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Argumente, Sarkasmus und Ironie

Netzgemeinde nimmt die Terrorwarnung aufs Korn

23.11.2010
Das Internet entwickelt seine eigene Antwort auf den Terroralarm in Deutschland.

Mit Argumenten, Sarkasmus und Ironie wird den Behörden Angstmache und Hysterie vorgeworfen. Eine Woche nach der Terrorwarnung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière macht sich im Internet wachsende Empörung über die Sicherheitspolitik der Regierung breit. Auf der am Montag gestarteten Website wirhabenkeineangst.de hat der Düsseldorfer Videojournalist Mario Sixtus ein Portal eingerichtet, das die Alarmstimmung aufs Korn nimmt, mal mit heiligem Ernst, mal mit Spott oder einer Prise Anarchie.

"Das ist immer der gleiche Tanz, seit dem 11. September 2001 gibt es immer die gleichen Mechanismen", sagt Sixtus im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Sobald jemand Gefahr ruft, kriechen die aus den Löchern, die sich einen repressiven Staat wünschen." In kurzer Zeit sammelte die neue Website 250 Beiträge von ebenso vielen Personen. "Ich habe 40 in der Pipeline, die ich noch nicht freigeschaltet habe", erklärt Sixtus. Mehr als 200.000 Mal sei die Website in weniger als zwei Tagen schon aufgerufen worden.

Nur an den eigentlichen Adressaten gehe die Initiative vermutlich weitgehend vorbei, bedauert Sixtus. "Was sich im Internet artikuliert, wird vom Radar der Politiker nicht erfasst. Das ist ärgerlich, schließlich leben wir im 21. Jahrhundert." Der Autor hofft auf die Organisationskraft des Netzes: "Ich bin nicht der große Aktivist, aber ich scheine da einen Nerv getroffen zu haben. Wenn der Ärger groß genug ist, wird es auch Aktionen im realen Raum geben."

Schon finden sich im Kurzmitteilungsdienst Twitter erste Aufrufe zu einem Flashmob, also einer Aktion, zu der im Netz oder per SMS aufgerufen wird, um innerhalb kurzer Zeit große Menschenmengen zusammenzubringen. "Terror-Flashmob anyone? Wir bringen alle alte Koffer mit und lassen die dann gleichzeitig auf dem Bahnhofsvorplatz stehn und rennen weg!", twitterte ein Nutzer mit dem Nickname "Weltregierung".

So ganz ernst gemeint ist der Aufruf nicht - dennoch fand er mit mehr als 100 "Retweets" (Weiterleitungen durch andere Nutzer) eine große Verbreitung. "Sarkasmus und Ironie sind sicherlich der beste Weg, um mit dieser Hysterie umzugehen", sagt der Twitterer aus Hamburg, der im September 2009 beim "Yeah"-Flashmob mitgemacht hat: Damals begleiteten CDU-Kritiker eine Wahlkampfkundgebung von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ironischem Dauerjubel.

Twitter-Mitglied "Weltregierung" erklärt im dpa-Gespräch, er sei es als Nachbar des FC St. Pauli gewohnt, massive Sicherheitseinsätze auch kritisch zu betrachten. "Ich nutze Twitter aber nicht als politisches Tool, sondern bin einfach nur als Internet-Mensch unterwegs."

Auch in anderen Twitter-Ecken macht sich Ärger über die Terroralarmstimmung breit. Nach Äußerungen aus den Reihen der Union zu einer möglichen Beschränkung der Pressefreiheit schlägt der Aachener Programmierer Christian Scholz vor: "Vielleicht könnte man direkt mal bei den Terroristen anrufen, welche Grundrechte sie noch bei uns eingeschränkt haben wollen?" Und die Nutzerin "StrassenKatze" macht sich über Aufrufe lustig, auf Verdächtiges zu achten: "hm.. das Kind meiner nordafrikanischen Nachbarn brüllt schon wieder. da ist doch was im Busch! #terror". (dpa/tc)