Die beiden Widersacher kämpfen mit allen Mitteln

NCR zieht vor Gericht - AT&T will Charles Exley ausbooten

21.12.1990

DAYTON/NEW YORK (CW) In vollem Gange ist der Übernahmekampf zwischen AT&T und NCR. Während der Computerkonzern aus Dayton gerichtliche Schritte gegen den New Yorker Telefonriesen eingeleitet hat, sucht AT&T nach Wegen, den NCR-Vorstand zu stürzen.

Kaum hatte das Board of Directors der NCR Corp. nach einer außerordentlichen Sitzung das Übernahmeangebot der New Yorker American Telephone & Telegraph Co. (AT&T) 90 Dollar pro Aktie - offiziell als "völlig unangemessen" abgelehnt, wurde der Computerhersteller gerichtlich aktiv. NCR reichte bei einem Distriktgericht in Dayton Klage gegen AT&T ein, in der den New Yorkern einem Bericht der "Financial Times" zufolge vorgeworfen wird, in der Tender-Offerte an die Aktionäre "falsche, manipulierende und irreführende" Angaben gemacht zu haben. Damit verstoße AT&T gegen das Wertpapiergesetz von 1934 sowie gegen die Regelungen der Börsenaufsicht Security Exchange Commission (SEC).

In der Klageschrift hob NCR weiter hervor, der Telefonkonzern habe darüber hinaus zu erwähnen versäumt, daß die Tender-Offerte von der Billigung einer freundlichen Transaktion mit AT&T durch den NCR-Verwaltungsrat abhänge. Auch hätten die New Yorker keinerlei Angaben über ihre Pannen in der Computerindustrie gemacht und nicht erwähnt, daß bisher noch jede Fusion von zwei Computerherstellern gescheitert sei.

Dem NCR-Management geht es mit der Klage nicht nur darum, AT&T gerichtlich untersagen zu lassen, weiterhin falsche Behauptungen in diesem Fall zu verbreiten.

Ziel ist auch eine gerichtliche Bestätigung der Gültigkeit des Aktienbezugsrechtsplans des Unternehmens und der Regelung im Rahmen des Maryland Business Statute. "Dieses besagt", erläutert Lutz Leinert, Pressesprecher der Augsburger NCR GmbH, "wer zehn Prozent des Aktienkapitals eines Unternehmens hält, kann mit diesem fünf Jahre lang nicht fusionieren, es sei denn, das Board of Directors des umworbenen Unternehmens hat einer Fusion zugestimmt, bevor der potentielle Aufkäufer die zehn Prozent des Aktienkapitals erwarb." Laut Leinert haben auch die New Yorker bereits diese Regelung gerichtlich prüfen lassen. "Die Normenklage von AT&T wurde allerdings zurückgewiesen."

Die Führungsspitze des amerikanischen Telefonkonzerns zeigte sich von NCRs offiziellem Veto hinsichtlich ihrer Übernahmeofferte, vor allem aber von den gerichtlichen Maßnahmen enttäuscht. Man, werde dennoch, so verlautete aus dem Unternehmen, an den Fusionsplänen festhalten. Immerhin konnten die New Yorker bereits eine Reihe von Banken zur Finanzierung des NCR-Deals gewinnen. So soll beispielsweise die Chemical Bank dem Telefonriesen 600 Millionen Dollar für die Transaktion zugesagt haben.

Darüber hinaus, schreibt das, "Wall Street Journal", will AT&T nun versuchen, die Wiederwahl von vier der 13 NCR-Direktoren - inklusive Chairman Charles Exley - auf der Jahreshauptversammlung von NCR am 17. April 1991 zu verhindern. Deshalb bemühen sich die New Yorker um eine außerordentliche Aktionärsversammlung, in der versucht werden soll, das komplette NCR-Management zu verdrängen. Um diese Versammlung einberufen zu können, benötigt AT&T 25 Prozent der NCR-Aktien. Für den Sturz des Boards indes müssen die New Yorker bereits 80 Prozent der Aktien besitzen. Last, but not least verlängerte AT&T die Tender-Offerte - bislang war der 4. Januar 1991 Stichtag - bis zum 15. Januar 24 Uhr.

In amerikanischen Analystenkreisen machen sich mittlerweile Zweifel über den Wert des Deals breit. Je länger der Übernahmekampf dauere, so die vorherrschende Meinung, desto mehr Schaden würden beide Gesellschaften nehmen. Bob Vautrain, Analyst in Diensten von Gartner Group/Infocorp, Santa Clara: "Die Konkurrenten beider Unternehmen werden diese Situation für sich auszunutzen wissen, indem sie bei den Kunden Angst, Unsicherheit und Zweifel schüren." Gehe die Fusion indes schnell über die Bühne, so die Ansicht von IDC-Analyst David Card, würde das kombinierte Unternehmen eine stärkere Position im Wettbewerb mit der IBM, HP und DEC einnehmen.