Existenzgründungen am Standort Deutschland

MuM: Erfolgreich in der CAD-Nische und beim Börsengang

10.10.1997

Mit den in der IT-Szene gängigen Success-Storys US-amerikanischer Garagenfirmem hat er nichts gemein: Adi Drotleff zog es zwar nach seinem Informatikstudium und ersten beruflichen Gehversuchen als Systemingenieur im Computergrafik-Bereich schnell in die Selbständigkeit, doch von den Ambitionen, mit eigenentwickelter CAD-Software über seine zusammen mit drei Kollegen gegründete Firma TCAE am Markt zu reüssieren, nahm er schon bald Abstand. "Als ich auf der Hannover Messe 1983 die erste Autocad-Version von Autodesk sah, wurde mir klar, daß wir mit unserem ähnlichen Produkt, das wir gerade entwickelten, keine Chance haben würden."

Drotleff sicherte sich einen Autocad-Vermarktungsvertrag für Deutschland, stieg bei TCAE aus und sattelte auf das Distributionsgeschäft um. 1984 gründete er in München die Mensch und Maschine (MuM) anwendergerechte Elektronik- und Computersysteme GmbH, um die Autodesk-Lösung samt zusätzlicher Hardware zu vertreiben. Umsatz im ersten vollen Geschäftsjahr: 2,2 Millionen Mark.

13 Jahre später steht Mensch und Maschine vor dem Sprung über die 100-Millionen-Mark-Umsatzgrenze. Das Unternehmen ist mittlerweile in Weßling bei München beheimatet, unterhält in Deutschland fünf Niederlassungen und ist über die Landesgrenzen hinaus mit vier Tochtergesellschaften aktiv. Am 21. Juli 1997 realisierte MuM, seit 1996 Aktiengesellschaft, den Gang an die Börse. Hauptgeschäft ist nach wie vor die Distribution von Autocad, das über ein dichtes Händlernetz an den Kunden gebracht wird - bezogen auf die Stückzahlen hält MuM hier mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent die Spitzenposition vor Computer 2000.

Autodesk will keine dominanten Distributoren

Allerdings hat sich das Unternehmen im Laufe der Jahre durch die Entwicklung und den Vertrieb von auf Autodesk-Tools basierenden CAD-Branchenlösungen zunehmend zu einem Value-Added-Distributor entwickelt. "Dieser Schritt erfolgte eher zufällig", sagt Drotleff, der nach seinen Erfahrungen mit seiner ersten Firma eigentlich keine Software-Entwicklung mehr hatte betreiben wollen. "Die Kunden fragten immer häufiger nach Branchenlösungen. So haben wir zunächst Einzellösungen entwickelt, Applikationen angepaßt und sind wenig später zum Schreiben von Standardsoftware übergegangen."

Bereut hat der gebürtige Allgäuer diese Entscheidung nicht. Längst ist dieses Geschäft neben dem Autocad-Vertrieb zum zweiten Standbein geworden und trägt inklusive der Serviceleistungen derzeit knapp 50 Prozent zum Rohertrag bei. Die Branchen, die man mit CAD-Lösungen bedient, sind breit gefächert, um den immer wieder auftretenden Konjunkturschwankungen in den einzelnen Industriesparten vorzubeugen. So reicht das Angebot von Applikationen für den Maschinenbau und die Architektur über die Elektrotechnik bis hin zu Scannersoftware und Dokumentenverwaltung - Bereiche, in denen der MuM-Chef zumindest mittelfristig ein gutes Wachstumspotential sieht. Deshalb soll sich ein Teil der Erlöse aus dem Börsengang, die sich auf rund zehn Millionen Mark summierten, zur Übernahme von Technologie-Know-how - sprich: kleinen Entwicklungsfirmen - verwendet werden, die auf diese Gebiete spezialisiert sind.

Daß Drotleff damit auch die Abhängigkeit von Autodesk, seines Zeichens weltweit größter CAD-Software-Produzent, reduziert hat, paßt dem MuM-Gründer ebenfalls gut ins Konzept. Denn trotz der für die schnellebige IT-Branche bereits ungewöhnlich langen und offensichtlich auch erfolgreichen Partnerschaft hatte MuM nie die alleinigen Distributionsrechte für Autocad. Was teilweise Probleme mit sich brachte, wie Drotleff in der Rückschau feststellt: "Autodesk will in keiner Region zu dominante Distributoren haben. Daher änderte sich in schöner Regelmäßigkeit die Zahl unserer Wettbewerber. Anfangs waren es sieben, dann waren es zwei, danach wieder vier, und derzeit konkurrieren wir nur noch mit Computer 2000."

Besonders prekär wurde es für MuM Anfang der 90er Jahre. "Wir hatten uns beim Wachstum etwas übernommen und mußten 14 Mitarbeiter entlassen, um die Kosten wieder in den Griff zu bekommen. In dieser Phase verdoppelte Autodesk die Zahl unserer Wettbewerber auf vier. Das hätte uns seinerzeit das Genick brechen können", erinnert sich der MuM-Chef. Erstmals - und bislang einmalig - verzeichnete das Unternehmen 1992 einen Umsatzrückgang.

Auch in den darauffolgenden Jahren galt es, so manche Hürde zu nehmen. 1994 und 1995 dehnte MuM innerhalb weniger Monate die Aktivitäten auf vier verschiedene Länder aus. Dem Einstieg in den österreichischen Markt folgte bereits kurze Zeit später die Gründung von Dependancen in der Schweiz, Frankreich und den USA. Konsequenz: Man mußte sich mit weitaus höheren Anlaufverlusten als erwartet auseinandersetzen.

Mit der Internationalisierung fiel zudem die Autocad-Umstellung von DOS auf Windows 95 zusammen, mit der Autodesk ähnlich wie viele andere Softwarehersteller große Probleme hatte. Die Version 13 kam nicht nur verspätet auf den Markt, sondern blieb trotz zahlreicher Nachbesserungen hinter der Performance des letzten DOS-Release 12 zurück, so daß viele Kunden den Umstieg hinauszögerten und zum Teil in Erwartung der besseren Version 14 gar nicht erst vollzogen. Damit nicht genug: Aufgrund des immer stärker werdenden Margendrucks zog sich das Unternehmen 1994 auch aus dem Hardwarevertrieb zurück, der zeitweise über zehn Millionen Mark pro Jahr in die Kasse gebracht hatte.

Dies hinterließ in der MuM-Bilanz deutliche Spuren. Beim Umsatz legte man 1994 in Deutschland nur um sechs Prozent zu, gleichzeitig rutschte man mit einem Minus von insgesamt rund einer Million Mark in die Verlustzone ab. 1995 wies MuM noch einmal den gleichen Fehlbetrag aus, schaffte allerdings im vergangenen Geschäftsjahr wieder den Sprung in die Gewinnzone. 1997 steht ein Profit von drei Millionen Mark im Business-Plan, 1998 wollen die Weßlinger vier bis fünf Millionen Mark verdienen. Um durchschnittlich 20 Prozent soll der Umsatz in den nächsten Jahren klettern (siehe auch "High- flyer MuM-Aktie").

So scheinen denn auch nach einer schwierigen Zwischenperiode die Weichen für einen anhaltenden Erfolg von MuM gestellt zu sein. Als Value-Added-Distributor fühlt sich Drotleff in seiner CAD-Nische ausgesprochen wohl und hegt keinerlei Ambitionen, zu einem Massendistributor ê la Computer 2000 zu werden. Nicht ohne Sorge betrachtet der MuM-Chef allerdings den Standort Deutschland: "Hierzulande steht der Bedenkenträger weit höher im Kurs als derjenige, der Risiken eingehen möchte."

HIGHFLYER MUM-AKTIE

"Kurs-Jo-Jo am Neuen Markt", "Heute bebt die Börse", "Zocker am Neuen Markt" und ähnlich lauteten im Sommer die Schlagzeilen, als sich das neue High-Tech-Segment der Frankfurter Wertpapierbörse anschickte, dem hierzulande bis dato größten Börsenereignis, der Neuemission der "T-Aktie", in puncto öffentlicher Aufmerksamkeit Konkurrenz zu machen. Die Kurse am Neuen Markt explodierten - zumindest zeitweise, und die MuM-Aktie war daran nicht ganz unbeteiligt. Gleich am ersten Tag mußte die Zeichnungsfrist wegen massiver Nachfrage geschlossen werden. Trotzdem war die Emission 178fach überzeichnet: Für die knapp 460000 Aktien des Börsenneulings gingen fast 82 Millionen Zeichnungswünsche von über 115000 Interessenten ein. Gleich am ersten Handelstag, dem 21. Juli 1997, notierte das MuM-Papier zur Kasse mit 60 Mark (33 Prozent Kursgewinn), eine Woche später bereits bei mehr als 100 Mark und in der Spitze bei 208 Mark (362 Prozent Kursgewinn). Kurze Zeit später fiel die Notiz wieder auf 135 Mark und rangiert heute auf dem (realistischen) Niveau von etwa 114 Mark.

Vieles von der Börsenhysterie des Sommers hatte nichts mit der Performance der am Neuen Markt gehandelten Unternehmen zu tun. Selbige scheint indes im Falle der Mensch und Maschine Software AG durchaus (wieder) zu stimmen. Eigenen Angaben zufolge erwartungsgemäß schloß jedenfalls das Unternehmen das erste Halbjahr 1997 ab. Danach stieg der Umsatz gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 13 Prozent auf 42,5 Millionen Mark. Mit 21,9 Millionen Mark im zweiten Quartal lagen die Einnahmen sogar um gut 20 Prozent über denen der vergleichbaren Vorjahresperiode. Der Umsatz im gesamten Geschäftsjahr 1997 soll rund 100 Millionen Mark erreichen, als Ergebnis wird ein Betrag zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Mark erwartet.

*Beate Kneuse ist freie Fachjournalistin in München.