Bandbreite, Übertragungsqualität etc...

Netflix & Co: Was deutsche Provider tun müssen

16.09.2014
Von 
Managing Director Central Europe bei Ciena
Der Deutschland-Start von Netflix, dem weltweit größte Anbieter für Streaming-Video, hat Auswirkungen auf den Datenverkehr im Internet und stellt alle Netzwerkanbieter vor Herausforderungen. Diese Fragestellungen muss die Internet-Wirtschaft jetzt lösen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Netflix ins Ausland expandiert. In den vergangenen Jahren wurden Angebote in Kanada, Lateinamerika, Großbritannien, Irland und Skandinavien eröffnet. Die Erfahrungen dort waren überall gleich. Wo Netflix seine Dienste anbietet, benötigt es Bandbreite und sorgt für ein exponentielles Wachstum des Datenvolumens. In den USA, wo 48 Millionen Mitglieder direkt über das Internet rund um die Uhr Serien und Filme abrufen, beansprucht Netflix laut Zahlen vom Mai 2014 allein 35 Prozent der gesamten Nachfrage nach Bandbreite für sich. Damit hat das Unternehmen bereits jetzt globale Auswirkungen auf das Internet. Die damit einhergehenden gigantischen Datenmengen müssen über die verschiedensten Übertragungswege realisiert werden, da Netflix-Kunden das Angebot des Unternehmens überall, rund um die Uhr auf unterschiedlichsten Geräten nutzen.

Und dieser Hunger nach Bandbreite wird nicht nur unter den Anbietern von Video on Demand (VoD) noch weiter zunehmen. Denn was die Technik erlaubt, wollen die Zuschauer auch nutzen. Bereits im Testbetrieb für einzelne Sendungen überträgt Netflix im Format Ultra-HDTV (auch als 4K bezeichnet). Die anderen Anbieter wie Amazon haben bereits die Absicht geäußert, ebenfalls auf diesen Zug aufspringen zu wollen.

Access-Provider müssen mit dieser Herausforderung wachsen und sich mit ihrem Bedarf an Kapazität und Konnektivität auseinandersetzen. Sie können ihre Netzwerk-Agilität verbessern indem sie technologische Hürden durch veraltete Netzwerkarchitekturen mit neuer Technologie nehmen. Um als Full-Service-Anbieter der wachsenden Nachfrage der Kunden nach breitbandigen Anwendungen gerecht werden zu können, setzen Unternehmen wie Unitymedia Kabel BW daher verstärkt auf flexible und skalierbare packet-optische Architekturen, die sie dynamisch an sich ändernde Kundenanforderungen anpassen können.

Kunden fordern beste Qualität

Netzwerke sind mehr denn je ein kritischer Faktor für das Nutzererlebnis. Mit mehr Möglichkeiten wie Netflix auf Abruf Fernsehserien, Filme und Veranstaltungen jederzeit und überall anzusehen - im Internet-TV, Telefon, Tablet, Spielekonsolen und Computer - übernimmt der Zuschauer die Kontrolle. Diese Kunden erwarten eine perfekte Leistung. Das bedeutet mit mehr Möglichkeiten und mehr Wettbewerb sinkt gleichzeitig die Kundenbindung.

Ohne jede Frage ist das schwächste Glied der Übertragungskette das interne Netzwerk des Kunden. Trotzdem erfordern gerade Entertainment-Angebote besonders stabile Verbindungen mit möglichst minimaler Latenzzeit. Schon die kleinsten Störungen sorgen unter Umständen dafür, dass die Übertragung eines Filmes stoppt, was die Kunden im Zweifel nicht der internen Verkabelung oder dem Funknetzwerk zuschreiben, sondern ihrem Anbieter. Er darf sich keine Blöße geben. Im Idealfall werden die Datenpakete in einer homogenen Architektur bearbeitet und verteilt.

Die Realität in den meisten Rechenzentren sieht aber anders aus. Verschiedene Generationen von Übertragungstechniken werden mit Software- und Hardwarebausteinen verschiedenster Hersteller verwaltet. Diese Überlagerungen zwischen Alt und Neu, unterschiedlicher Software und zwischen diversen Übertragungsmedien (etwa Ethernet in friedlicher Koexistenz zu optischen Medien) werden auf die Dauer nicht genügen, um den wachsenden Herausforderungen zu begegnen. Betreiber brauchen eine neue Strategie um in diesem Umfeld zu bestehen.

Reaktion auf das Unplanbare

Netzwerke müssen sich heute an die neue Art Fernzusehen anpassen. Eine überraschend erfolgreiche VoD-Sendung kann den Bedarf in die Höhe schnellen lassen. Die darunterliegende Infrastruktur muss robust und anpassungsfähig sein. Solche Spitzen abzusehen und zu bewältigen ist schwierig. Unterbrechungen, Ausfälle oder kleine Qualitätseinbußen während einer großen Sendung oder Sportveranstaltung kann ernsthafte Folgen, auch Image-Schaden, mit sich bringen.

Hier kommt die Stärke eines programmierbaren optischen Netzwerks zum Tragen. Es ermöglicht den Transport von Content egal welcher Form über beliebige Entfernungen und ist dabei dynamisch anpassbar an Anforderungen an Kapazität, Latenz und Sicherheit, sowie variierende Traffic-Typen und Distanzen.

Außerdem wird fortschrittliche Software echtes On-Demand ermöglichen, unterstützt von virtualisierten Netzwerkfunktionen (NFV) und Software Defined Networking (SDN). Sie wird automatisiert Ressourcen je nach dem Bedarf der Anwendung des Kunden allokieren und außerdem Speicherung, Bereitstellung und Verwaltung von Video-Inhalten verbessern.

Die eingesetzte Technik muss robust genug sein, um nicht unter einem plötzlich einsetzenden Ansturm zusammenbrechen oder mit spürbarer Verschlechterung der Performance zu reagieren. Da der Bedarf nach Bandbreite eher noch anwachsen wird (bessere Bildqualität bei VoD), ist natürlich auch die Ausbaufähigkeit und damit die Zukunftssicherheit (Stichwort 400G) ein wichtiger Punkt.

Bandbreite als Rohstoff für Geschäftsmodelle - Politik ist auch gefragt

Maxdome, Watchever, Amazon Prime oder Netflix - sie sind Beispiele für Unternehmen, die ähnliche Geschäftsmodelle nutzen und dabei auf den Rohstoff Bandbreite angewiesen sind. Gemeinsam ist ihnen aber noch ein weiterer Umstand. Ihr Markt ist derzeit (künstlich) begrenzt, denn längst nicht alle potentielle Kunden sind auch für sie erreichbar. Denn nur Haushalte, die mit einem breitbandigen Internetanschluss versorgt sind, können störungsfrei und in guter Qualität auch Streaming-Angebote verwenden. Konservative Zahlen nennen immerhin noch 30 Prozent der Haushalte, die ohne bzw. nur unzureichend schnelles Internet auskommen müssen. Hier wird auch der Staat gefordert sein, damit Unternehmen diese Lücken schließen. Dabei geht es nicht nur um Alternativen zum linearen TV, sondern auch um so wichtige Themen wie Bildung (Internet und Programmiersprachen im Unterricht) und Gesundheit (Telemedizin als Ergänzung bzw. Ersatz für die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen).

Der Markteintritt von Netflix - er kann als Initialzündung für Zugangsanbieter dienen, die eingesetzte Technologie auf deren Zukunftsfähigkeit zu überprüfen und das Angebot kritisch auf Skalierbarkeit, Elastizität und Verfügbarkeit zu hinterfragen. Der größere Hunger nach Bandbreite mahnt die deutsche Internetwirtschaft aber auch erneut daran, dass längst nicht alle Haushalte an modernen Diensten und Angeboten partizipieren können. (mb)