Funktechniken haben bessere Karten als Kabel

Netze in Privathaushalten: Bluetooth treibt Markt voran

20.08.1999
CW-Bericht, Martin Seiler MÜNCHEN - Die Waschmaschine und der Kühlschrank mit Internet-Zugang - im vernetzten Heim der Zukunft kann diese Vision wahr werden. Bis es soweit ist, muß in den Haushalten erst einmal die notwendige Kommunikations-Infrastruktur geschaffen werden. Während Kupferkabel hier kaum eine Chance haben, bieten sich Funk-, Stromkabel- oder Infrarottechniken als Alternativen an.

Leistungsfähige Rechner sind mittlerweile billig und sogar im Supermarkt um die Ecke zu haben. Eine Entwicklung mit Folgen: Viele Privathaushalte leisten sich heute mehr als einen PC. Allerdings bleibt den Zweit- und Drittrechnern meistens der Zugriff auf nur einmal vorhandene Peripheriegeräte wie Drucker oder Scanner verwehrt, denn dazu fehlt die nötige Infrastruktur. Der Grund ist einfach: Die physische Verkabelung ist noch zu kompliziert, außerdem überfordert der für den einwandfreien Betrieb der Geräte im Netz notwendige Konfigurationsaufwand zumeist die privaten Anwender. Eine Hürde, die es zu überwinden gilt, ehe die defekte Mikrowelle selbsttätig den Kundendienst rufen oder der leere Kühlschrank Nachschub ordern kann.

Ähnlich stellt sich die Situation in Klein- oder Heimbüros dar. Auch hier wollen die Mitarbeiter gleichzeitig einen zentralen Internet-Zugang nutzen oder Dokumente auf einem gemeinsamen Laserdrucker ausgeben - eine Vernetzung ist also ebenfalls unvermeidbar. In der Regel fehlt aber gerade in solchen Außenstellen das technische Know-how, um die Installation und die Verwaltung eines LANs vorzunehmen.

Daher hat die im professionellen Bereich weitverbreitete, aber aufwendige und teure Vernetzung mit Kupferkabeln so gut wie keine Chancen, sich in Privathaushalten und kleinen Bürogemeinschaften zu etablieren. Die Zahl derjenigen, die bereit sind, zusätzlich zu den ohnedies vorhandenen Wasserleitungen, Strom- und Telefonstrippen in ihren Wohnungen auch noch Kupferdoppelader- oder Koaxstrecken zu verlegen, dürfte verschwindend gering sein. An diesem Punkt haben inzwischen einige Hersteller mit innovativen Konzepten angesetzt, die den Anwendern vor allem einfachere Handhabung und größere Flexibilität versprechen.

Mehrere Verfahren bieten sich als Alternative zum klassischen Draht-LAN. So lassen sich Daten elegant mittels Radio- oder Infrarotwellen verschicken. Denkbar wäre zudem auch die Nutzung des Stromnetzes oder der Telefonleitungen, wie es etwa die Home Phoneline Networking Alliance (HomePNA) vorschlägt. Das HomePNA-Konsortium, dem unter anderem 3Com, AMD, Compaq, IBM, Intel und Lucent angehören, arbeitet daran, Daten mit bis zu einem Mbit/s über die eigentlich für die Übertragung von Sprache gedachten Strippen zu schikken. Die Ende Juli vorgestellte Version 2.0 der Spezifikation definiert sogar Übertragungen mit zehn Mbit/s, nach Angaben der Vereinigung sind höhere Werte technisch durchaus machbar. Das Verfahren beeinträchtigt dabei das Telefonieren nicht.

Viel naheliegender ist eigentlich die Nutzung des Stromnetzes als Übertragungsmedium. Im Unterschied zu Telefonkabeln liegen elektrische Leitungen überall im Haus, in den meisten Zimmern finden sich mehrere Steckdosen.

In den USA hat die Firma Intelogis ein Verfahren entwickelt, bei dem ein Spezialstecker mit der Dose verbunden wird.

Von diesem führt ein Verbindungskabel zum jeweiligen Rechner oder anzusprechenden Peripheriegerät. Die Technik funktioniert über die Distanz von einer Viertelmeile (etwa 400 Meter), hat aber einen wesentlichen Nachteil: Übertragungen erfolgen lediglich mit 350 Kbit/s.

Wesentlich schnellere Datentransfers ermöglichen Infrarotverfahren, die sich unter bestimmten Bedingungen für den Einsatz im Heimbereich anbieten. Normalerweise läßt sich diese Technik nur für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen zwei Stationen nutzen - 3Com benutzt das Verfahren etwa, damit "Palm"-Anwender Daten von einem Handheld zu einem anderen "beamen" können. Setzt man diffuse Infrarotstrahlen ein, sind Übertragungen von einem zu mehreren anderen Punkten möglich. Außerdem ist dann - im Gegensatz zum direkten Infrarot - eine freie Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger nicht mehr zwingend notwendig.

Inzwischen erreichen Infrarotverfahren, etwa das von der Infrared Data Association (IrDA) propagierte IrDA-Data, Geschwindigkeiten zwischen 9,6 Kbit/s und 4 Mbit/s. Bis zu 16 Mbit/s sollen im Bereich des möglichen liegen. Allerdings krankt die Technik noch immer an der eng begrenzten Übertragungsreichweite von nicht viel mehr als einigen Metern sowie an der Auflage, daß sich Sender und Empfänger während der Übertragung nicht bewegen dürfen.

Solche Beschränkungen kennt "Bluetooth", eine Anfang 1998 ins Leben gerufene Funktechnologie, nicht. Mit diesem Verfahren lassen sich Informationen mit Geschwindigkeiten von bis zu einem Mbit/s sowohl im Punkt-zu-Multipunkt- als auch im Punkt-zu-Punkt-Modus senden und empfangen. Derzeit beträgt die maximal überbrückbare Entfernung zehn Meter. Aussagen der hinter dem Verfahren stehenden Bluetooth Special Interest Group (SIG) zufolge sind aber bis zu hundert Meter möglich, sofern man die Ausgangsleistung des Senders entsprechend erhöht.

Außerdem hat die Technik den Vorteil, durch festes, nichtmetallisches Material hindurch übertragen zu können. Störend können sich allerdings Babyüberwachungsgeräte, Garagentoröffner, schnurlose Telefone oder Mikrowellengeräte auswirken, da diese zum Teil die gleichen Frequenzen wie das drahtlose Heimnetz benutzen.

Bluetooth-taugliche Geräte nehmen sofort miteinander Kontakt auf, wenn sie nahe genug beieinander sind. Bis zu acht solcher Maschinen organisieren sich dabei automatisch zu sogenannten Piconetzen - diese wiederum lassen sich logisch zu Gruppen organisieren, die laut Spezifikation Scatternetze heißen. Der Sender muß nicht stationär sein, sondern kann sich innerhalb des jeweiligen Piconet völlig frei bewegen, während er Daten sendet

Version 1.0 der Bluetooth-Spezifikation liegt seit Ende Juli 1999 vor, mit ersten Produkten rechnet der mittlerweile 1013 Mitglieder zählende SIG im nächsten Jahr.

Auf den ersten Blick scheint Bluetooth das beste Verfahren zu sein - dennoch deutet einiges daraufhin, daß nicht eine Übertragungstechnik allein das Rennen bei der Heimvernetzung machen wird. Beispielsweise gleicht IrDA die mangelnde Flexibilität mit hohen Übertragungsraten aus, weswegen ein Mix aus den beschriebenen Verfahren absehbar ist.

Jahr 2005: Ein Fünftel der Haushalte ist vernetzt

Die Vernetzung als solche scheint aber unaufhaltsam, wie eine Umfrage unter 600 CW-Lesern bestätigt: Fast die Hälfte rechnet demnach mit einer Vernetzung der Geräte des privaten Haushalts in absehbarer Zukunft. Auch geht eine Reihe von Analysten von einem Siegeszug der Home Networks aus. Strategy Analytics etwa glaubt, daß bis zum Jahr 2005 rund 21 Prozent der amerikanischen und 19 Prozent der europäischen Privatwohnungen vernetzt sein werden. Dabei sollen in erster Linie Funk-LAN-Technologien Verwendung finden, die klassische Verkabelung über Kupferkabel oder Telefonleitungen soll nach Ansicht der Auguren nur eine untergeordnete Rolle spielen. Besondere Bedeutung mißt Strategy Analytics dem Bluetooth-Verfahren bei, das gute Aussichten habe, schnell und relativ billig in Personal Digital Assistants (PDAs), Handies, oder Peripheriegeräten integriert zu werden.