Drei Topmanager müssen das Unternehmen verlassen

Network Associates zieht die Reißleine

05.01.2001
MÜNCHEN (CW) - Die US-Softwarefirma Network Associates (NAI) wird das vierte Quartal 2000 mit katastrophalen Zahlen abschließen. Damit ist die strategische Neuausrichtung des angeschlagenen Konzerns gescheitert. Der Verwaltungsrat zog die Notbremse und hat neben dem langjährigen CEO William Larson zwei weitere Topmanager entlassen.

Noch im Oktober glaubte Larson Oberwasser zu haben: "Wir haben das Schlimmste hinter uns", so der Chef von NAI auf einer Analystenkonferenz. Jetzt sei es an der Zeit, den langfristigen Erfolg für das Unternehmen sicherzustellen. Dass "langfristig" mitunter nur zwei Monate sein können, musste Larson jetzt am eigenen Leib erfahren. Der Verwaltungsrat von NAI will ihm den Stuhl vor die Tür setzen - offiziell ohne Begründung, inoffiziell wegen Erfolglosigkeit. Binnen der nächsten zwei Monate soll ein neuer CEO präsentiert werden, solange bleibt der bisherige im Amt.

Zusammen mit Larson, der mehr als sieben Jahre im Unternehmen tätig war, müssen seine rechte Hand Peter Watkins und der Finanzchef Prabhat Goyal die Koffer packen. Dass die Demissionen nicht von ungefähr kamen, bestätigte der scheidende CEO tags darauf indirekt im "Wall Street Journal": Sie hätten den Platz für junge Manager geräumt, die hungrig und noch nicht in den Genuss von hohen Gehältern gekommen seien. Gerüchten zufolge hat NAI bereits im November damit begonnen, einen Nachfolger für Larson zu suchen.

Die Entscheidung des Verwaltungsrats fiel wegen des katastrophalen vierten Quartals, in dem ein kapitales Minus droht: Zwischen 130 und 140 Millionen Dollar Verlust kündigte NAI in einer Vorabmeldung an, ausgegangen war man von einem Gewinn von mehr als 40 Millionen Dollar.

Der Sturz wirkt sich auch auf die Jahresbilanz zum 31. Dezember aus, in der nun ein Minus von rund 90 Millionen Dollar erwartet wird. Die Umsätze bewegen sich in den letzten drei Monaten des Jahres lediglich zwischen 55 und 65 Millionen Dollar und fallen damit um rund ein Viertel niedriger aus, als noch im Oktober angekündigt.

Im vergleichbaren Vorjahresquartal erwirtschaftete NAI noch knapp zehn Millionen Dollar Gewinn bei einem Umsatz von 218 Millionen Dollar. Für das gesamte Geschäftsjahr sind Einnahmen von etwa 750 Millionen Dollar angepeilt.

Mit Gründen für die Misere waren die Softwerker aus Santa Clara schnell bei der Hand: Wurde der dramatische Umsatzrückgang im Frühjahr 1999 offiziell durch die eingefrorenen IT-Budgets wegen der Jahr-2000-Umstellung verursacht, muss nun die sinkende Konjunkturerwartung in den USA als Begründung herhalten. Mit einer eventuell nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit der NAI-Produkte habe die mangelnde Nachfrage nichts zu tun. Der Aktienkurs brach jedenfalls um rund 60 Prozent ein.

Inzwischen hat NAI seine Bilanzierungspraktiken geändert. Bislang verbuchte das Unternehmen jedes Programm, das an Händler ausgeliefert wurde, als Umsatz, künftig sollen nur die Produkte gerechnet werden, die tatsächlich an Kunden abgesetzt wurden. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass Distributoren unlängst in großem Umfang unverkaufte Programme an NAI zurückgegeben haben, um ihre zu großen Vorräte zu reduzieren. Vorwürfe, NAF manipuliere die eigenen Bilanzen über die Distributionskanäle, hatte es bereits Anfang 1999 gegeben. Damals bestritt das Unternehmen alle diesbezüglichen Anschuldigungen und verwies auf irrtümlich überzogene Forecasts.