SAP repositioniert Infrastrukturplattform

Netweaver umgarnt Xapps und Web-Services

31.01.2003
MÜNCHEN (fn) - Das neue SAP-Produkt "Netweaver" soll die Unabhängigkeit der Infrastrukturprodukte und Xapps vom Anwendungspaket Mysap.com stärker herausstellen. Einerseits möchte SAP als Lieferant von offenen Integrations- und Applikationsumgebungen mit Microsoft und IBM konkurrieren, andererseits muss der Konzern auf Kundendruck die Mitbewerberprodukte einbinden.

Die von SAP vorgestellte Infrastrukturplattform Netweaver besteht aus dem "Web Application Server", dem Integration Broker "Exchange Infrastructure" (XI) und dem "Master Data Management" zum Konsolidieren von Stammdaten sowie zur Einbindung von Business-Informationen. Des Weiteren enthält das Produkt die Software "Enterprise Portal" nebst einer Wissens-Management-Umgebung und Teamfunktionen.

Neues Markenbewusstsein

Mit Netweaver schafft SAP in erster Linie eine neue Marke für eine bestehende Infrastrukturplattform. Auf diese Weise möchte der Softwarekonzern die Abgrenzung zwischen seiner Applikationssuite Mysap.com auf der einen und den Integrationslösungen, dem Applikations-Server und dem Portal auf der anderen Seite verdeutlichen. Zuvor vermarktete SAP die nun in Netweaver zusammengefassten Produkte unter dem Label "Mysap Technology", was offenbar die Unabhängigkeit von Mysap.com beziehungsweise die Offenheit zu Fremdsystemen nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht hatte.

Die SAP-Plattform Netweaver soll nicht nur als Integrations- und Ablaufumgebung fungieren. Sie dient zudem dazu, "Xapps" zu entwickeln. Diese im August 2002 vorgestellten Softwareprodukte integrieren SAP-eigene und fremde Applikationen beziehungsweise Datenquellen, um so bestimmte Geschäftsprozesse über eine Web-Schnittstelle zugänglich zu machen. Xapps besitzen keine eigene Datenbank, sondern bedienen sich der Funktion der darunter liegenden Software. Mit dem "Composite Application Framework" des Netweaver sollen Partnerfirmen der SAP sowie Kunden in die Lage versetzt werden, Xapps zu entwickeln.

Erfolg von Xapps angezweifelt

In der Theorie klingt das Konzept der Xapps verlockend, doch sind einige Experten skeptisch, ob ausgerechnet der bislang auf proprietäre Applikationssoftware spezialisierte Konzern in der Lage ist, solche mit Konkurrenzprodukten interoperablen Anwendungen auszuliefern. Die Xapps-Kritiker meinen, die Einführung einer solchen Lösung würde ein individuelles Integrationsprojekt sowie enormen Anpassungsaufwand erfordern. Dem entgegnet der Hersteller, das Angebot komme bei Kunden gut an. So sei die erste seit Dezember 2002 verfügbare Anwendung dieser Art, "Xapp Resource and Project Management", bereits bei zwei Kunden im Einsatz.

SAP möchte das Konzept der Xapps auch für die eigene Applikationssuite Mysap.com nutzen: Aus den Funktionen der hauseigenen Produkte wie etwa "Mysap CRM", "Mysap SCM" und "Mysap PLM" sollen neue Web-Applikationen entstehen. Auf diese Weise will der Hersteller die Lücken zwischen einzelnen Lösungen schließen beziehungsweise die Integration der eigenen Produkte für den Kunden erleichtern. Im Gegensatz zu den unabhängig von Mysap.com vertriebenen Xapps müssen laut SAP Kunden für diese Software nicht extra zahlen.

Netweaver wird künftig in allen Produkten der SAP enthalten sein, also in jedem Xapp, der Applikationssuite Mysap.com und dem ERP-System. Allerdings hat die Migration bestehender R/3-Installationen auf das erste Netweaver-fähige Release "R/3 Enterprise" erst begonnen.

SAPs Bestandskunden sollen mit Netweaver eigene "Extensions" für R/3 Enterprise, das aktuelle ERP-Release, schreiben können. Extensions sind gekapselte Funktionserweiterungen, die der Anwender einspielt, ohne wie bisher einen aufwändigen Release-Wechsel der gesamten Software vornehmen zu müssen. Solche Extensions stellt der Hersteller seinen Wartungskunden zur Verfügung, zusätzlich können Klienten eigene Erweiterungen schreiben und auf ihre Umgebungen draufsatteln.

Großen Wert legte SAP bei der Netweaver-Präsentation auf die Integration von IBMs Websphere und Microsofts .NET. Der Anbieter hat ein "Portal Development Kit" für die Entwicklungsumgebungen von IBM und Microsoft angekündigt, so dass beispielsweise in Visual Studio .NET geschriebene Applikationen in das SAP-Portal eingebettet werden können. Auch das Andocken der E-Mail-Lösung Exchange sowie des Office-Pakets ans SAP-Portal möchte das deutsche Softwarehaus erleichtern. Gleiches gilt für die Instant-Messaging-Software "Lotus Sametime" von IBM.

Brücke zu Biztalk

Microsofts Integrationslösungen "Biztalk" beziehungsweise IBMs "Websphere Business Integration" sollen sich über spezielle Konnektoren an SAPs Exchange Infrastructure anbinden lassen. Anwendungsentwickler, die mit Visual Studio .NET arbeiten, erhalten so die Möglichkeit, SAP-Applikationen über Web-Services-Schnittstellen anzusprechen, ohne sich dafür Detailwissen über BAPIs oder Idocs aneignen zu müssen. Und wer zum System-Management IBMs "Tivoli" nutzt, wird in der Lage sein, SAP-Systeme zu überwachen. Eine Schnittstelle in der Netweaver-Komponente "Lifecycle Management" sorgt für den Datenaustausch mit Tivoli.

Abap nur auf SAP-Server

Ein genaues Erscheinungsdatum der Techniken zur Ankopplung der Produkte von Microsoft und IBM nannte der Hersteller nicht. "Alles, über das wir heute reden, liefern wir noch 2003 aus", versprach Vorstandsmitglied Shai Agassi. SAP, Microsoft und IBM haben Technology-Support-Zentren gegründet, die Kunden bei der Integration von Netweaver und .NET beziehungsweise Websphere unterstützen sollen. Trotz der bekundeten Offenheit zu Microsoft sieht der ERP-Spezialist für die Anwendungsprogrammierung weiterhin Java und Abap vor.

Die Zusammenarbeit mit IBM beschränkt sich auf die Anbindung von Produkten auf verschiedenen Ebenen, denn weiterhin steht Netweaver in direkter Konkurrenz zu IBMs Websphere-Produktfamilie. So versuchen beide Hersteller, sich als die bevorzugte Portallösung für SAP-Kunden zu empfehlen. Außerdem vermarkten beide Firmen eigene Knowledge-Management-Lösungen und bieten Integration Broker feil. Und auch wenn sowohl SAPs als auch IBMs Applikations-Server auf J2EE basieren, so lassen sich die Business-Applikationen der Walldorfer derzeit nur auf dem eigenen Web Application Server betreiben, da dem "Websphere Application Server" die erforderliche Abap-Engine fehlt.

Abb: Integrations- und Ablaufplattform

Mit Netweaver positioniert SAP seine Infrastrukturplattform gegen "Websphere" von IBM. Über Schnittstellen lassen sich IBMs und Microsofts Umgebungen einbinden. Quelle: SAP