Navis im Warentest

Navigationssysteme: Besser, bunter, dreidimensionaler

14.12.2007
Von Handelsblatt 
Detailgetreu, lebensnah und in täuschend echten Farben: Die nächste Generation von Navigationsgeräten lockt mit 3-D Karten und dynamischer Streckenplanung; der Unterschied zur Realität schmilzt. Doch auch ohne die Technik der Zukunft sind Navis dieser Tage der Renner an den Ladentheken. Stiftung Warentest hat zahlreiche Navis unter die Lupe genommen.

MÜNCHEN. Am linken Rand des Bildschirms strahlt das satte Grün der Bäume des Berliner Boulevards "Unter den Linden". Auf der rechten Seite sind die Fassaden von Botschaften und Bürogebäuden zu erkennen und geradeaus taucht in all seiner Pracht das Brandenburger Tor auf. Detailgetreu, dreidimensional und in lebensechten Farben: So stellen sich die Entwickler die elektronischen Straßenkarten der Zukunft vor. Wenn die Experten Recht behalten, dann werden sich die Bilder auf den Navigationsgeräten schon bald kaum mehr von der Wirklichkeit unterscheiden.

Noch ist die Autofahrt in 3-D zum Brandenburger Tor nur eine Demonstration auf den Rechnern des Kartenherstellers Navteq. Doch der Trend ist eindeutig: "Wir bemühen uns, die Welt realer darzustellen", sagt Ralf Düngen, Director Business Development des amerikanischen Unternehmens. Der Manager ergänzt: "Die Karten sollen in Zukunft schöner aussehen und den Kunden mehr bieten als reine Navigation." Neben dreidimensionalen Ansichten hat Navteq deshalb auch Landschaftsbilder und Luftaufnahmen für die Navis im Programm.

Mit solchen Angeboten sollen die Navis künftig noch attraktiver werden. Allerdings gehen die kleinen, tragbaren Geräte auch mit den derzeit erhältlichen und vergleichsweise einfachen Karten weg wie warme Semmeln. Denn die handlichen Apparate treffen den Geschmack der Kunden, die ihre Elektronik gerne überall hin mitnehmen. "Alles was mobil ist, ist im Weihnachtsgeschäft gefragt", sagt ein Sprecher des Branchenverbands GfU. Neben Navis sind dies vor allem Notebooks, MP3-Player und Mobiltelefone.

Dieses Jahr werden denn auch deutlich mehr Navis über den Ladentisch gehen als noch 2006. Zum Vergleich: Voriges Jahr haben die Händler in Deutschland zwei Millionen tragbare Navis verkauft. 2007, so schätzt die GfU, werden es bereits 3,6 Millionen sein. Einer der Gründe für den enormen Erfolg sind die gesunkenen Preise. Die günstigsten Geräte gibt es bereits für 150 Euro. Die Billig-Geräte haben meist aber einen Nachteil: Sie enthalten nur für wenige Länder Karten. Denn die Daten sind teuer, weil sie aufwendig gesammelt und stets aktuell gehalten werden müssen. Zwischen 15 und 20 Prozent der Daten auf den Karten ändern sich nach Schätzung von Navteq jedes Jahr.

Dazu kommt, dass die Innovationen viel Geld kosten. Um 3-D-Bilder zu bekommen, fahren Spezialisten die Straßen ab und schauen sich jedes Haus genau an. Weil der Speicherplatz fehlt, um sämtliche Gebäude im Original in die Karten zu übernehmen, benutzen sie einen Trick. Jede Fassade wird einem bestimmten Typ Fassade aus einem Katalog zugeordnet. Darüber hinaus sucht der Experte die passende Farbe aus. So entstehen Bilder von Straßen, die nicht ganz genau wie in der Wirklichkeit aussehen, von der Größe und dem Aussehen der Objekte her der Realität aber schon sehr nahe kommen.

Die Stiftung Warentest hat jüngst eine ganze Reihe von tragbaren Navis unter die Lupe genommen. Das Resultat: "Die meisten Geräte führen den Autofahrer sicher und zuverlässig zum gewünschten Ziel." Nach Ansicht der Prüfer lohnt es sich aber durchaus, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Denn Testsieger wurde das teuerste Gerät, das "Tomtom Go 720 T" für 535 Euro. Der Grund für den Erfolg: "Beste Handhabung, umfangreiche Ausstattung."

Allerdings sind auch die neueren Navigationsgeräte nicht perfekt. Im Gegenteil, sie haben noch viele Schwächen. Fußgängern helfen sie zum Beispiel nur bedingt weiter. "In den Karten fehlen noch viele Fußwege", sagt Hans-Jörg Lindner vom niederländischen Kartenanbieter Tele Atlas. Doch das soll sich bald ändern, denn die Datensammler erfassen inzwischen auch Grünflächen und Fußgängerzonen. Sogar Freizeitparks, große Hotelanlagen und Golfplätze werden zunehmend aufgenommen. "Fußgänger sind eine interessante Zielgruppe", betont Lindner.

Und noch einen Nachteil haben die Navis: Sie berechnen ihre Routen heute noch oft, ohne die Verkehrssituation zu berücksichtigen. Viele Geräte werden zwar schon mit den im Radio verfügbaren Staumeldungen gefüttert. Doch ob es sich lohnt, die Autobahn zu verlassen und Bundesstraßen zu nehmen, das wissen die Geräte heute noch nicht.

Doch auch dafür soll es bald eine Lösung geben. So hat Navteq eine US-Firma gekauft, die Straßen-Statistiken führt. Das Unternehmen weiß beispielsweise, wie voll die Straßen in der Regel zu bestimmten Uhrzeiten und an bestimmten Tagen sind. Diese Angaben sollen die Minirechner bald für ihre Routenberechung nutzen. Tomtom und seine Partner gehen noch einen Schritt weiter. Eine Software erfasst, wie sich Mobiltelefone bewegen. Das soll helfen, schnell und zuverlässig zu erkennen, wo die Straßen verstopft sind. Diese Informationen werden dann an die Fahrzeuge übermittelt. Die Autofahrer können nun alternative Strecken wählen. Zudem wird berechnet, wie sich die Fahrzeit verändert.