Kritik an fehlender Offenheit von Windows 2000

Nach den US-Justizbehörden ermittelt jetzt auch die Europäische Kommission

18.02.2000
MÜNCHEN (CW) - Die Europäische Kommission prüft, ob Microsoft mit dem NT-Nachfolger gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstößt. Offenbar ist vor allem der Verzeichnisdienst Active Directory Stein des Anstoßes.

EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti begründet die Ermittlungen ein wenig gestelzt: "Uns liegen Informationen von Endanwendern, Internet-Service-Providern und Konkurrenten vor, wonach Microsoft Windows 2000 in einer Art und Weise entwickelt hat, die es dem Unternehmen gestattet, seine Vormachtstellung im Bereich der PC-Betriebssysteme auf andere Märkte wie Server und letztlich den gesamten elektronischen Handel auszuweiten."

Es handele sich um eine "Vorprüfung", die sich vor allem der Frage widme, ob Microsoft sein Betriebssystem in unzulässiger Weise so mit anderen Anwendungen verquickt hat, dass nur die eigenen Produkte optimal aufeinander abgestimmt sind und Teile des Softwaremarktes ausgegrenzt werden. "Uns ist klar, dass, wer immer die Kontrolle über Server-Betriebssysteme gewinnt, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den E-Commerce kontrollieren kann", konstatiert Monti.

Die EU hat Microsoft einen umfassenden Fragenkatalog ausgehändigt, zu dem die Softwareschmiede binnen vier Wochen Stellung nehmen muss. Sollte sich herausstellen, dass Microsoft mit Windows 2000 gegen geltendes EU-Recht verstößt, muss der Konzern das Betriebssystem entweder verändern oder tägliche Geldbußen in Kauf nehmen.

Erst in Kombination bringen die Produkte VorteileÜber den Inhalt der Fragen wurde wenig bekannt. Es gehe in erster Linie um "Schnittstellen, die verschiedene Rechnertypen voneinander abhängig machen". Offenbar missbilligt die EU Microsofts plattformübergreifenden Ansatz: Produkte wie der Verzeichnisdienst "Active Directory" oder der Replikationsmechanismus "Intellimirror" sind an das Betriebssystem gebunden. Sie lassen sich nur dann optimal nutzen, wenn Windows 2000 sowohl auf dem Server als auch auf den Clients installiert ist. Wettbewerber wie Novell demonstrieren aber, dass es sehr wohl möglich ist, einen Verzeichnisdienst zu entwickeln, der für alle marktgängigen Plattformen nutzbar ist.

Der Softwarekonzern bezeichnete den Vorgang als eine "Routineuntersuchung", wie man sie schon mehrfach erlebt habe. Microsoft werde den Ermittlern keine Steine in den Weg legen. Als Urheber für das Ungemach hat die Gates-Company den Wettbewerber Sun Microsystems ausgemacht, der mit Beschwerden dieser Art versuche, aufkommende Konkurrenz im florierenden Server-Geschäft in die Schranken zu weisen. Sun hetze die Behörden auf Microsoft, um davon abzulenken, "dass unsere Server-Technologie den Anwendern ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bietet", polemisiert Microsofts Justiziar Brad Smith.

EU-Kommissar Monti erklärte, die Untersuchung unterscheide sich vom derzeit laufenden US-Prozess gegen Microsoft. Dort steht unter anderem die Frage im Vordergrund, ob die Softwareschmiede das Betriebssystem Windows 95/98 unzulässig mit dem Browser "Internet Explorer" koppelt. Die EU fürchtet offenbar, dass sich Microsoft mit ähnlichen Bundling-Praktiken eine ebenso dominierende Position in den Unternehmen sichern könnte. Die Tatsache, dass sich die Untersuchungen der Europäer gegen einen US-Konzern richten, kümmert Monti wenig: "Entscheidend ist, wo der Schaden verursacht wird."