Nach AOL-Übernahme schlägt der Internet-Pionier zurück

Netscape 6: Browser für alle Endgeräte

14.04.2000
MÜNCHEN (fn) - Mit der Online-Großmacht AOL im Rücken meldet sich Netscape mit einem komplett neuen Browser zurück. Das Kernstück von "Netscape 6", die lang erwartete Layout-Engine "Gecko", erlaubt es, einmal entwickelte Internet-Anwendungen auf einer Vielzahl von Endgeräten ablaufen zu lassen.

Seit der Übernahme durch den Online-Dienst AOL war es um den Browser-Pionier Netscape Communications recht ruhig geworden. Mit der Vorstellung eines komplett überarbeiteten Web-Clients unter der Bezeichnung "Netscape 6" meldete sich die kalifornische Softwareschmiede jetzt zurück.

Doch aus Anwendersicht sind die neuen Features des Browsers nicht besonders spektakulär. So verfügt er mit "My Sidebar" über eine Art persönliches Verzeichnis, das beliebte Websites und Anwendungen des Surfers speichern kann. Darin befindet sich auch der "Netscape Instant Messenger", eine Software zum Austauschen kurzer Textnachrichten mit anderen Internet-Nutzern.

Die interessanten Details von Netscape 6 befinden sich unter der Oberfläche. Den Kern des neuen Browsers bildet die Layout-Engine Gecko. "Gecko unterstützt verschiedene Plattformen, ist als Open Source frei verfügbar und lässt sich einfach in verschiedene Endgeräte einbauen", betont Eric Krock, Senior Product Manager bei Netscape. Davon haben sich einige Firmen überzeugen lassen und wollen die Technik nutzen, um Browser speziell für Internet-TV-Geräte zu entwickeln (siehe CW 13/00, Seite 29).

Laut Lydia Loizides, Analystin bei Jupiter Communications aus New York, erlaubt es Gecko Web-Designern, einmal erstellte Inhalte ganz im Sinne des Java-Slogans "Write once - run anywhere" auf allen mit der Engine ausgestatteten Geräten verarbeiten zu lassen. Auf diesem Gebiet kann Konkurrent Microsoft bisher nur wenige Erfolge vorweisen.

Die AOL-Tochter Netscape und Microsoft sind sich spinnefeind, seit der Softwaregigant der Internet-Firma die Marktführerschaft bei den Browsern abnahm. Ihre Vormachtstellung erlangte die Gates-Company in erster Linie durch die Kopplung von Web-Client und Betriebssystem.

Nach Ansicht von Loizides hat die Vorstellung des neuen Browsers weit mehr Bedeutung für Entwickler als für Endkunden. "Auch wenn der Marktanteil geringer ist als der von Microsoft, werden Internet-Profis nach wie vor für die Netscape-Plattform programmieren", meint die Jupiter-Analystin. Viele Entwickler dürften nun von der Möglichkeit angetan sein, auf Basis von Gecko portable Internet-Anwendungen zu schreiben, prognostiziert Loizides.