Mysap treibt SAPs Lizenzgeschäfte

25.10.2005
Der Softwarehersteller lockt seine Kunden, schnell Mysap-Verträge abzuschließen. Nachdem 2005 noch 65 Prozent des bestehenden Vertrags angerechnet werden, sind es 2006 nur noch 55 Prozent.
Seit rund zwei Jahren rechnet SAP beim Umstieg auf Mysap alte R/3-Lizenzbestände an. Den Softwareeinnahmen tut das gut.
Seit rund zwei Jahren rechnet SAP beim Umstieg auf Mysap alte R/3-Lizenzbestände an. Den Softwareeinnahmen tut das gut.

SAP macht seit geraumer Zeit das meiste Geschäft mit der installierten Basis", kommentiert Karin Henkel, Analystin von Strategy Partners aus dem schweizerischen Scuol. "Da immer noch nicht alle Kunden auf Mysap-Verträge umgestellt haben, spielt hierbei die Anrechnung alter R/3-Lizenzen eine große Rolle." Die deutschen Softwerker gewähren ihren Kunden Rabatte beim Abschluss eines Lizenzvertrags über die aktuelle Software aus der Mysap-Linie. Im vergangenen Jahr wurden 75 Prozent eines bereits bestehenden SAP-Vertrags angerechnet, 2005 sind es noch 65 Prozent. Im kommenden Jahr sollen die Kunden noch 55 Prozent des alten Lizenzvolumens vergütet bekommen, verlautete aus dem SAP-Umfeld.

Bilanzsplitter

Wegen des anhaltend guten Lizenzgeschäfts hat SAP seine Erwartungen für das Gesamtjahr nach oben geschraubt. Statt einem Plus von zehn bis zwölf Prozent erwarten die Walldorfer für 2005 nun einen Zuwachs der Softwareein- nahmen zwischen zwölf und 14 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr. Um das zu erreichen, macht SAP Druck. Für Vertrieb und Marketing gab das Softwarehaus im dritten Quartal 2005 rund 431 Millionen Euro aus, 22 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung wuchsen dagegen um 17 Prozent auf 278 Millionen Euro. Nachdem im zweiten Quartal das Geschäft mit CRM-Lösungen noch leicht rückläufig gewesen war, legten die Umsätze mit Kunden-Management-Lösungen in Q3/05 wieder deutlich zu, im Vergleich zum Vorjahresquartal um 41 Prozent auf 147 Millionen Euro. Am stärksten expandierte das Netweaver-Segment (plus 258 Prozent). Allerdings macht dieser Bereich mit aktuell 43 Millionen Euro nur sieben Prozent vom gesamten Softwareumsatz aus. Nach eigenen Erhebungen hat SAP seinen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb weiter ausgebaut. Im internen Ranking mit Oracle, Siebel und Microsoft gelangen die Walldorfer zu einem Anteil von 60 Prozent. Oracle landet abgeschlagen mit 20 Prozent auf Platz zwei.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*78844: SAP arbeitet an neuem Preismodell;

*78669: SAP-Bilanz für das zweite Quartal 2005;

*75895: Allianzen für die Enterprise Services Architecture.

Mysap verstaubt im Schrank

Im Zuge dieser Upgrades erhält der Kunde Henkel zufolge einen neuen Lizenzvertrag, der in vielen Teilen anders strukturiert sei. Allerdings setzten die wenigsten Anwender die neue SAP-Software in vollem Umfang produktiv ein: "Bei den meisten Kunden stehen die Mysap-Programme nur im Schrank."

Der SAP-Bilanz schadet dies allerdings nicht. Im abgelaufenen dritten Quartal des Geschäftsjahres 2005 verbuchten die Walldorfer Lizenzeinnahmen in Höhe von 590 Millionen Euro, das sind 20 Prozent mehr als die 491 Millionen Euro im vergleichbaren Vorjahresquartal. Die Wartungserlöse legten um elf Prozent auf 802 Millionen Euro zu. Insgesamt meldete der Branchenprimus in Sachen Business-Software in Q3/05 ein Umsatzplus von 13 Prozent auf 2,01 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb dem badischen Softwarehaus ein Gewinn von 334 Millionen Euro nach 291 Millionen Euro im Vergleichszeitraum 2004.

"Wir haben im dritten Quartal 2005 ein Rekordergebnis bei den Softwarelizenzen verbucht", frohlockte SAP-Chef Henning Kagermann angesichts der jüngsten Zahlen. Man habe vor allem Fortschritte bei der Auslieferung von Softwarelösungen im Rahmen der Enterprise Services Architecture (ESA) erzielt. SAP sei das erste Unternehmen, das eine stabile, Service-orientierte Produktsuite anbieten könne. Zudem werde das Unternehmen weiter in organisches Wachstum und ergänzende kleinere Akquisitionen investieren, kündigte der Vorstandssprecher an.

Während sich der Blick Kagermanns weit in die Zukunft richtet, kämpfen die Anwender darum, nicht den Anschluss zu verlieren. Eine Untersuchung des Beratungshauses Raad Consult im Frühjahr dieses Jahres hatte ergeben, dass zwar 85 Prozent aller SAP-Kunden in Deutschland mit den Releases "R/3 4.6c" oder "R/3 Enterprise" vergleichsweise aktuelle Versionen einsetzten. Für Mysap-Komponenten sehe dies jedoch anders aus. Obwohl 40 Prozent der R/3-Kunden Mysap-Programme lizenziert hätten, arbeiteten nur 20 Prozent der Anwender tatsächlich mit der neuen Anwendungsgeneration. Offenbar fällt es vielen Kunden schwer, das Tempo der SAP mitzugehen.

Deutschland-Geschäft wächst

Der weltweite Markt für Business-Software wachse kaum noch, warnte SAP-Vorstand Kagermann vor überzogenen Erwartungen. Die guten Quartalszahlen seien in erster Linie damit zu erklären, dass sich SAP besser behaupten könne als die Konkurrenten und Marktanteile auf Kosten der Wettbewerber gewinne. Wachstumstreiber war einmal mehr das US-Geschäft. Rund 199 Millionen Euro nahm SAP mit Lizenzen in den Vereinigten Staaten ein, 34 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Dagegen legte der Markt in Europa nur um vergleichsweise geringe sechs Prozent auf insgesamt 263 Millionen Euro zu. Positiv stach hier das Deutschland-Geschäft heraus. Nachdem hierzulande der Lizenzumsatz im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2005 noch leicht rückläufig gewesen war, legten die Softwareverkäufe in den Monaten Juli bis September wieder zu - um zwölf Prozent auf 113 Millionen Euro.

Anrechnungen verhandeln

Die Nachfrage in Deutschland habe sich im Lauf des Jahres generell verbessert, bestätigte Nils Niehörster, Geschäftsführer von Raad Consult. SAP liege mit seinen Lizenzzuwächsen leicht über dem Plus des Gesamtmarkts. Daher könne man nicht allein die Anrechnung der Altverträge für das gute Quartalsergebnis verantwortlich machen, urteilt der Berater.

Die Höhe der Anrechnungen sollten die Kunden nicht als in Stein gemeißelt betrachten, rät der Analyst. "Das war schon immer eine Pi-mal-Daumen-Größe." Gerade Anwender mit größeren Installationen hätten einen gewissen Verhandlungsspielraum. Aber auch kleinere Kunden sollten sich nicht scheuen, über die Anrechnungsquote zu verhandeln. Vielleicht nicht im anstehenden starken vierten Quartal, aber in den darauf folgenden, traditionell schwächeren Berichtszeiträumen der SAP könne es sich lohnen, den SAP-Vertrieb etwas unter Druck zu setzen. (ba)