Kolumne

Nach dem Kauf ist vor dem Kauf

19.09.2006

Haben Sie es schon einmal geschafft, Ware ohne Kassenbon umzutauschen? Wenn ja, dann spüren Sie seitdem sicher auch unverbrüchliche Treue zu dem Geschäft, in dem man Ihnen so viel Vertrauen entgegengebracht hat. Auf der anderen Seite können unfreundliche Mitarbeiter am Telefon, an der Kasse oder beim Werkschutz (hier gibt es offenbar besonders viele unfreundliche Menschen) alles Mühen um mehr Kundenfreundlichkeit auf einen Schlag zunichte machen. Ebenfalls wenig gebunden fühlt sich der Kunde in der Regel, wenn der Lieferant nach Bezahlung eines Produkts oder Service auf Anfragen oder Beschwerden nur noch träge oder gar nicht reagiert. Das sind Binsenweisheiten?

Wenn diese Dinge aber zum kleinen Einmaleins des Customer-Relationship-Managements gehören, dann fragt man sich, warum sie so selten angewendet werden. Die IT-Industrie lässt in puncto Beratung und Support nach dem Verkauf ihrer Leistungen viele Wünsche offen. In einer Online-Befragung von Experton Group und computerwoche (siehe Seite 1 und 14) bezeichneten von über 220 Befragten 23 Prozent Support und Erreichbarkeit beziehungsweise Beratung nach dem Kauf als ihr größtes Problem mit IT-Lieferanten. Das sind knapp ein Viertel unzufriedene Kunden!

In Anbetracht der Tatsache, dass auch in der IT-Industrie Neukunden zu einer immer selteneren Größe werden, ist unverständlich, warum sich Anbieter nicht auch nach dem Verkauf angemessen um ihre Klientel kümmern.

Vielleicht deshalb nicht, weil vor allem Software- und Serviceanbieter immer noch die Abhängigkeit ihrer Kunden als stärkstes Verkaufsargument betrachten. Offenbar fehlt ihnen die Phantasie, um sich vorzustellen, was passiert, wenn ihre Konkurrenten den Spruch von Fussball-Philosoph Sepp Herberger, "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel", ummünzen in "Nach dem Kauf ist vor dem Kauf". Da in der gesamten Industrie die Zeichen weiterhin auf Konsolidierung stehen, braucht es allerdings nicht viel Vorstellungskraft, um zu spekulieren, was passiert, wenn einige Anbieter beginnen, zufriedene Kunden als Priorität zu betrachten. Allerdings müssen dazu auch die Kunden umdenken. Lassen Sie sich das einfach nicht mehr gefallen. Zu einem Herrenausstatter, der Ihnen den teuren Anzug nicht kostenfrei ändert, gehen Sie schließlich auch nicht mehr.

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