Start ups

Mutige Investoren für IKT-Ideen gesucht

10.07.2015
Von 
Wolfram Groß ist seit 1990 Mitarbeiter der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH in Berlin und seit 1997 Projektleiter des Gründerwettbewerbs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen IKT sowie Gründungs- und Innovationsberatung. Seitdem wurde er zunehmend mit der Beratung und Begleitung von technologieorientierten Gründerteams beauftragt und leitet nun auch den 2016 aufgelegten "Gründerwettbewerb-Digitale Innovation."
Wenn IKT-Start-ups zwei Wünsche frei hätten, dann wären das attraktivere Finanzierungsmöglichkeiten und eine bessere Vernetzung mit etablierten Unternehmen.

Fast 60 Prozent der Jungunternehmen in den Informations- und Kommunikationstechnologien, der IKT-Branche, wünschen sich eine bessere Vernetzung mit erfolgreichen Unternehmen, um Zugang zu bestehenden Märkten zu erhalten. Immerhin 44 Prozent glauben zudem, dass ihnen solche strategische Partnerschaften den Eintritt in internationale Märkte deutlich erleichtern würden. Das ist ein zentrales Ergebnis des "Trendbarometer junge IKT-Wirtschaft 2014", das die VDI/VDE Innovation + Technik GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) jährlich herausgibt. Speziell bei der Akquisition von Aufträgen und Kunden - für Start-ups häufig die größte Herausforderung - erhoffen sich die Jungunternehmerinnen und -unternehmer von erfahrenen Partnern Unterstützung.

Start-ups suchen starke Partner für den gemeinsame Erfolg.
Start-ups suchen starke Partner für den gemeinsame Erfolg.
Foto: Mopic - shutterstock.com

Während Venture Capital im Zuge der Internationalisierungsbestrebungen eines Start-ups für einen wichtigen Schub sorgen kann, klagen die Jungunternehmer bei der Befragung über das Fehlen attraktiver Finanzierungsmöglichkeiten am deutschen Markt schon während der Gründungs- und Wachstumsphase. Das Problem: Investoren setzen ihrer Meinung nach auf Geschäftsmodelle, die sie auf den ersten Blick als gleichzeitig risikoarm und lukrativ beurteilen - oftmals auf Copycats, also Nachahmungen eines Business-Konzepts, das sich in einem anderen Markt bereits als erfolgreich erwiesen hat. Solche Geschäftsmodelle werden gefördert und finanziert; echte Innovationen bleiben dabei auf der Strecke.

Wirklich neue Ansätze schaffen es deshalb in vielen Fällen nicht bis zur Marktreife. Wenn doch, fehlen den Start-ups meist die finanziellen Mittel, um ihr Produkt auch über Deutschland hinaus wirklich erfolgreich am Markt zu platzieren und damit als Unternehmen stabil zu wachsen. Diese Zurückhaltung der in Deutschland aktiven Investoren gründet auf fehlender Risikobereitschaft und ist häufig nicht nachvollziehbar. Sie schadet nicht nur den Entwicklern, sondern gereicht der gesamten deutschen Wirtschaft zum Nachteil: Wachstumspotenziale bleiben ungenutzt.

Finanzierung zwischen Wunsch und Realität

Die Informations- und Kommunikationstechnologien, Internet und das Internet der Dinge (IoT) stehen gegenwärtig ganz oben auf der innovationspolitischen Agenda Deutschlands. Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft - gerade IKT schafft die Voraussetzungen für die digitale Vernetzung und ist in der Lage, viele der damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. So formuliert die Bundesregierung in der Digitalen Agenda und der Hightech-Strategie zukunftsorientiert neue Stoßrichtungen und Maßnahmen der Innovationspolitik für ein digital wettbewerbsfähiges Deutschland. Dazu zählt auch die Förderung spannender, erfolgversprechender Gründungskonzepte etwa beim "Gründerwettbewerb - IKT Innovativ". Die Bewerberzahlen für den Wettbewerb, das zeigt das Trendbarometer, waren im vergangenen Jahr auf einem Allzeithoch. Ein Grund: Neben einem attraktiven Startkapital können die Preisträger hier auch von Experten-Coachings und der Vernetzung mit etablierten Unternehmen aus der Wirtschaft profitieren.

Klassische Finanzierungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle stehen für Start-ups nach wie vor ganz oben auf der Wunschliste.
Klassische Finanzierungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle stehen für Start-ups nach wie vor ganz oben auf der Wunschliste.
Foto: My Life Graphic - shutterstock.com

Was im Trendbarometer ebenfalls deutlich wird, ist der Wunsch der Jungunternehmer nach intensiverer Förderung durch die öffentliche Hand. 19 Prozent der befragten Start-ups werden bereits durch Länderfonds gefördert, für 48 Prozent ist das eine Wunschfinanzierung. Ähnlich sind die Verhältnisse bei der KfW-Gründungsfinanzierung (17 Prozent zu 37 Prozent) und beim High-Tech Gründerfonds (10 Prozent zu 32 Prozent). Nach der Finanzierung über Eigenkapital steht bei den Junggründern allerdings die Unterstützung durch Business Angels ganz oben auf der Wunschliste; knapp die Hälfte aller Gründer würde gerne so ihr Kapital akquirieren - und darüber in den Netzwerken Fuß fassen und Partnerschaften begründen. Mit Unterstützung durch das Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. wurde vom BMWi eine wichtige Maßnahme initiiert. Das Programm "INVEST - Zuschuss für Wagniskapital" soll Anreize für zusätzliche und größere Investments von Business Angels schaffen.

Skepsis gegenüber der Crowd und Markt 2.0

Crowdfinanzierung steht die Mehrheit der IKT-Start-ups bisher hingegen mehrheitlich skeptisch gegenüber. Und das, obwohl Erfolgsbeispiele wie Protonet in aller Munde sind: Die Preisträger beim "Gründerwettbewerb - IKT Innovativ" konnten eine Crowdfinanzierung in Millionenhöhe akquirieren. Bei der Crowd- oder Schwarmfinanzierung investiert eine Vielzahl von (Privat-)Personen in eine Geschäftsidee und sichert sich damit Vorkaufsrechte oder agiert als stiller Teilhaber. Den Ergebnissen des Trendbarometer zufolge ziehen aber nur 16 Prozent der Befragten diese Art der Finanzierung ernsthaft in Erwägung. Und das, obwohl sich nach einer BITKOM-Erhebung rund 5 Prozent der Bundesbürger vorstellen können, in junge Unternehmen aus dem Internet- und IT-Umfeld zu investieren. Das macht 3,5 Millionen potenzielle Privatinvestoren für IKT-Start-ups.

Auch ein neues Börsensegment für IKT-Start-ups, der vielfach und kontrovers diskutierte "Markt 2.0", ist für die Befragten des Trendbarometer noch keine Alternative. Auf dieser Plattform sollen speziell Technologie-Start-ups Anteile an ihren Unternehmen handelbar machen können. Das Potenzial einer solchen Börse zu beurteilen, trauen sich aber fast 40 Prozent der Start-ups noch nicht zu. Zwar hat sich der Beirat "Junge Digitale Wirtschaft" (BJDW) in seinem Bericht vom September 2014 für die Einrichtung eines solchen Börsensegments ausgesprochen. Allerdings ist dieses nur so viel wert wie die Unternehmen, die dort notiert sind. Und solange der IKT-Nachwuchs skeptisch ist oder seine Finanzierungsmöglichkeiten in anderen Bereichen sucht, ist eine solche Einrichtung nicht erfolgversprechend.

Wachstumspotenziale gemeinsam ausschöpfen

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Deutschlands IKT-Gründer innovative Ideen und schlüssige Geschäftskonzepte haben. Ihre eigenen Geschäftsaussichten beurteilen sie - so das Trendbarometer - zu über 80 Prozent als positiv. Allerdings beschränken sich die Erfolge und Umsätze zu oft allein auf den deutschen Markt. Die latente Unzufriedenheit mit den verfügbaren Finanzierungs- und Vernetzungsmöglichkeiten, die einem Bruchteil der interessierten Start-ups vorbehalten bleiben, zeigt: Mit etwas Mut seitens potenzieller Investoren, der richtigen Förderung und leistungsfähigen Netzwerken könnten die Jungunternehmer besser, langfristiger und erfolgreicher planen.

Von einem gesunden Wachstum der Start-ups, das oftmals auch mit der Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen einhergeht, würden auch die (privaten oder öffentlichen) Investoren profitieren. Es gilt, die Potenziale der deutschen IKT-Branche zu realisieren. Etablierte Unternehmen können dabei nicht nur als Geld-, sondern vor allem auch als Ratgeber sowie als Partner bei Forschung und Entwicklung oder im Vertrieb fungieren. Hierin besteht die Chance, echten Mehrwert zu generieren: Etablierte Unternehmen mit einem breiten Produktspektrum, einer stabilen und internationalen Kundenbasis, zudem breit und gut vernetzt, kooperieren mit jungen, innovativen und vor allem auch flexiblen Unternehmen, die sich durch neue, kreative Lösungen auszeichnen.
Daraus ergeben sich Kooperationen zum beiderseitigen Nutzen, Produkte mit neuen und innovativen Funktionen und daraus eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit beider Parteien. Die jungen Unternehmen profitieren zusätzlich von der Erfahrung und den Netzwerken der etablierten Partnerunternehmen. (bw)