Groupware verändert Kommunikation

Multimediales Infosystem unter Unix wird für Mediziner Realität

14.06.1991

FRAMINGHAM (IDG) - Als Apple vor etlichen Jahren seine "Knowledge Navigator" genannte Vision vom zukünftigen digitalen und multimedialen Informationssystem auf ein Video bannte, schienen die Leute um John Sculley sehr weit vorauszudenken. Am Baylor College of Medicine in der texanischen Öl- und Computerstadt Houston ist man dem Zukunftsentwurf der Apfel-Leute einen Schritt näher gekommen.

Noch befindet sich das digitale Infosystem im Experimentierstadium: Aber die sieben als Versuchskaninchen ausgewählten Ärzte des texanischen Krankenhauses glauben schon heute, nicht mehr ohne ihr "Virtual Notebook System" (VNS) auskommen zu können. Dabei handelt es sich um ein Multiuser-Hypermedia-System für vernetzte, Unix-basierte Workstations unter X-Windows.

Selektion noch individuellen Vorgaben

VNS ist eine Groupware-Anwendung, die es Anwendern in Netzwerken erlaubt, ohne geografische Limitierungen Informationen und Daten unterschiedlichster Formate zu be- und verarbeiten. Das heißt, daß sowohl herkömmliche Textdaten, aber auch Bilder, Videos oder Audiodokumente genutzt werden können.

VNS gibt den sieben mit dem System arbeitenden Ärzten auch die Möglichkeit, sich durch angeschlossene Dienstleistungsunternehmen zu einem bestimmten Problemfeld Informationen zuschicken zu lassen.

Je nachdem, wie der Anwender sein individuelles Interessengebiet definiert hat, selektieren Datenbank-Broker Kriterien und senden die darauf zutreffenden Informationen an den Arzt in Houston.

Über das VNS-System lassen sich auch bibliografische Anfragen an landesweit verteilte Bibliotheken starten. Gefundene Literaturquellen versenden die Bibliotheken direkt per Fax in die Workstation des Forschers, wo die digitale Information in einem Window gelesen und die interessanten Passagen in das persönliche "Notebook" des Anwenders kopiert werden können.

Farbbilder bearbeiten die Ärzte im VNS-System mit einem Bild-Editor, wobei sich sowohl Zusatzinformationen in Textform an das Bilddokument anfügen als auch über ein angeschlossenes Mikrofon Tonaufzeichnungen einbinden lassen.

Interessant an dem Groupware-Produkt, das ab Herbst 1991 durch die Groupwork Systems Inc. kommerziell vermerktet werden soll, ist auch der Sicherheitsaspekt: jeder Anwender kann über sogenannte Zugangs-Flags bestimmen, wer auf sein Notebook zugreifen darf. Das VNS-System hat wegen seiner vielseitigen Verwendbarkeit schon das Interesse der Industrie gefunden. Bei British Petroleum etwa verspricht man sich von der Groupware, digitale Informationen einfacher handhabbar und für einen größeren Kreis von Mitarbeitern verfügbar zu machen.

Kevin Long, Mitentwickler von VNS und Mitglied des Information Technology Programm Baylor College, sieht für die VNS-Groupware unterschiedliche Anwendungsfelder: Sowohl im Rechts- als auch Versicherungswesen, für Echtzeitkonferenzen über Satelliten und ganz allgemein immer dann, wenn Informationen von unterschiedlichsten geografisch verstreuten Quellen zusammengefaßt werden sollen, sei VNS von Bedeutung.