Natürliche Software

14.02.1975

Dr. Klaus Börning, geschäftsführender Gesellschafter im IDSForschungs-lnstitut, Bad Gandersheim/Harz

Centauri und Struktogramme (zum Beispiel Struktor) leiten zweifelsfrei eine neue Software-Ära ein: Die funktionale Strukturierung - im wesentlichen die streng hierarchische Programm-Gliederung - führt zu einer Programm-Architektur, die erstmals diese großen Vorteile konzentriert besitzt:

- Transparenz

- Änderungsfreundlichkeit

- Konformität der Programm-Architektur

- Personalunabhängigkeit.

Diese vier Vorteile sind erheblich und schlagen sich auch in beachtlichen Zeit- und Aufwands-Ersparnissen nieder. Sie berühren jedoch nur eine Berufsgruppe, den Anwendungs-Programmierer.

Die Fachabteilung profitiert noch nicht

Das ist nicht genug. Die oben aufgeführten vier Vorteile müssen weitestgehend auf den Benutzer direkt, das heißt, auf die EDV-anwendenden Fachabteilungen ausgedehnt werden. Mit Sicherheit sind dann die Zeit- und Aufwands-Einsparungen noch größer.

Dieses ist zu erreichen durch "Natürliche Software" (5. Vorteil: Dokumentations-Automatik). Nachstehend die konkrete Definition "Natürlicher Software":

- Die Programmsteuerung erfolgt mit wenigen Angaben - zum Beispiel Festlegung der Programmstufen, Dateien / Tabellen-Eingabe und / oder -Ausgabe.

- Dieselben Begriffe sollten im Rahmen der Datei-Definitionen auch mit denselben Feldnamen belegt werden, wobei diese wiederum möglichst ausgeschrieben, das heißt laienverständlich sein sollen.

- Die visuellen Ausgaben (Druck- und / oder Bildschirm-Output) sind normal zu formulieren über Formular-Entwurfs-Blätter, die direkt Input für das "Werkzeug für Programmierung ohne Programmierer" (POP-Generator) sein sollten.

- Sachverhalte sind grundsätzlich miteinander bedingt

beziehungsweise arithmetisch verknüpfte Daten und müssen in natürlicher Sprache (IBM: "laymen's [Laien-]language") formuliert werden.

Höhere Programmiersprachen überflüssig?

Eine wesentlich verbesserte Programm-Struktur allein bringt noch nicht die zu fordernde Anwender-Transparenz und damit die maximale Effizienz. Bei völlig abstrahierender Betrachtung muß die Frage gestellt werden: Wenn Generatoren - zum Beispiel "Programmierung ohne Programmierer" eingesetzt werden, sind Funktion und Existenz der sogenannten höheren (problemnahen?) Programmiersprachen in Zweifel gestellt. Was nützen deren Compiler noch, wenn diese lediglich Mittler-Funktionen besitzen, das heißt, die Umsetzung der vom "Precompiler" Generator ausgegebenen Zielsprache (zum Beispiel Cobol, PL 1, Fortran) in den Assembler bewirken und außerdem das Programm nur langsamer und voluminöser werden lassen?

Die Forderung muß lauten: In Abhängigkeit von der Hardware und vom Betriebssystem ist der Generator zu bauen, der die natürliche Sprache unmittelbar in Assembler umsetzt (als direkt vor der Maschinensprache gelegene, aber noch "verstehbare" und anwendbare Programmiersprache). Mit der Realisierung dieser Forderung ergeben sich auch für das Mittelunternehmen erstmals Möglichkeiten, über die "natürliche Software" individuelle Problemlösungen relativ schnell, änderungsleicht und mit vertretbarem Aufwand zu erzielen. Daraus folgt sehr deutlich, daß nicht nur die heutigen Compiler beziehungsweise Interpreter - Generator-Funktionen absorbierend - im Input eine grundlegende Veränderung in Richtung natürliche Sprache erfahren müssen, sondern daß auch die Betriebssysteme und Assembler entsprechend zu aktualisieren beziehungsweise sogar neu zu konzeptionieren sind.

Laien-transparente Datenverarbeitung

Natürliche Software", in diesem Sinne eröffnet erstmals auch eine weitestgehend natürliche, da laientransparente Datenverarbeitung. Wenn die natürliche (Laien-)Sprache von entsprechender Basis-Software (Generator Compiler + Assembler + Betriebssystem) automatisch umgesetzt wird in ein total lauffähiges Programm, verlieren Aktualisierungen, Änderungen und Reorganisationen - insbesondere für Mittelunternehmen - ihren Schrecken. Plötzlich kann der EDV-Laie aus der Fachabteilung seine Wünsche ohne Dolmetscher punktgenau formulieren beziehungsweise Formulierungs- oder Sachfehler erkennen, denn die gesamte Problemlösung ist stets automatisch aktuell und laienverständlich dokumentiert.

Sollte der eigene Computer kernspeichermäßig zu knapp sein (bei Mittel- und Kleinunternehmen), erfolgt die Anwendungs-Software-Produktion in einer vom Hersteller verfügbar gemachten "Software-Fabrik". Größere Anwender werden die Werkzeuge für "Natürliche Software" auf der eigenen Anlage implementiert haben.

Hier eröffnen sich auch für die Vermarktung diesem "Natürlichen EDV" schlagartig neue Vertriebswege durch sinnvolle Einschaltung regionaler Büro-Organisationsmittel-Händler als wertvolle Kontaktträger.

"Natürliche Software" kann nur erreicht werden durch die echte Symbiose aus moderner strktueller Generatortechnik, natürlicher Sprache, Assembler und Betriebssystem. Nur gibt es derzeit noch zu wenig erstklassige Know-how-Träger auf diesem komplexen Gebiet.