Netzsicherheit/"Sauberer Saft" im bundesweiten Netz durch Dezentralisierung Kaufhof AG schlaegt neuen Weg beim Energie-Management ein

07.04.1995

Von Juergen Hoefling*

Ein unternehmensweites Netz ist de facto eine einzige riesige Maschine auf einer sehr ausgedehnten Flaeche. Ihr stoerungsfreies Funktionieren sicherzustellen ist keine triviale Angelegenheit. Sehr aufwendig gestaltete sich zum Beispiel auch die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV). Der Kaufhof-Konzern geht dabei neue Wege.

Daten in ihren vielfaeltigen Auspraegungen sind die Geschaeftsgrundlage eines jeden Unternehmens und damit das wertvollste Gut ueberhaupt. Datenverluste stellen eine staendige Gefahr dar; sie koennen durch Fehlbedienung, mutwillige Eingriffe oder auch energietechnische Stoerungen entstehen: angefangen von langsamen Netzspannungsschwankungen ueber gelegentliche Spannungsspitzen und Hochfrequenzueberlagerungen bis hin zu zyklischen Deformationen, harmonischen Verzerrungen oder auch einem kurzzeitigen Totalausfall des Netzes. Der Moeglichkeiten sind zwar viele, doch laesst sich das Risiko einer energietechnisch bedingten Havarie von datentechnischen Netzwerken durch gezielte Schutzmassnahmen praktisch auf Null reduzieren, was von den beiden anderen Gefahrenquellen fuer die Daten nicht unbedingt behauptet werden kann. So schaetzt denn auch Robert Keymer, Abteilungsleiter PC-Systemtechnik bei der Kaufhof Holding AG in Koeln, dass im deutschlandweiten Netz des Handelskonzerns die Verfuegbarkeit von Daten schon eher einmal durch Fehlbedienung eingeschraenkt wird als durch irgendwelche Stoerungen des Stromnetzes. Letztere werden jedoch durch den Einsatz von USVs an allen empfindlichen Punkten des Netzes im laufenden Betrieb auf effiziente Weise ausgeschaltet und sind daher fuer den normalen Benutzer ueberhaupt nicht zu bemerken.

350 Server und 4000 Arbeitsplatzrechner

Rund 4000 Arbeitsplatzrechner, die von etwa 350 Servern gesteuert werden, bilden das rechen- und kommunikationstechnische Rueckgrat des Kaufhof-Konzerns; miteinander verbunden sind diese Maschinen durch ein weitgespanntes Gewebe von LAN- und WAN-Netzen. So sind die rund 80 Standorte von Kaufhof im lokalen Bereich mit PC-Netzen unter Novell Netware 3.11 und 3.12 ausgestattet, waehrend die meisten dieser Standorte im Weitverkehrsbereich ueber 64-Kbit/s- Leitungen auf ISDN-Basis miteinander verbunden sind. Dieses riesige Netz, in das an manchen Standorten auch einige Unix- Maschinen auf der Basis des TCP/IP-Protokolls eingebunden sind, wird vollstaendig von der Koelner Zentrale administriert, wie Keymer erlaeutert. Natuerlich werden dabei spezielle Filter eingesetzt, um Neben-Server (beispielsweise lokale Druck-Server), die fuer die Administration weniger wichtig sind, zeitweise ausblenden zu koennen. Insgesamt existiere aber jederzeit der voellige Ueberblick ueber das Netz.

Am Backbone 350 Server angeschlossen

Das Rueckgrat des Netzes in der Koelner Zentrale bildet zur Zeit eine FDDI- und Token-Ring-Konfiguration, die ueber Kommunikations- Controller (3174 und 3172) mit dem Host-Rechner (einer IBM 3090) verbunden sind. An diesem Backbone sind 350 Server angeschlossen, und zwar entweder direkt oder aber ueber Router-Strecken, wenn es sich um abgesetzte Server in den einzelnen Standorten ausserhalb der Koelner Zentrale handelt. An den Servern haengen dann wiederum insgesamt ueber 4000 Arbeitsplatzrechner. Diese Verbindung laeuft ueber Ethernet und in einigen Faellen auch ueber Arcnet. Als weitere Elemente enthaelt das Kaufhof-Netzwerk Sternkoppler (Hubs) und last, but not least eine grosse Menge USVs, die die wichtigsten Punkte des Kommunikationsgewebes unempfindlich gegen die Unbilden der zugelieferten Power machen.

Der "Saft" aus dem Versorgungsnetz ist ja keineswegs besonders "sauber". Zum einen erzeugen die Energieversorgungsunternehmen zuweilen bewusst kurze Netzunterbrechungen, um einen Kurzschluss, der im Netz entstanden ist, zu eliminieren, oder sie senken die Spannung ab, um einen zeitweiligen ungewoehnlich hohen Leistungsbedarf abzufangen; zum anderen koennen beispielsweise grosse Verbraucher, die sich in der Naehe der Rechneranlage befinden, die urspruenglich saubere Sinusschwingung der Wechselspannung erheblich veraendern. Solche grossen Verbraucher gibt es ueberall, und wenn es nur ein Lastenaufzug in der Naehe des Rechnerraums ist.

Signale an das Ueberwachungsprogramm

Keines dieser Stoerpotentiale darf innerhalb des Kaufhof-Netzes einen Datenverlust ausloesen. Unregelmaessigkeiten in der Versorgungsspannung werden deshalb durch die USVs abgefangen. Bei einer Stoerung werden der betroffene Server und alle anderen Netzkomponenten, deren Funktionsfaehigkeit und Datenintegritaet gefaehrdet sind, so heruntergefahren, dass keine Daten verlorengehen. Die USV signalisiert die Versorgungsprobleme in einem solchen Fall einem aktiven Ueberwachungsprogramm in dem jeweiligen Server, woraufhin dieses die aktuellen Verarbeitungsschritte im Rechner sauber abschliesst, das heisst, ohne dass Datenverluste entstehen. Dieser Sicherungsvorgang greift auch bei Online-Transaktionen, beispielsweise bei den SQL- Datenbankprozessen auf den Servern.

Gesichert werden im Kaufhof-Netz nicht nur die Server, sondern auch alle Sondersysteme wie Gateways, Router und andere Netzkoppelelemente (Hubs), deren Netzteil meist recht schwach dimensioniert ist und die deshalb auch fuer kleinere Stoerungen ziemlich anfaellig sind. Insgesamt wird bei Kaufhof ein abgestuftes USV-Konzept angewandt, das eine vollstaendige Sicherung der zentralen Netzkomponenten vorsieht, waehrend die Sicherungselemente um die einzelnen Arbeitsplaetze sehr viel geringer sind. "Rund um die Arbeitsplatzrechner haben wir in der Regel auch die Hubs nicht abgesichert, obwohl dies natuerlich ein Optimum an Sicherheit bieten wuerde. Aber hier sind die dafuer notwendigen Ausgaben hoeher als der erwartete Nutzen", schildert Keymer die Entscheidungskriterien.

Die Dezentralisierung der Daten- und Kommunikationstechnik weg von den Rechner-Jumbos und hin zu einem Client-Server-Konzept spiegelt sich bei der Kaufhof Holding AG auch im Bereich des USV-Equipments wider.

Trend zu handlichen Geraeten seit Mitte der 80er

Setzte man Mitte der 80er Jahre noch vollstaendig auf Gross-USV- Loesungen, so werden diese Geraete seit etwa vier Jahren zunehmend durch kleine, handliche USVs direkt an den einzelnen Netzwerkkomponenten ergaenzt. Lediglich die zentralen Rechnerraeume werden auch heute noch durch Gross-USV-Geraete gesichert.

Fuer die Netzkomponenten auf Abteilungsebene hat man sich fuer die Smart-UPS-Serie eines amerikanischen Herstellers (APC) entschieden, der mit diesen sogenannten netzinteraktiven USV- Geraeten ein neues Konzept anbietet, bei dem der Spannungswandler immer mit dem Spannungsausgang verbunden ist.

Das fuehrt zu einer zusaetzlichen Filterung, wodurch eine besonders saubere Ausgangsspannung erzeugt wird. Keymer dazu: "Im Vergleich zu anderen Angeboten haben unsere Produkte die sauberste Ausgangsspannung.

Ausserdem sind sie gegenueber reinen Online-Geraeten um einiges kostenguenstiger." (siehe Kasten).

Die Maschinen bestechen laut Keymer aber nicht nur durch ihre Hardware-Eigenschaften, sondern vor allem durch die verfuegbare Software, die ueber die von Novell angebotene Grundausstattung hinausgeht. Das Programmpaket "Power Chute Plus" dokumentiert nicht nur penibel die Stromversorgungsqualitaet, sondern schreibt im Stoerungsfall die Systemdaten auch in die Log-Datei, so dass in Problemfaellen genau diagnostiziert werden kann, was zum Herunterfahren der Netzkomponente gefuehrt hat. Darueber hinaus laesst sich die Software in alle wichtigen Netzwerkverwaltungssysteme auf der Basis des SNMP-Protokolls einbinden.

Keymer zeigt sich vor allem von der genauen Dokumentation der Unter- und Ueberspannungen beeindruckt und meint: "Wenn alle wichtigen Komponenten des Rechnernetzes durch USV-Geraete abgesichert sind, merkt man ja die vielen kleinen und groesseren Spannungsschwankungen und Netzzusammenbrueche ueberhaupt nicht. Insofern hat man mit den Log-Daten, die die Power-Chute-Software liefert, sofort schwarz auf weiss einen Nachweis, den man dem jeweiligen Energieversorger vorlegen kann. Das ist zuweilen dann vonnoeten, wenn zum Beispiel in einem Industriegebiet neben einem unserer Lager neue Firmengebaeude ans Netz angeschlossen werden und die Stromversorgung dieser Erweiterung nicht schnell genug angepasst wurde." Rund 200 Smart-UPS-Geraete sind mittlerweile in den verschiedenen Betriebsstaetten des Kaufhof-Konzerns im Einsatz. Und es werden sicher noch mehr werden. Von den Abmessungen her sind sie leicht in jedem Rechnerraum unterzubringen. Eigenstoerungen verursachen sie nicht, sie ueberwachen vielmehr die Stromversorgung des Netzes effizient und unauffaellig.

Netzinteraktive USV

Haeufig werden unterbrechungsfreie Stromversorgungen in zwei Kategorien eingeteilt, in Offline-(oder Standby-) und in Online- Geraete. Waehrend bei ersteren der gefilterte Netzstrom die Hauptversorgungsquelle darstellt und nur bei Ausfall dieser Quelle auf Batterie und Wechselrichter umgeschaltet wird, ist bei letzteren der Umschalter so eingestellt, dass die Stromversorgung grundsaetzlich ueber Batterie und Wechselrichter laeuft. Dadurch entsteht bei Online-Geraeten bei einem Ausfall des Wechselstroms keine Umschaltzeit. Solche Systeme koennen eine Ausgangsspannung liefern, die nur Schwankungen um ein Prozent aufweist. Zur Absicherung lebenserhaltender Systeme sind Online-Loesungen deshalb auf jeden Fall die beste Wahl. Normale Rechnersysteme sind indes recht robuste Verbraucher, die Spannungsschwankungen von 20 bis 30 Volt klaglos verkraften. Die teuer erkaufte Praezision vieler Online-Systeme bringt deshalb in ihrem Fall keine zusaetzliche Sicherheit, ist mithin pure Geldverschwendung.

Die Alternative zu den Online-Geraeten bildet heutzutage jedoch nicht das traditionelle Offline-Geraet, bei dem die Batterie erst bei akuten Stromversorgungsproblemen zugeschaltet wird. Hier gibt es trickreichere Verfahren, zum Beispiel die netzinteraktive Technik, deren Pionier die American Power Conversion (APC) ist. Bei dieser Technik ist ein Inverter, also ein Umrichter, der sowohl wechsel- als auch gleichrichten kann, immer mit dem Ausgang der USV verbunden. Die Batterie ist zwar potentialmaessig immer mit dem Stromkreis verbunden, das Potential liegt aber in der Regel unterhalb der Netzspannung, so dass die Energie zur Batterie hinfliesst. Nur wenn die Netzspannung unter einen bestimmten Wert sinkt, kehrt sich der Stromfluss um. Netzinteraktive Geraete bieten eine Ausgangsspannung, die sich mit der von Online-Geraeten durchaus messen kann, die Batterie im Gegensatz zu diesen aber nur im echten Bedarfsfall belasten. Dadurch wird dieses sehr sensible Teil einer unterbrechungsfreien Stromversorgung sehr geschont, was deren Lebensdauer erheblich erhoeht. Der einfachere Schaltungsaufbau macht die netzinteraktiven Geraete darueber hinaus preisguenstiger als Online-Geraete.

* Juergen Hoefling ist Abteilungsleiter PC-Systemtechnik bei der Kaufhof AG in Koeln.