Networking: Firmen fürchten Kontrollverlust

04.07.2005
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Keul warnt, was lange versäumt worden sei, lasse sich nicht von heute auf morgen einführen. Ohnehin würden sich niemals alle mit allen austauschen. Besser sei es, die Kunst des punktuellen Zweckbündnisses zu fördern. "Wer aus einer anderen Abteilung könnte wichtig sein für meine Aufgabe?" Auf dieses Denken legte bereits der deutsche Computerpionier Heinz Nixdorf großen Wert. Das "Nixdorf Auftakt Programm" (NAP) lud neue Mitarbeiter vom ersten Tag an ein, mit Kollegen und Führungskräften wichtige Kontakte zu knüpfen. Für Christine Dietrich, heute bei der Siemens Business Services GmbH in München für Change-Management verantwortlich, wirkte das Programm als Karrierebeschleuniger. "Noch heute profitiere ich von dem Netzwerk, das mir seinerzeit eröffnet wurde."

Bei Microsoft Deutschland kommen Mitarbeiter in "Learning Networks" zusammen, bauen Vorurteile ab und lernen voneinander. "So fördern wir die Kommunikation zwischen Organisationsbereichen und überblicken die Qualifikationen in den eigenen Reihen besser", erläutert Blank. Das externe Pendant heißt "Business Partnerships". Dort treffen sich Microsoft-Führungskräfte mit Entscheidern anderer Firmen, um an konkreten Problemen zu arbeiten. Ziel seien weniger neue Geschäftskontakte, sondern: "Wir wollen voneinander lernen und den Blick für andere Unternehmenskulturen und Werte erweitern."

Bernhard Schmid: "Wenn alle das Gleiche denken, wird bald überhaupt nicht mehr gedacht."

Dass Unternehmen Netzwerken gegenüber aufgeschlossener werden, ist für Bernhard Schmid, Geschäftsführer des Münchner Management-Dienstleisters Global Value Management GmbH, überfällig. Während oft vernetztes Denken und partnerschaftliche Kooperation eingefordert werde, herrsche unter Entscheidungsträgern hoher Anpassungsdruck. "Wenn alle das Gleiche denken", amüsiert sich der einstige Vorstand des IT-Dienstleisters Tria AG über Manager, "wird bald überhaupt nicht mehr gedacht." Schmid empfiehlt Managern, im Unternehmen integre, kommunikative und fachlich versierte "Network Champions" aufzuspüren. Deren Aufgabe soll es sein, den informellen Austausch zu fördern und die Mitarbeiter zu intensiverem Austausch zu ermutigen.

Im Internet tun sich viele mit der Kontaktpflege leichter. Networking-Plattformen boomen. In Open BC zum Beispiel halten 350 000 Mitglieder nach Geschäftskontakten Ausschau. Für den Performers Circle der Verlagsgruppe Handelsblatt registrierten sich in den ersten Tagen 5000 Interessenten. Nach einer W3B-Umfrage Marktforscher Fittkau & Maaß stufen zwei von drei europäischen Managern Internet-Kontaktpflege als "wichtig" oder "sehr wichtig" ein. Eine andere Möglichkeit, online Leute kennen zu lernen, sind Blogs. Der Münchner Blogging-Fachmann Klaus Eck weiß von Softwarespezialisten, die durch ihr Online-Tagebuch einen neuen Job gefunden haben.