen erst durch Messungen im bereits installierten Netz erhält. Größere praktische Bedeutung haben die Zuverlässigkeitsbetrachtungen, welche die Netzwerk-Topologie und Wegeauswahlverfahren (Routing) wesentlich beeinflussen.

Für die Vermittlung von Nachrichten in einem Rechnernetz stehen zwei Verfahren zur Auswahl: Das "Circuit-Switching", bei welchem analog zum Telefonnetz zunächst eine Verbindung aufgebaut wird, dann die eigentliche Informationsübertragung erfolgt und schließlich die Verbindung wieder ausgelöst wird. Das zweite Verfahren, "Paket-Switching", orientiert sich an der "Paket-Post" - ein Informationspaket gelangt über verschiedene "Postämter" (Vermittler) vom Absender zur Zieladresse. Die meisten heutig en Rechnernetze benützen dieses Verfahren, wobei zur Verkürzung der Übertragungszeit große Informationspakete in mehrere kleine aufgeteilt werden - kleinere Pakete werden schneller befördert als große.

Der vom CCITT im vergangen en Jahr verabschiedete Standard X25 benutzt das Paket-Switching-Verfahren.

Nachrichten werden in Pakete zerhackt, die einzeln vom Absender durch - das Netz zum Empfänger transportiert und dort wieder zu der Nachricht zusammengesetzt werden. Dabei wird zur Zeit heftig darüber diskutiert, wer für dieses Zerteilen und Wiederzusammensetzen verantwortlich ist. Die eine Seite fordert, daß diese Aufgabe dem Nachrichten-Transportsystem zugeordnet wird, so daß der Teilnehmer den Eindruck hat, er hätte es mit einer direkten Verbindung zu tun (virtual call). Die andere Seite fordert einen sogenannten "Datagramm"-Service, also die Fähigkeit des Netzes, kurze Nachrichtenpakete ähnlich einem Telegramm aufzunehmen und diese wieder beim Empfänger abzuliefern. Das Zerteilen und Zusammensetzen von Nachrichten liegt hier bei den Teilnehmern des Netzes. Viele gute Argumente werden für die Vorzüge beider Verfahren angeführt. Die Anhänger des "Virtual Call" rechnen vor, daß Überlastungen und Verstopfungen im Netz leichter vermieden werden können. Die "Datagramm"-Seite argumentiert mit technischen sowie mit politischen Gründen: Einerseits ist das Tarifproblem einfacher und überschaubarer zu lösen (Abrechnung - der Dienstleistung "Transport eines Datagramms"), zum anderen sind die technischen Möglichkeiten für die Postverwaltung eingeschränkt mit dem Übertragungsservice sozusagen automatisch zusätzliche Dienstleistungen, etwa

Datenverarbeitungsleistungen, anzubieten. Im Augenblick beschränkt sich der X25-Vorschlag auf "Virtual Call", zahlreiche Institutionen arbeiten jedoch an Vorschlägen, wie X25 um einen Datagramm-Service erweitert werden könnte.

Im Rahmen der Arbeitsgruppe 6.1 "International Network Working Group" des IFIP werden darüber hinaus in Theorie und Praxis die Möglichkeiten und Schwierigkeiten untersucht, die für eine Verkopplung von bereits realisierten Netzwerken bestehen. Die unterschiedlichen Formate der Nachrichten müssen in sogenannten "gateways" zwischen den Netzen umgesetzt werden, die Adresden von Teilnehmern innerhalb der einzelnen Netze müssen, ähnlich wie Telefonnummern mit dem Orts-Code, ergänzt werden, damit Mehrdeutigkeiten vermieden werden. Experimentelle Verbindungen bestehen zur Zeit zwischen dem amerikanischen ARPA-Netz und dem britischen NPL-Netz sowie zwischen NPL und dem französischen CYCLADES.

Zum Abschluß sei noch erwähnt, daß die Prinzipien der Rechnerkopplung heute nicht mehr nur auf Großrechner angewendet werden, sondern daß sie sich auch für die Kopplung von Mini-Rechnern eignen. So gibt es heute lokale Netze beispielsweise in Großforschungseinrichtungen (DESY, KFA, HMI) und in zunehmendem Umfang auch in der Industrie (Integration von Insellösungen zu einem Informationsverbund). Auch komplexe Aufgaben der Prozeßlenkung werden an Prozeßrechnernetze delegiert, wobei besondere Anforderungen an die Eigenschaften des Netzes gestellt werden (Minimierung der Übertragungszeiten). Das Projekt PDV (Prozeßlenkung mit Datenverarbeitungsanlagen) der GfK Karlsruhe fördert im Rahmen des 3. DV-Programmes einige Forschungsvorhaben zu diesem Thema.