Interview

"NCs werden vorerst nicht sehr viele PCs ersetzen"

31.10.1997

CW: Larry Ellison prognostizierte vor nicht allzu langer Zeit, daß im Jahr 2000 mehr Network Computer verkauft werden als PCs. Keiner der NC-Anbieter scheint aber für die Lieferung großer Stückzahlen bereit zu sein, auch die Software befindet sich großteils noch in Entwicklung. Wie wollen Sie denn dieses ehrgeizige Ziel erreichen?

Righetti: Es ist richtig, daß Hardware- und Software-Anbieter für NCs erst allmählich in die Gänge kommen. Wir werden allerdings gegen Jahresende in der Lage sein, den Markt mit einem entsprechenden Software-Angebot zu bedienen. Außerdem verfügen wir bereits über ein weitreichendes Partnerprogramm. Dieses soll ein ausreichendes Hardware-Angebot sicherstellen. Ich gebe aber zu, daß im Jahr 2000 sicher mehr PCs als NCs verkauft werden. Wir werden dennoch sehr viele NCs an die Kunden bringen.

Wir sehen hauptsächlich drei Märkte für kostengünstige Client-Rechner: die Unternehmens-DV, Bildungsinstitutionen und Endverbraucher. Im Consumer-Markt geht es vor allem um die Integration von TV und Web, die Rede ist daher eher von interaktivem Fernsehen als von NCs.

CW: Befürworter preisen NCs wegen ihrer offenen Architektur, die auf Internet-Techniken basiert. Droht Anwendern aber mit NCs nicht wieder eine Abhängigkeit von einzelnen Herstellern, wenn beispielsweise Ihre Management-Software eine Oracle-Datenbank voraussetzt und nicht kompatibel ist mit der von anderen NC-Anbietern?

Righetti: Nein, wir können schon heute eine offene Architektur anbieten. Natürlich schlagen wir unseren Kunden standardmäßig eine Oracle-Datenbank vor. Aber sie können auch die eines anderen Herstellers nutzen. Wir unterstützen als Server verschiedene Unix-Derivate ebenso wie Windows NT. Auch bei Web-Servern hat der Anwender die Wahl, es muß nicht das Produkt von Oracle sein.

Zur Zeit lassen sich mit unseren Server-Tools keine NCs anderer Anbieter verwalten. Wir arbeiten aber mit Sun, IBM und anderen zusammen, um dies zu ändern. Ziel ist es, daß jede Management-Software beliebige NCs verwalten kann, die dem Reference Profile entsprechen. Wir wollen im zweiten Quartal 1998 eine solche Version unserer Administrationswerkzeuge herausbringen.

CW: NCI soll sich vor allem darum kümmern, daß für den NC ein ausreichendes Software-Angebot existiert. Ein Problem scheinen Office-Anwendungen zu sein. Sie haben ein Lizenzabkommen mit Star Division geschlossen, obwohl Oracle doch mit "Hat Trick" selbst ein solches Büropaket entwickelt. Zeichnet sich da nach "Sedona" ein weiteres Softwaredebakel ab?

Righetti: Nein, das Produkt ist verfügbar und Teil unseres Bundles "Net in a box". Es eignet sich für kleinere Aufgaben, unter anderem läßt es sich für Set-top-Boxen nutzen. Star Office hingegen ist ein umfangreiches Anwendungspaket für weitergehende Ansprüche.

CW: Anfangs positionierte Larry Ellison NCs direkt gegen PCs. Mittlerweile ist viel die Rede von der Koexistenz beider Systeme. Kommt NCs nun doch nur die Rolle als Terminalersatz zu?

Righetti: Natürlich eignen sich NCs, um dumme Terminals abzulösen. Aber es gibt darüber hinaus eine Reihe von Anwendungen, für die sie sich anbieten. Dazu zählen Data-Warehousing, Produktionssysteme oder betriebswirtschaftliche Applikationen. In nächster Zukunft werden NCs aber nicht sehr viele PCs ersetzen. Allerdings glaube ich, daß der Markt für NCs viel schneller wachsen wird als jener für PCs.

CW: Die Wintel-Fraktion hat bereits auf die Herausforderung durch NCs reagiert. Zum einen sollen PCs durch Tools wie das Zero Administration Kit (ZAK) leichter verwaltbar werden, für weniger komplexe Arbeitsplätze sind Windows-Terminals vorgesehen. Glauben Sie nicht, daß Ihnen gerade in bezug auf die Unterhaltskosten der Wind aus den Segeln genommen wird?

Righetti: Bei den Wartungskosten für PCs lassen sich Verbesserungen erzielen, aber deswegen werden daraus nie wartungsfreie Clients wie unsere NCs. Das Fat-Client-Paradigma inklusive der Altlasten einer 15 Jahre alten Architektur spricht dagegen. Vor allem widerspricht die Kostenreduktion am Desktop dem Geschäftsmodell von Intel und Microsoft. Sie leben vom regelmäßigen Update alle zwei bis drei Jahre.Was Terminals unter Windows CE anlangt, glaube ich nicht, daß sie große Akzeptanz finden. Wenn Anwender zu dieser Architektur wechseln, dann sind sie mit NCs besser bedient. Diese beherrschen die Windows-Emulation genauso, eignen sich aber zusätzlich auch für Host-, X-Window- und Java-Anwendungen.