Alternative Carrier/Der Markt für Internet-Service-Provider konsolidiert sich

Netzbetreiber und Service-Anbieter suchen Erfolg durch Mehrwertdienste

26.06.1998

Auf dem, gemessen an den Umsätzen, stark wachsenden Markt der Internet-Service-Provider (ISP) sind zunehmend Anzeichen von Spezialisierung sowie ein starker Ausbau der Netzkapazitäten zu beobachten. Zusammenschlüsse auf nationaler und internationaler Ebene sind mittlerweile die Regel, während kleine ISP nur noch in lokalen Marktnischen eine Chance gegen die Großkonzerne haben. Insgesamt ist der Trend klar: Mehrwertdienste wie IP-Fax und IP-Telefonie sollen Margen bringen und neue Potentiale in der Wertschöpfungskette erschließen.

Dabei gibt es aber ein Problem: Internet-Telefonie ist heute im großen Maßstab noch nicht anwendbar. Zum einen, weil kaum Angebote vorliegen, zum anderen wegen der noch zögerlichen Nachfrage. Selbst die Protagonisten der IP-Telefonie halten sich noch mit eigenen Angeboten zurück und beobachten den Markt.

Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom sehen in IP-Dienstleistungen eine Möglichkeit, ihre vorhandenen Netzkapazitäten als Plattform für neue Services besser auszulasten. ISP wie Psinet oder Uunet betrachten dagegen klassische Services wie Sprache und Fax als mögliche neue Umsatz- und damit Wachstumsträger. Beide Seiten nähern sich auf diese Weise allmählich an, sowohl was Dienstleistungen als auch Gebühren betrifft. Voraussichtlich sind die Preise für Sprache über herkömmliche Circuit Switched Networks von Sprache über IP-Netze bereits in drei Jahren nicht mehr zu unterscheiden.

Der ISP-Markt unterliegt dabei dramatischen Veränderungen: Einerseits drängen kapitalstarke TK-Konzerne wie die Deutsche Telekom, Mannesmann Arcor oder Viag Interkom in den Markt der IP-Dienste, andererseits ist bei den etablierten Internet-Service-Providern eine Diversifikation in das eigentliche ISP-Geschäft und in Franchising-Konzepte festzustellen. Die Folge davon ist eine hierarchische ISP-Struktur, die sich über die gesamte Bandbreite der IP-Services, die Kundensegmente (Unternehmen und Privathaushalte) sowie die räumliche Verbreitung erstreckt.

Viele Provider bauen eigene Netze mit von Carriern gemieteten Leitungskapazitäten auf, die sie selbst verwalten und überwachen. Gleichzeitig streben gerade die großen ISP zunehmend Eigentum an Leitungen an. Für die Kostenkalkulation bringen beide Formen Vor- und Nachteile. Carrier haben das Interesse, möglichst viel Last auf ihr Netz zu bringen. Erst ab einer gewissen Auslastung decken sie die hohen Fixkosten und erreichen die "Erlöszone".

Anders bei den reinen Service-Providern mit Mietleitungen, die über die gekauften Leitungskapazitäten hinausgehende Bandbreiten stets zusätzlich bezahlen müssen. Allein durch eine überdurchschnittliche Ausdehnung des Verkehrs läßt sich ein Economy of Scale nicht erzielen. Mit speziellen Strategien suchen ISP deshalb nach Wegen zur planmäßig optimalen Auslastung ihrer Netzkapazitäten. Die Kosten zusätzlicher Leitungen müssen bei gleichzeitigem Preisverfall durch ein höheres Wachstum ausgeglichen werden.

Helmut Blank, Geschäftsführer der Psinet GmbH, sieht in der Deutschen Telekom heute den Vorreiter des Preisverfalls bei Leitungen. Seiner Ansicht nach ist der Markt an verkaufbaren Bandbreiten bereits gesättigt. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Internet-Service-Provider. Eine Wählleitung muß heute nämlich nicht mehr kosten als eine Standleitung. Ausgedehnte POP-Strukturen (Point of Presence) mit breit gestreuter lokaler Präsenz werden deshalb mit zunehmendem Preisverfall der Zugangsleitung zum POP immer unwichtiger und fallen nur noch als Kostenblock ins Gewicht. Diese Entwicklung wird durch Marktbeobachtungen untermauert. Provider wie Uunet haben bereits POPs wegen mangelhafter Auslastung geschlossen.

Eine Antwort auf die genannten Veränderungen heißt Marktsegmentierung. Eine den klassischen Netzbetreibern vergleichbare Hierarchie der ISP teilt sich den Markt. Ganz große Anbieter mit eigenen Leitungen verkaufen Kapazitäten als sogenannter Up-Stream-Provider an Transitkunden, also regionale IP-Anbieter. Anders als bei der klassischen Festverbindung dürfen diese Franchise-Nehmer die Transitleistungen weitervermarkten.

Immer mehr ISP beziehen ihre Bandbreiten dabei nicht mehr nur von einem Lieferanten, sondern gehen dazu über, Leitungen bei verschiedenen Netzbetreibern einzukaufen. Das hat mehrere Vorteile: Neue Kapazitäten werden genau dann eingekauft, wenn sie wirklich nötigt sind. Zusätzliche Leitungen werden beim preisgünstigsten Anbieter erworben, weil die Streuung die Abhängigkeit von einem Anbieter verringert und zu einer höheren Sicherheit im laufenden Netzbetrieb führt.

Einer der typischen IP-Mehrwertdienste auf den genannten Netzen ist die Faxübertragung. Sie ist technisch einfach zu realisieren und wirtschaftlich mit großen Ersparnissen verbunden. Der Markt für Faxdienste ist daher groß und etabliert. Immerhin sind 50 Prozent der internationalen Fernverbindungen Faxübertragungen. Nicht zuletzt deshalb rechnen sich die ISP in diesem Marktsegment Gewinne bei wenig Risiko aus.

Das Prinzip von Fax-over-IP ist einfach und erinnert an bekannte Verfahren wie Least Cost Routing (LCR) in Corporate Networks. Dabei wird das Fax soweit wie möglich über das IP-Netz statt über das öffentliche Telefonnetz transportiert und dadurch der Kostenaufwand auf ein Minimum reduziert. Die Überbrückung des Fernbereichs ist im Durchschnitt mit einer Kosteneinsparung von rund 30 Prozent verbunden.

Große ISP und Netzbetreiber sehen in den etablierten Anbietern von Faxdiensten die erste Zielgruppe: Sie haben einen Kundenstamm, kennen sich in der Faxtechnik aus und unterliegen einem hohen Kostendruck, der sie zum Umstieg auf IP zwingt. Mit dem Eintritt der Internet-Service-Provider in den Markt der Faxübertragung ist der Traum kostenloser Internet-Faxe jedenfalls ausgeträumt.

Die Dienstleistungen der Service-Provider

Derzeit liefern die Anbieter auf ihren Backbones in der Regel IP- und Frame-Relay-Dienste. Hinzu kommen VPN-Services (Virtual Private Network) sowie Message-Outsourcing mit zwischen SMMP, X.400, Lotus Notes Domino und MS-Mail Exchange geschalteten Gateways, die einen systemübergreifenden Mail-Austausch ermöglichen. Adreßregistrierung für Kunden mit Web-Hosting werden als weitere Services angeboten. IP-Telefonie hingegen ist derzeit als Produkt noch kaum verfügbar.

Internet und Intranet ziehen die dem Bereich der Datenkommunikation entstammenden Service-Provider stark an. In diesem Sektor kündigen sich grundlegende Verschiebungen an. Aus dem klassischen Corporate Network wurde das Intranet und aus den auf Netz-Connectivity spezialisierten Dienstleistern werden Internet-Service-Provider. In Zukunft charakterisiert sich ein ISP durch das Angebot von Electronic-Commerce-Diensten. Schließlich dient das Internet genau diesem Zweck.

Bandbreitenberechnungsmodelle für ISP

Die Kostenberechnung des Internet-Service-Providers für die dem Kunden zur Verfügung gestellte Bandbreite beruht folgender Formel:

Preis pro Volumeneinheit = Faktor x Kosten für Bandbreite.

Der Wert "Faktor" legt den Charakter der Dienstleistung fest (zum Beispiel Standleitungszugang mit oder ohne Wiederverkauf, spezielle Datendienste oder Intranet-Betrieb). Der Wert "Bandbreite" gibt an, welches Volumen pro Sekunde der Kunde übertragen kann. Mit dieser Formel lassen sich Bandbreitentarife in entsprechende Volumentarife umrechnen.

Beispiel: Betreiber A bietet eine durchschnittliche Bandbreitennutzung pro Monat von 32 Kbit/s auf einer 128-Kbit/s-Leitung zum Preis von 10 000 Mark an. Anbieter B hingegen vermarktet auf einer 128-Kbit/s-Standleitung ein monatliches Grundvolumen von 8 GB für 7500 Mark und berechnet bei Überschreitung einen Preis von 2,50 Mark pro MB.

Bei Anbieter A mit 32 Kbit/s pro Monat (Monat hat 60x60x24x31 Sekunden = 2 678400 s) läßt sich ein Volumen von bis zu 10,21 GB übertragen. Die Kosten betragen 10000 Mark.

Bei Anbieter B benötigt der Kunde für ein vergleichbares Übertragungsvolumen 8 GB für 7500 Mark und dann zusätzlich 2 GB a 2,50 Mark pro MB (1024x2,50=2560 Mark). Die Kosten betragen insgesamt 10060 Mark.

Angeklickt

Der Aufgabenbereich der Internet-Service-Provider (ISP) reicht längst über die Funktion der Bereitstellung des Netzzugangs ins Web hinaus. Mehr und mehr schicken sich die ISP an, dem Terminus Service gerecht zu werden und Kunden auch entsprechende Mehrwertdienste zu bieten. Fax und Voice über IP, aber auch Message-Outsourcing, Virtual Private Networks und E-Commerce sollen künftig zum festen Portfolio der Internet-Service-Provider zählen.

* Harald Hassenmüller ist freier Journalist in München.

Abb: Der europäische Markt für Mehrwertdienste im Internet wächst ab dem Jahr 2000 explosionsartig. Quelle: Forrester Research