Nachwuchs für deutschen IT-Standort

08.02.2007
Von 
Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.
Viele IT-Unternehmen engagieren sich in Sachen Bildung und fördern Initiativen in Kindergärten, Schulen und Universitäten. Neben philantropischen Motiven und der Rekrutierung von Mitarbeitern geht es dabei auch um das eigene Image.

Intel, Microsoft, SAP oder Siemens - die Liste der IT-Unternehmen, die Geld und Ideen in Bildungsinitiativen investieren, ist lang. In letzter Zeit verstärken viele Firmen dieses Engagement. „Wir sehen die Bildungsinitiativen der IT-Firmen positiv. Sie haben Know-how, Geld und das Potenzial, um IT-Inhalte an Schulen und Universitäten zu verbreiten“, betont Stefan Pfisterer, Referent für Bildung und Personal beim Branchenverband Bitkom. Doch eine Frage stellt sich: Warum engagieren sich die Unternehmen in diesem Bereich?

Hier lesen Sie

Vorspann...
  • warum sich IT-Unternehmen bildungspolitisch engagieren;

  • was sich die Firmen von diesem Engagement versprechen;

  • mit welchen beispielhaften Projekten einige Konzerne aktiv sind.

Anfänge im Kindergarten

Man kann nicht früh genug anfangen: Einige IT-Firmen wie Microsoft engagieren sich bereits im Kindergarten - hier mit dem Projekt 'Schlaumäuse'.
Man kann nicht früh genug anfangen: Einige IT-Firmen wie Microsoft engagieren sich bereits im Kindergarten - hier mit dem Projekt 'Schlaumäuse'.

Microsoft und Siemens beispielsweise beginnen schon bei den ganz Kleinen im Kindergarten. In Zusammenarbeit mit dem Cornelsen Verlag und der Computer-Lernwerkstatt der TU Berlin hat Microsoft im Jahr 2003 das Schlaumäuse-Projekt ins Leben gerufen. Kinder sollen mit Hilfe von Software die deutsche Sprache erlernen und dabei erste Erfahrungen mit dem PC sammeln. Mittlerweile arbeiten rund 1000 Kindergärten in Deutschland damit, vor allem in sozialen Brennpunkten mit hohem Migrantenanteil.

„Wir bringen unsere Kompetenz ein, da der Softwareeinsatz bei der frühkindlichen Spracherziehung einen wichtigen Beitrag leisten kann“, erklärt Svantje Rosenboom, Leiterin Forschung und Lehre bei Microsoft Deutschland. Gerade für Migrantenkinder sei Spracherwerb die Voraussetzung für Teilhabe an Bildung. „Die Schaffung von gerechten Zugangsmöglichkeiten zu qualifizierter Bildung ist eine Voraussetzung für die Zukunft des Standorts Deutschland im globalen Wettbewerb“, so Rosenboom weiter.

Siemens beginnt mit der Förderung der Kinder ebenfalls bereits im Vorschulalter. „Uns geht es darum, den Kindern einen spielerischen Zugang zu Phänomenen und Zusammenhängen aus Naturwissenschaft und Technik zu ermöglichen“, betont Maria Schumm-Tschauder, die bei Siemens für die Förderung von Kindern in Vorschule und Schule zuständig ist. Der Elektrokonzern spendet so genannte Forscherkisten an Kindergärten, mit deren Hilfe die Kleinen mit 45 Versuchen die Geheimnisse von Wasser, Luft, Farben, Licht und Strom ergründen können. Workshops, Fortbildungen, Lehr- und Arbeitsmaterial für die Erzieherinnen sowie die Internet-Plattform www.hausderkleinenforscher.de ergänzen das Angebot.

Schüler für Technik begeistern

In der Schule setzt Siemens sein Engagement fort, um laut Maria Tschumm-Schauder „Schülerinnen und Schüler für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern, sie für technische Berufe zu motivieren und ihnen wichtige Schlüsselqualifikationen zu vermitteln“. Vielversprechende Talente und potenzielle Mitarbeiter identifiziert und fördert der Münchner Konzern beispielsweise durch Schulwettbewerbe, Vorträge und Experimentalunterricht durch eigene Mitarbeiter an Schulen oder Schulpartnerschaften. Hinzu kommen Mediensammlungen für Lehrer, damit sie ihren Unterricht zeitgemäß gestalten können.

Lehrer sind die primäre Zielgruppe von Intel. In der Initiative Intel Teach (in Deutschland heißt sie „Intel - Lehren für die Zukunft“) unterstützt der Chiphersteller Lehrer mit technischer und didaktischer Anleitung beim Einsatz von Computern und neuen Medien im Unterricht. Microsoft steuert die Software bei. Die Kurse sind als Fortbildungsmaßnahme offiziell von den Kultusministerien anerkannt und finden etwa in Bayern an der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen statt.

In Dillingen werden so genannte Master Teacher ausgebildet, die ihr Wissen an die Kollegen ihrer Schule weitergeben. Sie erhalten nach Abschluss ein Intel-Zertifikat und dürfen das Office-Paket von Microsoft behalten. „Bislang haben wir in Deutschland bereits 400.000 Lehrer aller Schularten über die Master Teacher trainiert, von insgesamt 600.000. Als angenehmer Nebeneffekt ergibt sich ein positives Intel-Image bei Lehrern“, freut sich Hannes Schwaderer, Geschäftsführer und Managing Director Central Europe bei Intel.

Der Chiphersteller gibt jährlich rund 100 Millionen Dollar weltweit für Bildung aus. „Für ein US-Unternehmen ist gesellschaftliches Engagement beispielsweise in der Bildung Usus. In Deutschland besteht hier noch Nachholbedarf“, konstatiert Schwaderer, der selbst im Vorstand der D21-Initiative sitzt, die die Informationsgesellschaft im Deutschland des 21. Jahrhunderts auf den Weg bringen will. „Ingenieure und IT-Spezialisten werden knapp. Daher müssen sich Unternehmen bei der Nachwuchsförderung engagieren und junge Leute schon an Schulen für technische und naturwissenschaftliche Berufe begeistern.“

Recruiting an den Universitäten

Intel ist zudem an Universitäten aktiv und finanziert an der als Eliteuniversität ausgezeichneten TU München die Server-Infrastruktur der Labors am Informatiklehrstuhl, um Ausbildung und Forschung zu unterstützen. An der TU Braunschweig sponsert Intel eine Professur für Halbleitertechnik. Derzeit schreiben rund 50 deutsche Studenten wissenschaftliche Arbeiten bei Intel. Dahinter steckt auch die Hoffnung, qualifizierte Mitarbeiter für das Unternehmen zu finden.

Said Zahedani, Microsoft: 'Wir wollen Talente fördern, die aus einer Idee eine Lösung machen.'
Said Zahedani, Microsoft: 'Wir wollen Talente fördern, die aus einer Idee eine Lösung machen.'
Foto: Said Zahedani

Dem gleichen Ziel dient die Initiative „SAP meets University“ der Walldorfer Softwareschmiede SAP. Das Unternehmen arbeitet darin mit diversen Lehrstühlen zusammen und vergibt Diplomarbeiten und Praktikumsplätze. „Wir fördern die Studenten schon während des Studiums und erleichtern ihnen damit den Berufseinstieg bei SAP“, erklärt Heino Schrader, Leiter University Alliances Emea bei SAP. Dem Recruiting dienen auch die SAP Info Days an den Universitäten, die Studenten organisieren, die bei SAP als Praktikanten oder Werkstudenten tätig sind oder eine Diplomarbeit schreiben.

Produkte für den Lehrbetrieb

Einen anderen Schwerpunkt setzt SAP beim University Alliances Programm, dem 205 Bildungsinstitutionen angeschlossen sind, vor allem Universitäten und Fachhochschulen, jedoch auch Berufsschulen und Berufsakademien. Hier stellt das Unternehmen kostenlos SAP-Systeme für den Einsatz in der Lehre bereit. „Die Studenten lernen über die SAP-Software betriebswirtschaftliche Prozesse kennen. Die Nachfrage kommt hier von den Hochschulen und den Studenten selbst, da sie eine praxisnahe Ausbildung wollen“, so Schrader.

Für ihn ergibt sich daraus ein sich selbst tragender Prozess: Die Studenten fragen nach Praxiserfahrung mit Software im Studium, dadurch haben sie bessere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. SAP selbst profitiert in einem positiven Nebeneffekt durch gute Mitarbeiter und die Chance, dass diese Studenten später als Chefs auf SAP setzen, wenn sie von der Lösung überzeugt sind. „Zudem helfen wir dem Staat dabei, die Qualität von Lehre und Forschung im Bereich betriebswirtschaftlicher Prozesse zu verbessern“, betont Schrader. SAP bildet die Dozenten aus und stellt ihnen auch lehrerspezifisches Material zur Verfügung, das sie in ihrem Seminar anwenden können. Am Fallbeispiel einer Motorradkonstruktion können die Studenten dann den üblichen Ablauf etwa bei Produktionsplanung oder Materialbeschaffung durchexerzieren.

Praxisnähe erwünscht

Auch Microsoft sorgt sich um die Qualität der Nachwuchskräfte. „Die Industrie braucht qualifizierte Leute mit praxisnaher Ausbildung, um das Wachstum der Wirtschaft und damit den IT-Standort Deutschland zu sichern“, betont Zaid Zahedani, Director Developer Platform and Strategy Group. Daher engagiere sich sein Arbeitgeber für Bildung. Die Universitätsaktivitäten bündelt das Unternehmen im Microsoft Academic Program. Neben vergünstigten Softwareangeboten für Studenten und Dozenten oder der Vergabe von Diplomarbeiten und Praktikumsplätzen fördert man Studenten über das Programm Microsoft Student Partner (MSP).

Die Microsoft Student Partner (MSP) können sich in einem praxisnahen Nebenjob auf den späteren Berufseinstieg vorbereiten. Derzeit sind in Deutschland rund 120 Studenten in dieses Programm eingebunden. Sie erhalten technische Trainings zu Microsoft-Produkten, Business-Fortbildungen (Rhetorik, Präsentationen) und Hilfe durch Produkt-Manager. Ihre Aufgabe ist es, das erworbene Wissen in Programmier-Workshops, Vorträgen oder Newsgroups an ihre Kommilitonen zu vermitteln, beispielsweise zu Windows Vista. Der erfolgreichste MSP bekommt den Titel „Microsoft Student of the Year“ und einen Preis. Viele MSPs heuern nach ihrem Studium bei Microsoft oder bei Partnerunternehmen wie Accenture oder Avanade an.

Wettbewerbe sind ein beliebtes Mittel, um Studenten zu Höchstleistungen zu motivieren. Beim Microsoft Imagine Cup sollen Studenten aus der ganzen Welt ihre Kreativität und Fähigkeiten unter Beweis stellen und zeigen, was mit Microsoft-Techniken alles zu erreichen ist. Kategorien sind etwa Softwaredesign oder Visual Gaming. „Wir wollen hoffnungsvolle Talente fördern, die aus einer Idee eine Lösung machen, diese sogar geschäftlich nutzen und damit den Standort Deutschland stärken“, erläutert Zahedani. Das Motto des Imagine Cups für 2007 lautet: „Stell dir eine Welt vor, in der Technologie eine bessere Bildung für alle ermöglicht.“ (hk)

*Jürgen Mauerer ist freier Journalist in München.

Corporate Citizenship

Vorspann...

Corporate Citizenship ist der neudeutsche Begriff für das systematisch betriebene bürgerschaftliche und soziale Engagement von Unternehmen. Firmen engagieren sich als „gute Bürger“ für das Gemeinwohl in den Bereichen Soziales, Kultur, Sport oder Bildung und übernehmen so eine zusätzliche gesellschaftliche Verantwortung. Dabei integrieren sie das gesellschaftliche Engagement in ihre Unternehmensstrategie und machen es zu einem festen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur. Beide Seiten - sowohl die Wirtschaft als auch das Gemeinwesen - gewinnen bei dieser Art des unternehmerischen Einsatzes.

Ein Engagement im Bildungssektor öffnet Unternehmen jenseits bewährter Instrumente einen neuen Zugang zu Nachwuchskräften und Auszubildenden. Zugleich fördern sie zukünftige potenzielle Kunden oder Entscheider. Nicht zu unterschätzen ist der positive Effekt für das Firmenimage, da sie mit dem gesellschaftlichen Engagement Bekanntheitsgrad und Reputation steigern und dadurch neue Kunden gewinnen können. Entscheidend ist aber, dass es sich bei den Initiativen nicht um punktuelle Einsätze ohne nachhaltige Wirkung handelt, sondern um längerfristige, systematisch geplante Aktionen.