Nachwuckssorgen

09.11.1979

Die deutsche DV-Industrie, so klagt Professor Dr. Peter Lockemann vom Institut für Informatik an der Universität Karlsruhe, lebe von der Hand in den Mund und sei deshalb gegenüber technischen Durchbrüchen von Mitbewerbern sehr empfindlich. Der Karlsruhe Informatiker führt dies auf den Mangel an ausgebildetem DV-Personal zurück. Lockemanns Behauptung, als Vorwurf an die Computer-Hersteller adressiert, werden auch die Anwender nicht widersprechen wollen, sofern sie sich die Jacke anziehen - was ihnen freilich gut anstünde. Denn auch auf Anwenderseite sind "freie" Spezialisten zunehmend schwerer zu finden.

Daß gleichzeitig insbesondere die kleineren und mittleren Computersysteme immer bedienungsfreundlicher werden, was einen verringerten DV-Personalbedarf zur

arbeitungsfachleute und Projektmanager, wie sie etwa bei der lmplementierung komplexen Anwendungen im Bereich der Datenkommunikation und des Datenbank-Managements benötigt werden, fehlen an allen Ecken und Enden.

Angesichts dieser angespannten Bedarfslage Wird die Lösung des Nachwuchsproblems in der DV-Branche immer dringlicher. Die zentrale Frage ist: Werden herstellereigene Schulungszentren, Universitäten- und Fachhochschulen in der Lage sein, genügend Systemanalytiker, Programmierer und Operatoren auszubilden?

Dazu ein paar Zahlen: 1978 wurde an 15 deutschen Universitäten und an elf Fachhochschulen ein Informatik-Hauptstudium angeboten, mit einem Studienplatzangebot an den Universitäten von 1540 pro Jahrgang und an den Fachhochschulen von geschätzt 700 pro Jahrgang. Daß mit rund 2200 Informatik-Hochschulabsolventen pro Jahr die Bedarfslücke auch nicht annähernd geschlossen werden kann, liegt auf der Hand.

Das Defizit wird mit der Zeit eher noch größer, weil die Lerninhafte unglaublich schnell veralten.

Da können nur unverbesserliche Optimisten meinen, der Markt werde das schon richten. Immer mehr Jugendliche, so der Tenor, würden sich, angelockt von den ausgezeichneten Verdienstmöglichkeiten in der Datenverarbeitung, für eine Computer-Karriere entscheiden.

Es bringt in der derzeitigen Situation auch nicht weiter, auf steigende lnformatikabsolventen-Zahlen zu hoffen. Die Anwender müssen zur Selbsthilfe greifen. Das kann doch nur heißen: Es gilt, das vorhandene DV-Personal effizienter einzusetzen.

Effizienter zu arbeiten - als DV-Leiter, Systemanalytiker oder Programmierer - das geht nicht ohne permanente Weiterbildung. Da haben wir den eigentlichen Schwachpunkt. Auf diesem Gebiet wird bei den Anwendern einfach zu wenig getan - und das ist eindeutig ein Managementproblem.