Interview

"Network Computer werden Wintel-PCs nicht ablösen"

04.07.1997

CW: Wie groß ist Ihr weltweiter Anteil am Suite-Geschäft?

COWPLAND: Wir liegen momentan bei rund 23 Prozent in verkauften Stückzahlen. Gemessen am Umsatz ist unser Marktanteil etwas geringer. Dies liegt daran, daß wir eine wesentlich aggressivere Preispolitik als Microsoft betreiben. Microsoft verkauft sein Paket zu einem höheren Preis. Bei uns spielt das Upgrade-Geschäft eine wichtigere Rolle, weil es sich bei unseren Kunden vornehmlich um kleinere Unternehmen handelt.

CW: Welchen Stellenwert besitzt das Suite-Geschäft für Corel?

COWPLAND: Es macht in etwa zwei Drittel unseres gesamten Business aus. Das entspricht knapp 300 Millionen Dollar - Tendenz steigend. Unsere Suites verschaffen uns derzeit zweifelsohne den größten Profit. Während Microsoft rund 40 Prozent seiner gesamten Einnahmen mit Office-Paketen verdient, sind dies bei uns 65 Prozent.

CW: Mit welchem Rezept wollen Sie das Segment der Großkunden gewinnen?

COWPLAND: Nun ja, wir stellen im Moment fest, daß große Firmen sehr träge agieren und für einen Produktwechsel nur schwer zu gewinnen sind. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst auf die großen Firmen, die bereits unsere Kunden sind. Gleichzeitig hoffen wir auf kleine und mittlere Unternehmen, die sich ausgiebiger mit unserer Technologie befassen möchten.

CW: Wie soll Ihre Java-Suite positioniert werden?

COWPLAND: Es ist im Grunde genommen ein modularer Ansatz, der es Anwendern ermöglicht, nahezu die komplette Software und ihre Features auf dem Server zu plazieren und nicht mehr auf der lokalen Festplatte.

CW: Sind Sie der Ansicht, NCs werden hauptsächlich für große Unternehmen attraktiv?

COWPLAND: Ja, für große und mittelständische. Wir glauben nicht, daß NCs die "Wintel-PCs" (Windows und Intel, Anm. d. Red.) ablösen werden. Ich denke, es ist schlichtweg eine weitere Alternative.

CW: Aber das bedeutet doch, daß ihre Java-Suite für den privaten Nutzer unattraktiv ist?

COWPLAND: Nein, nicht unbedingt. Es macht auch für die rund 60 Prozent derjenigen Personen Sinn, die derzeit noch überhaupt keinen Computer besitzen. Diese könnten sich einen NC ausleihen und sich Applikationen von entsprechenden Anbietern laden.

CW: Gleichzeitig versuchen Sie, mit eigener Hardware in dieses Terrain einzusteigen. Weshalb?

COWPLAND: Wir halten nach sämtlichen Möglichkeiten Ausschau. Um den Verkauf unserer Software zu gewährleisten, müssen wir demonstrieren, daß die benötigte Hardware existiert.

CW: Es gibt Gerüchte über eine mobile Version ihres Video-NCs. Treffen sie zu?

COWPLAND: Die Notebook-Version befindet sich bereits in der Entwicklung. Dabei handelt es sich aber eher um einen klassischen Laptop als um irgendein Handheld-Gerät. Das können wir später auch noch bauen.

CW: Handhelds?

COWPLAND: Na ja, wir beobachten den Markt jedenfalls. Vielleicht werden wir Psion Ltd. damit beauftragen. Möglicherweise avanciert der "Pilot" von U.S. Robotics ja zum Java-Gerät.

CW: Was wird der Notebook-NC kosten?

COWPLAND: Rund 2700 Dollar. Das entspricht etwa dem Preis eines normalen Laptops.

CW: Welche Ziele haben Sie sich mit dem NC gesetzt?

COWPLAND: Ich wünsche mir den Verkauf von 100000 Stück im kommenden Jahr. Das ist zwar nur eine relativ geringe Menge, würde aber dennoch einen lukrativen Gewinn für das erste Jahr abwerfen - schätzungsweise 50 bis 70 Millionen Dollar.

CW: Wie viele Ressourcen stecken Sie in Java und den NC?

COWPLAND: Wir investieren etwa 50 Prozent unserer Ressourcen in Java. Dafür werden wir teilweise unsere Aktivitäten für den Macintosh reduzieren, nachdem wir die Entwicklung unserer aktuellen Produktivitäts-Anwendungen beendet haben. Im Bereich der Grafikapplikationen wollen wir auch weiterhin für den Mac entwickeln, denn das ist die Spezialität dieser Rechnergattung.

CW: Welche Gefahren sehen Sie auf Java zukommen?

COWPLAND: Es wäre fatal, wenn Java zersplittert würde, etwa so, wie es mit Unix geschehen ist. Ich glaube aber, daß die Workflow-Fähigkeiten schon wegen der einfachen Anbindung mit Corba und ORB an populäre Datenbanken überzeugen.