"Richtlinien begünstigen technische Entwicklung"

Nachfolger von TCO 95 erhöht die Anforderungen

03.04.1998

"Von der Struktur her haben wir alles beim alten gelassen", erläuterte Kjell Fransson, Manager der Entwicklungseinheit von TCO auf der CeBIT. Die TCO-99-Norm soll es wie schon die TCO 95, sowohl für Monitore (Kathodenstrahl-, also CRT- und Flachbildschirme) als auch für Rechner, Tastaturen und Notebooks geben.

Das Regelwerk ist unterteilt in die einzelnen gerätespezifischen Kriterien. Dazu gibt es allgemeine Umweltanforderungen an Produktion und Geräte in einem "Ökologie"-Katalog.

Im Detail haben die Schweden natürlich nicht alles beim alten gelassen, sondern bei den Anforderungen angezogen. Das bedeutet etwa für CRT-Monitore:

-Das Bildschirmflickern wird nun bei 85 Hertz (Vorher 75 Hertz) und höheren Auflösungen gemessen.

-Die Anforderungen an den Helligkeitskontrast und die Gleichförmigkeit der Ausleuchtung steigen. Außerdem stellt TCO 99 Kriterien für die Einhaltung vorgegebener Farbtemperaturen und deren Gleichmäßigkeit über die gesamte Bildschirmfläche auf.

-Die Bildschirmabstrahlung wird bei Positivdarstellung ermittelt.

Zumindest eine Monitoreinstellung soll mit Frequenz und Auflösewerten analog zum Flickern gemessen werden (85 Hertz, hohe Auflösung). Der Effekt: Die Grenzwerte für die elektromagnetischen Wechselfelder sind bei den CRT-Monitoren zwar gleich geblieben, aber "die Vorschriften haben sich in diesem Bereich etwa um zehn Prozent verschärft," erklärt Fransson.

Auch die Energiesparvorgaben sind strikter. Die TCO lehnt sich dabei dem Modell "Schweiz 2000" und nicht mehr am Energy-Star der amerikanischen EPA an. Der Suspend-Modus, vorher bei 30 Watt, liegt bei 15 Watt, der Schlafmodus nur noch bei fünf statt früher acht Watt. Die Geräte sollen binnen drei Sekunden wieder betriebsbereit sein.

Bei der Überarbeitung der Kriterien sind auch Anregungen der Hersteller eingeflossen, und TCO betont: "Die Anforderungen sind so geschrieben, daß sie erreichbar sind und positive technische Entwicklungen begünstigen. "Zwischen 60 und 70 Prozent der heute mit TCO 95 ausgezeichneten Motitore würden laut Fransson die TCO-99-Kriterien nicht schaffen. Doch die Monitorbranche scheint willens, auch TCO 99 zu erfüllen. Zu populär ist das Umweltlabel in den letzten zwei Jahren im Geschäft geworden. Erste Reaktionen führender Hersteller wie Sony, Acer, Philips oder NEC auf der CeBIT lauten gleichmaßen dahingehend, die Anforderungen von TCO 99 erfüllen zu wollen.

Dabei war bei manchem der Gesprächspartner offensichtlich, daß er die Kriterien gar nicht kannte. Der Anfang der Umstellung auf TCO 99 soll im High-end-Bereich gemacht werden.

Aber die schwedische Gewerkschaft hat auch bei den allgemeinen, für alle Geräte geltenden Umweltanforderungen Neuerungen vorgenommen. Eher als Versuchsballon einzustufen ist die Vorgabe, daß die Hersteller in irgend einem Land der Welt einen Kontrakt mit einem Elektronikschrott-Recycler nachweisen müssen. In Deutschland zum Beispiel verfügen nahezu alle großen Hersteller über solche Verträge. Bloß, was nutzt der, wenn in Brasilien alte Monitore anfallen?

Eher bescheiden im Vergleich zu den strengeren Vorgaben des "Blauen Engels" sind auch die Kriterien für eine recyclinggerechte Konstruktion. Sie beziehen sich nur auf größere Teile. Die konzerninternen Richtlinien großer IT-Unternehmen wie IBM, SNI, NEC, Acer oder Hewlett-Packard widmen sich dem Thema wesentlich ausführlicher. Hier bleiben die Schweden deutlich hinter dem Machbaren zurück.

Brisant könnte das letzte Kriterium im Ökologie-Katalog von TCO 99 sein. Die Hersteller dürfen danach nicht weniger als zwei Prozent recyceltes Monitorglas in den neuen Produkten einsetzen. Damit treffen die Schweden mitten in die laufende Diskussion der Glashersteller. Denn wer alte Monitorgläser wieder verwenden will, muß genau wissen, womit er es zu tun hat. Paßt das Glas nicht in die Spezifikation des neuen, ist ein direktes Recycling für den gleichen Zweck nicht möglich. Ein Grund, warum Bildschirmglas bislang bei Entsorgung in der Verhüttung oder im Straßenunterbau endet.

Angesichts der Massen an alten Fernsehern und Monitoren haben sich aber schon seit vergangenem Jahr die führenden europäischen Glashersteller - Schott, Philips, Thompson-Brandt - zusammengesetzt, um durch eine Vereinheitlichung der Glasrezepturen langfristig ein direktes Bildschirmglasrecycling zu ermöglichen. Auch asiatische Hersteller sollen sich mittlerweile angeschlossen haben.

Daß TCO auch bei diesem Kriterium zumindest prinzipiell auf Machbares setzt, beweisen zwei Beispiele. Zum einem Philips, das in seinem Bildröhrenwerk bei Aachen bereits ein Recycling von Bildröhren betreibt. Zum anderen NEC: Der japanische Elektronikkonzern setzt heute schon in Japan Bildschirmröhrenglas aus landesinternen Firmenrückläufen wieder in der Monitorproduktion ein.

Der NEC-Umweltbeauftragte Andreas Schwarz wollte dagegen nicht beschwören, ob altes Röhrenglas auch im High-end-Bereich in CRTs landet. Hier sind die Anforderungen an die Reinheit und die Grenzen der Materialkennwerte am striktesten. Mithin ist genau dort das direkte Bildschirmglasrecycling am schwierigsten, wo das TCO-99-Label erwartungsgemäß zuerst angewendet wird.

Die neuen und geänderten Kriterien von TCO 99 für Flachbildschirme, vor allem für Rechner und Tastaturen, sind dagegen Luftschlösser von TCO, solange niemand bereit ist, diese Anforderungen zu erfüllen, wie es ja bei TCO 95 der Fall ist.

Die TFT-Bildschirmhersteller haben sich schwergetan, gewisse Einzelheiten zu ändern, so die Ausleuchtung der Bildschirme, die konventionell mit Quecksilberdampftechnik erfolgt. Doch Quecksilber ist ein hochgiftiges Schwermetall, das die schwedischen Gesundheitschützer nicht im Produkt haben wollen. Seit Jahresbeginn werden jetzt mehr und mehr TCO-95-LCDs ausgezeichnet.

Nur einige Rechnermodelle der Optiplex-Reihe von Dell erfüllen TCO 95. Alle anderen Hersteller setzen in diesem Bereich auf den "Blauen Engel".

Noch können die Hersteller und auch andere Interessierte TCO 99 beeinflussen. Bis auf die gerätespezifischen Kriterien für die CRT-Monitore sind die Teilkataloge zu Flachbildschirmen, Tastaturen, Rechner und Ökologie "open for comments" bis zum 1. Mai, zum Thema Ökologie sogar bis 15. Mai.

Am 1. Oktober 1999 ist, so Kjell Franssen, Schluß mit TCO 95. Wer das Label dann noch hat, kann es weiter einsetzen, aber Neuanträge werden nicht mehr angenommen. Frühestens ab November 1999 soll es dann die ersten TCO-99-Monitore auf dem Markt geben. Anmeldungen für das neue Label: ab 1. Oktober 1998.

Stephan Eder ist freier Journalist aus Bonn.