UMTS/Datenapplikationen zwingen Mobilfunker zu IT-Support

Netzbetreiber müssen sich neu ausrichten

05.12.2003
UMTS erfordert von den Funknetz-Carriern ein Umdenken bei ihren Geschäftsmodellen. Da mit der neuen Mobilfunkgeneration Datenanwendungen in den Vordergrund treten, sind andere Marketing-, Vertriebs- und Supportstrukturen gefragt.Von Arno Wilfert*

UMTS wird als Mobilfunkstandard der dritten Generation bezeichnet (3G). Das erweckt den Eindruck, es löse das bisherige GSM-Verfahren ab. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die existierende GSM-Technik wird zusammen mit 3G in Form hybrider Netze weiterleben. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass die UMTS-Technik in ländlichen Regionen nie installiert wird, da dort das Verkehrsaufkommen nicht ausreicht, um die Investitionen zu rechtfertigen.

Weniger die neue UMTS-Technik stellt also einen Paradigmenwechsel für den Mobilfunk dar, sondern vielmehr der Übergang von einem gewohnten sprachzentrierten Geschäftsmodell auf einen viel stärker datenzentrierten Business-Ansatz. Die Kunden sollen zunehmend nicht nur Sprach-, sondern auch Datendienste nutzen, die einfach zu handhaben sind und schnell übertragen werden. Die wichtigsten Anwendungen in einer solchen datenzentrierten Mobilfunkwelt dürften zusätzlich zur bekannten Kurznachricht SMS und dem Multimedia Messaging Service (MMS) die E-Mail sowie der Internet- und Intranet-Zugang sein.

Kein Datengeschäft ohne sinnvolle Content-Angebote

Allerdings wird die Verfügbarkeit von attraktiven Inhalten dafür entscheidend sein, ob über Access- und Transportdienste hinausgehende Datendienste in signifikantem Umfang nachgefragt werden. Solange solche Inhalte nicht in Sicht sind, dürften elementare Umsatzzuwächse durch Datendienste unwahrscheinlich sein. Auf Medienunternehmen kann man derzeit nicht setzen, weil sich viele Content-Anbieter nach dem Platzen der Internet-Blase aus dem E- und M-Business zurückgezogen haben. Die Netzbetreiber sind deshalb häufig gezwungen, selbst für entsprechende Angebote zu sorgen.

Wie sehr sich die Ausgangslage verändert hat, dokumentiert die Fehleinschätzung der Netzbetreiber noch zu Zeiten des Internet-Hype. Im Jahr 2000 hatten sie noch damit gerechnet, dass Datendienste 2007 einen Anteil von 35 bis 50 Prozent am Umsatz haben werden. Die Erwartungen sind heute deutlich konservativer, eher sorgt ein größeres Angebot an Sprach- und Mehrwertdiensten für Umsatz- und Profitabilitätssteigerungen. Trotzdem suggerieren die Netzbetreiber gerne, dass die Datendienste auf dem Vormarsch sind. Tatsächlich nimmt deren Nutzung zu, beruhen die mit Daten gemachten Umsätze in der Regel aber zu 95 Prozent auf SMS, einem Datendienst, für den UMTS überhaupt nicht erforderlich ist.

Sollte Mitte 2004 mit der Vermarktung von breitbandigen mobilen Datendiensten begonnen werden, stellt sich für die Netzbetreiber ein weiteres Problem. Sie müssen künftig keine Handys oder SIM-Cards mehr verkaufen, sondern - wenn sie es richtig anpacken - mobile Datenkommunikationsdienste mit entsprechenden Endgeräten. Der Vertrieb solcher Telefone und Services ist jedoch deutlich komplexer als bei herkömmlichen Mobiltelefonen und Sprachdiensten.

UMTS-Handys werden zum Bestandteil der IT-Infrastruktur

Bei den künftigen Devices handelt es sich eher um portable Miniatur-PCs mit integriertem Mobiltelefon, die entsprechend konfiguriert und regelmäßig mit Software-Updates versorgt werden müssen. Die Crux daran ist, dass diese Endgeräte in die gesamte Kommunikationsstruktur eingebunden werden müssen, weil es dem Kunden nicht zumutbar ist, mehrere Adressbücher, Kalender und Sprachboxen zu verwalten. Außerdem besteht an diese Produkte die Anforderung, die Interoperabilität mit der übrigen IT- und Kommunikationsinfrastruktur eines Kunden sicherzustellen. Stand heute sind die Vertriebsabteilungen der Netzbetreiber mit komplexen IT-spezifischen Fragen aber überfordert.

Unterschätzt wird bei den Mobilfunkanbietern offensichtlich der so genannte Netzeffekt. Die ersten Nutzer neuer Kommunikationstechnologien und -dienste haben in der Regel den Nachteil, dass sie kaum Kommunikationspartner mit kompatibler Technik finden. So nutzt einem zum Beispiel ein MMS-fähiges Mobilfunkgerät wenig, wenn die meisten Teilnehmer keine Multimedia Messages empfangen können, weil sie nicht über entsprechende Endgeräte verfügen, bestimmte Dienste nicht abonniert haben oder die Übertragung zwischen verschiedenen Netzen nicht funktioniert.

Unter diesem Aspekt, aber auch wegen des hohen Sättigungsgrades der Mobilfunkmärkte sollten die Netzbetreiber deshalb wieder stärker die Geschäftskunden entdecken. Diese Klientel ist nicht nur schneller bereit, in Highend-Devices zu investieren, sondern kommt auch stark als Abnehmer breitbandiger, mobiler Datendienste in Frage. Allerdings sind die Vertriebsabteilungen der Anbieter häufig noch nicht in der Lage, diesen Kunden Lösungen anzubieten, die voll in die bestehende Kommunikationsinfrastruktur und die vorhandenen IT-Systeme integrierbar sind. Derzeit ist die Situation eher so, dass es vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen für Netzbetreiber attraktiver ist, zusätzliche SIM-Cards zu verkaufen, als sich komplizierten Geschäftskundenproblemen zu widmen. Bei Anfragen, wie Mitarbeiter mobil auf das Intranet zugreifen können und wie dies über die bestehende IT des Kunden zu realisieren ist, stoßen die Hotlines an ihre Grenzen.

Ein weiteres Problem stellen die noch hohen Preise für UMTS-fähige Endgeräte dar. Die meisten Unternehmen werden nur dann bereit sein, breitbandige UMTS-basierende Datendienste einzuführen, wenn sie die Endgeräte für ihre Mitarbeiter weitgehend umsonst bekommen. Dadurch verschlechtert sich für die Anbieter jedoch die Rendite für einen Kunden mit Ein- oder Zweijahresvertrag deutlich. Der ursprünglich gehegte Plan der Netzbetreiber, UMTS-fähige Endgeräte nicht zu subventionieren, ist nicht durchzuhalten.

Dringender Handlungsbedarf für Vodafone und T-Mobile

Wegen der hohen aufgebrachten Lizenzkosten werden die Netzbetreiber Basisstationen zunächst nur dort aufbauen, wo mit entsprechendem Daten- und Sprachverkehr zu rechnen ist, nämlich in den Ballungsgebieten. Für T-Mobile und Vodafone ist der Handlungsbedarf dort ohnedies groß, weil die herkömmlichen GSM-Netze in diesen Zonen häufig überlastet sind. Deshalb wird zusätzliche Kapazität durch die wesentlich leistungsstärkeren UMTS-Basisstationen dringend benötigt.

O2 und E-Plus verfügen in aller Regel über genügend Netzvolumen und müssten deshalb nicht unbedingt in UMTS investieren. Allerdings ist es für sie besonders wichtig, nicht von einer Zukunftstechnik gekoppelt zu werden. Die zusätzliche Kapazität gibt ihnen jedoch die Chance, sich mit neuen Diensten und Tarifoptionen aggressiver im Markt zu positionieren und den Trumpf "verfügbare Übertragungskapazität" gegenüber den großen Netzbetreibern auszuspielen.

ADSL-Erfolgsgeschichte könnte als Orientierungshilfe dienen

Für die enormen Summen der UMTS-Lizenzen bleibt aus heutiger Sicht nur die Totalabschreibung als ultima ratio. Stellt sich die Frage, was UMTS zum Durchbruch verhelfen kann. Die wichtigsten Funktionen, die Kunden auch mobil über schnelle Datenübertragung nutzen wollen, werden neben Diensten wie SMS und MMS wie gesagt vor allem E-Mail, Intranet- und Internet-Zugang sein. Die Netzbetreiber sollten sich deshalb an der Erfolgsgeschichte von ADSL orientieren und Datendienste in Form von attraktiven Bündelangeboten und Flat Fees anbieten. Kapazität gibt es in den UMTS-Netzen ohnehin genug.

Sobald attraktive und funktionierende Endgeräte in ausreichender Menge erhältlich sind, sollte noch einmal darüber nachgedacht werden, ob man tatsächlich ohne Endgerätesubventionen auskommen kann. Den beschriebenen Netzeffekt wird man nur durch attraktive Preise überwinden können. Gerade im Geschäftskundensegment könnten sich Endgerätesubventionen trotz hoher Kosten rechnen.

Netzbetreiber müssen über neue Vertriebswege nachdenken

Die Netzbetreiber müssen außerdem rasch über neue Vertriebsmethoden und Allianzen nachdenken. Es wäre zu überprüfen, ob man im Business-Segment nicht sehr viel stärker mit Systemintegratoren kooperiert und bei Privatkunden mit Vertriebskanälen, über die PCs, Notebooks und PDAs vertrieben werden. Das könnte letztlich sogar zu schlankeren Vertriebsstrukturen bei den Carriern selbst führen. Was die Inhalte angeht, sollten die vier Mobilfunker ebenfalls pragmatisch vorgehen: Da Reichweite hier alles ist, wäre die Bildung einer großen "Mobile-Content-Allianz" gemeinsam mit den Content-Anbietern zu überlegen. (pg)

*Arno Wilfert ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Arthur D. Little GmbH und Spezialist für Telekommunikation.

Angeklickt

Um ihre UMTS-Netze erfolgreich vermarkten zu können, müssen die Netzbetreiber

- mehr Content für Datendienste schaffen,

- UMTS-fähige Handys schnell durch Subventionen verbreiten,

- mit Systemintegratoren Angebote für Geschäftskunden entwickeln,

- den Support auf Datenanwendungen ausrichten,

- mit IT-erprobten Vertriebspartnern kooperieren,

- Angebote bündeln und

- Flat Fees einführen.