Datenübertragung via Satellit soll terrestrisches TK-Defizit abschwächen

Neben der Telekom springen in der DDR private Anbieter ein

17.08.1990

Der westlichen Industrie bereitet die mangelhafte Telekommunikations-Infrastruktur der DDR erhebliche Probleme. Neben der DBP Telekom versuchen deshalb auch private Carrier, für Unternehmen TK-Lücken zu schließen. Im ersten Beitrag seines zweiteiligen Artikels skizziert Dirk Nouvortne* den Status quo der Datenübertragung in der DDR und die Möglichkeit der Kommunikation via Satellit.

Das veraltete Fernmeldenetz in der DDR könnte zu einem großen Hindernis für investitionsbereite westliche Unternehmen werden. Prognosen gehen nämlich davon aus, daß ein funktionsfähiges, qualitativ und quantitativ ausreichendes Telekommunikations-Netz in der DDR nicht vor 1995 bis 1997 vorhanden sein wird. Auch wenn dieses Netz dann technisch höchsten Ansprüchen genügt, müssen Unternehmen, die in der DDR investieren wollen doch vom Status quo ausgehen.

Die Betrachtung richtet sich daher auf die gegenwärtig vorhandenen Alternativen, mit dem Engpaß zu leben.

Riskanter Faxbetrieb via Fernsprechnetz

Das Telefonnetz als Alternative zu bezeichnen bleibt unter den gegebenen Umständen problematisch. Es ist nicht nur überaltert, sondern darüber hinaus mit seiner Kapazität für die Belange einer modernen Volkswirtschaft völlig unzureichend.

Faxen über das Telefonnetz ist beispielsweise nur mit Risiken möglich und mit der Faxkommunikation westlichen Zuschnitts nicht vergleichbar. Bestenfalls gelingt eine Übertragung im Fax-Gruppe-2-Modus (2400 Kbit/s). Empfohlen wird, Fernkopien möglichst nachts zu senden, da tagsüber das Fernsprechnetz überlastet ist.

Im Zusammenhang mit der kommunikativen Anbindung der DDR an das westliche Ausland erlebt der Telexdienst eine Renaissance. Der nach herkömmlicher Auffassung veraltete Dienst, der zwar nach wie vor weltweit die größte Verbreitung aufweist, scheint kurzfristig die einzige nennenswerte Alternative zu sein. Dankbar für jede Möglichkeit, sieht man dabei über die Einschränkungen dieses Dienstes, nämlich die Übertragungsgeschwindigkeit (50 Baud) und den begrenzten Zeichenvorrat, hinweg. Für Anwendungen mit der Anforderung an "schnelle" Übertragungsgeschwindigkeiten ist dieser Dienst aber ungeeignet.

Voice-Rechner schaffen bei Überlastung Abhilfe

Natürlich gibt es über den Fernsprech- und Telexbetrieb hinaus eine Reihe weiterer Möglichkeiten. Zum Beispiel die Nutzung internationaler Mietleistungen, die auch Sprachkommunikation ermöglichen. Allerdings ist hier die Kapazität sehr begrenzt. Eine zusätzliche Variante wäre der Einsatz eines "Voice-Computers", mit dessen Hilfe sich die überlasteten Telefonleitungen zwischen den beiden deutschen Staaten umgehen lassen. Die Verbindung wird dann über ein Drittland aufgebaut.

Jedoch ist auch hier eine Einschränkung zu beachten: Ein Gespräch muß mit dem Auftrag eine bestimmte Telefonnummer in der DDR anzurufen, angemeldet werden. Der Voice-Computer wählt die Verbindung auf mehreren zur Verfügung stehenden Leitungen automatisch an. Sobald die Verbindung hergestellt ist, ruft der Rechner den westdeutschen Auftraggeber zurück und koppelt die Gespräche. So umständlich diese Lösung ist, so sehr entbindet sie westdeutsche Kommunikationspartner von der lästigen, oftmals vergeblichen Anwahlroutine.

Neues Overlay-Netz mit zunächst 95 000 Ports

Alle bisherigen Alternativen operieren im wesentlichen mit unzulänglichen Übertragungsgeschwindigkeiten, mangelnden Kapazitäten und geringen Zufallswahrscheinlichkeiten über den Zeitpunkt der Kommunikationsverbindung. Die DDR beabsichtigt zwar, schnellstmöglich ein sogenanntes Overlay-Netz zu installieren, um den dringendsten Bedarf an Telekommunikations-Anschlüssen zu decken. Vor Mitte 1991 ist jedoch mit dessen Inbetriebnahme nicht zu rechnen und mit 95 000 neuen Anschlüssen kann es sich zunächst nur um den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein handeln. Interessant ist deshalb, in diesem Zusammenhang das Angebot privater Netzbetreiber zu untersuchen, wobei auch die wirtschaftlichen Aspekte beleuchtet werden müssen. Der Vergleich bezieht sich ausschließlich auf Datenanschlüsse.

Rasche Deckung des Bedarfs erforderlich

Die starke Nachfrage westlicher Unternehmen, Niederlassungen in der DDR über Datenleitungen anzubinden, zwingt die DBP/Telekom zu einer raschen Deckung des Bedarfs. Sie kann dieser Aufgabe auf die Schnelle allein nicht entsprechen. Nur die Mithilfe privater Netzbetreiber wird zu einer zumindest teilweisen Deckung der Kundenbedürfnisse führen. Die zwei technischen Alternativen, die private Anbieter im Rahmen der Datenkommunikation zur Anbindung von Standorten in der DDR dem Anwender zur Verfügung stellen können, sind Satellitenkanäle und terrestrische Strecken (Festverbindungen). Sie beinhalten allerdings Restriktionen:

- Die Anbindung über Satelliten verursacht Laufzeitprobleme und

- terrestrische Strecken sind zur Zeit nicht direkt für jeden Netzbetreiber erhältlich.

In diesem Zusammenhang bietet es sich an, kurz auf die VSAT-Technik (VSAT: Very Small Aperature Terminal) ein zugehen, da die Satellitenkommunikation in Deutschland bisher kaum Einsatz findet. In den letzen Jahren wurde die Leistungsfähigkeit des Raumsegments in der Satellitenfunk-Technik laufend gesteigert. Da durch gelang es, am Boden Stationen mit geringerem Antennendurchmesser zu installieren. Satellitenschlüsseln können somit ohne größeren Aufwand aufgebaut werden. Der wirtschaftliche Faktor liegt in der Möglichkeit, für weitverzweigte Unternehmen mit Hilfe der Satellitenkommunikation Netze aufzubauen. In diesem Zusammenhang haben sogenannte VSAT-Systeme an Bedeutung gewonnen (VSAT = Very Small Aperature Terminal).

Neben einer Fülle von Endstationen ist im VSAT-System eine größere Zentralstation mit einem Durchmesser von acht Metern notwendig. Sie bildet das Zentrum für ein sternförmiges Satellitennetz und hat die Funktion, die Nachrichtenübertragung von und zu den vielen weitverstreuten VSATs (bis zu 300) abzuwickeln. Die Zentralstation kann unabhängig von den terrestrischen Netzen Informationen zu den VSATs verteilen und sammeln.

Anbindung via Satellit hat wesentlichen Vorteil

Zur Zeit ist es Unternehmen noch nicht erlaubt, durch private Netzbetreiber VSAT-Kopfstationen zu führen. Die Anbindung terrestrischer Netze an das VSAT-System erfolgt über die Kopfstation der DBP Telekom in Hameln, von wo aus dann unabhängig voneinander logische "Teilnetze" betrieben werden. Die Geschwindigkeit von der Kopfstation zur Orbitalstation (UP-Link) beträgt 9600 Kbit pro Sekunde. Mit der gleichen Geschwindigkeit werden die Down-Links zu den einzelnen Lokationen von Kundenniederlassungen in der DDR gefahren. Aus Gründen der Kapazität sollte eine UP-Link mit nicht mehr als maximal fünf Verbindungen mit 9,6 Kbit/s belastet werden, da die Geschwindigkeitseinbußen sonst zu gravierend sind.

Trotzdem hat die Anbindung via Satellit gegenüber der terrestrischen Verbindung einen wesentlichen Vorteil. Durch die Möglichkeit, Satellitenempfangs-Stationen auf dem Gebäude der Anwenderlokation zu installieren, entfällt die örtliche Anbindung terrestrischer Leitungen, die vom Netzknoten etwa des geplanten Overlay-Netzes zum Anwenderstandort notwendig wäre. Der Engpaß in der Telekommunikations-Infrastruktur der DDR wird sich auf Dauer weniger beim Aufbau einer modernen überregionalen Infrastruktur bemerkbar machen als vielmehr bei der Verkabelung der Straßenzüge.