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Multimedia-Kioske als Instrument der Kundenbindung

19.09.1997

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Kiosksystemen. So betreiben beispielsweise Tankstellen bereits seit einiger Zeit Auftrags-Shopping. Die Orders nimmt ein multimediales Eingabegerät auf. Info-Kioske können darüber hinaus als elektronisches Verzeichnis dienen, den Kunden durchs Produktangebot führen beziehungsweise Produktinformationen in unterschiedlichem Detaillierungsgrad präsentieren und bei Bedarf über Videoclips zum Beispiel Anwendungsszenarien aufzeigen und dabei gezielt auf Sonderangebote hinweisen. Aber auch kleine Märkte profitieren von Kiosksystemen. Wegen ihrer geringen Stellfläche sind sie nicht in der Lage, eine so breite Palette von Produkten anzubie- ten wie Marktriesen. Mit einem Kiosksystem läßt sich eine sogenannte "virtuelle Verkaufsfläche" einrichten, die das Angebot um die nicht vorrätigen Waren ergänzt.

Der Vorteil für den Käufer ist schnell erklärt, nimmt man allein die neue Verordnung für die Kennzeichnung gentechnisch behandelter Produkte. Ein Multimedia-Kiosk kann den Konsumenten umfassender informieren, als dies über die Kennzeichnung auf den Lebensmitteln der Fall ist. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, daß sich der Kunde auf diese Weise ernst genommen und gut beraten fühlt.

Multimedia steht für die Kombination von Bild, Ton, Anima- tion und Text, was Experten zufolge zu einer effektiveren Sinneswahrnehmung führt, die der einseitigen Nutzung dieser Me- dien überlegen ist. Der Kunde liest, sieht und hört. Wichtig ist zudem die Interaktivität, die ihn zum Mitmachen auffordert, etwa sich ein Produkt näher anzuschauen, seine Inhaltsstoffe abzufragen.

So vielfältig wie sein Einsatzbereich ist das Erscheinungsbild des multimedialen Beraters. Die Seiten im Internet zählen genauso dazu wie die erwähnten Multimedia-Kioske, also freistehende oder in Flächen eingebaute Selbstbedienungssysteme mit einfach strukturierten Oberflächen.

Die Vorgabe ist allerdings immer die gleiche: Der Computerungeübte soll sich ohne Scheu an die elektronische Lösung herantrauen. Touchscreens sind deshalb bei öffentlichen Informationsterminals Usus - eine Tastatur erübrigt sich. Dies wird sich allerdings nicht immer realisieren lassen; trotzdem gilt auch hier der Grundsatz der Einfachheit: sowenig Tastenauswahl wie möglich.

Sind nur einzelne, standardisierte Eingaben erforderlich, läßt sich die Tastatur beispielsweise auch auf der berührungssensitiven Oberfläche abbilden.

Bei Multimedia-Kiosken handelt es sich in der Regel um Vor-Ort-Lösungen mit festem Standplatz. Die Systeme lassen sich ähnlich wie Geldautomaten der Finanzinstitute in Eingängen, aber auch innerhalb von Supermärkten positionieren.

Mittlerweile setzt eine Reihe von Unternehmen auf diese neue Informations- und Verkaufstechnologie. Die Lebensmittelkette Pfannkuch Handelsgesellschaft mbH sammelte bereits Ende 1995 erste Erfahrungen. Als Pilotobjekt diente ein Verbrauchermarkt in Mühlheim. Dort bildet das Kiosksystem "Electra" von Siemens- Nixdorf mit seinem Multimedia-Mix aus PC-, Video- und Audiotechnik die Grundlage für eine interaktive und dialogorientierte Verbraucherinformation. Das Unternehmen Pfannkuch, das mit 200 Filialen - darunter 20 Kolossa-Warenhäusern - deutschlandweit zu den größten Lebensmittelherstellern gehört, beauftragte den Hardwarehersteller auch mit der Entwicklung der Software für ein Markt-Informationssystem nach Maß.

Die Problemstellung: Das komplexe Warenangebot eines großen Supermarkts kann dazu führen, daß der Kunde die Orientierung verliert. Zudem könnte sich eine gehbehinderte oder sehr in Eile befindliche Person beispielweise über lange Wege ärgern. Antworten auf Fragen wie etwa "gibt es hier auch den und den Rotwein?" oder "haben Sie Kaffee aus fairem Handel?" sollen die Supermarktmitarbeiter entlasten und zur Kundenzufriedenheit beitragen. Doch Informationen gezielt zu bekommen ist oftmals nicht einfach. Ein multimedialer Informationskiosk soll hier Abhilfe schaffen.

Ein breites Spektrum an Funktionalität soll in Pfannkuchs Supermärkten nicht nur eine Vielzahl von Informationen bereitstellen, sondern auch deren Aktualität gewährleisten. "Veraltete Informationen verzeiht der Kunde nicht. Die Angaben im System müssen immer up to date sein, das ist zwingend", erklärt Heinrich Frintrop, Abteilungsleiter für Multimedia/Internet-Projekte und -Produkte von Siemens-Nixdorf. Der Aufbau der Software sowie die Hilfestellung über maßgeschneiderte Templates machen es dem Personal leicht, die sich ständig ändernden Informationen aktuell zu halten. Über einen geheimen Code lassen sich im Administrationsmenü Werbeseiten austauschen oder neue Angebote einbringen.

Wie eine solche Multimedia-Lösung aussehen könnte, verdeutlicht das Pfannkuch-System. Einfachheit und schnelles Auffinden der Information hat höchste Priorität. Ein Leitsystem mit dem Grundschema der Verkaufsfläche soll die Orientierung gewährleisten. Der eigene Standort und die gewünschte Warengruppe sind farblich gekennzeichnet. Als Blickfang läuft eine Tickerleiste mit Angeboten am oberen Bildschirmrand. In Pausenzeiten, wenn kein Konsument das System benutzt, machen ganze Werbeseiten mit Bild und Ton auf sich aufmerksam.

Neben der Information über Verfügbarkeit und Standort von Waren besitzen die multimedialen Systeme zusätzliche Funktionen. Bei Pfannkuch kann der Kunde den Wert seiner Einkäufe errechnen, bereits bevor er an die Kasse geht. So integriert der Kiosk einen Barcode-Scanner, der mit dem Kassen-Server verbunden ist und prompt eine Antwort liefert. Zudem ist die Lösung mit dem Web-Server des Unternehmens verbunden. Über Fingertip gelangt der Benutzer damit umgehend auf die Web-Seiten von Pfannkuch im Internet.

Damit die Multimedia-Lösung akzeptiert wird, muß sie kundengerecht aufgebaut sein - wer mit langsamen Rechnern und veralteten Oberflächen arbeitet, erntet kaum Lorbeeren. "Selbsterklärend" heißt die Formel. Auch unterhaltende Elemente sind wichtig. Hier gilt es, sämtliche medialen Techniken möglichst reiz- und sinnvoll auszunutzen, um den Anwender zu fesseln. An der Gestaltung der Präsentationsoberfläche zu sparen ist falsch. Für Kommunikations- designer, Psychologen, Filmproduzenten, Sprecher, Toninge- nieure und Softwarespezialisten gibt es bei der Durchführung eines ausgereiften Electronic-Commerce-Projekts eine Menge zu tun.

Belegdrucker gehören mittlerweile nahezu zur Grundausstattung eines derartigen Kiosks. Die Systeme laufen unter den Betriebssystem-Plattformen Windows NT sowie Windows 95 und verfügen ferner über Kartenlesegeräte - etwa für Kundenkarten -, was für größere Warenhäuser interessant sein dürfte. Ihr Einsatz ist bei den Handelsriesen ein beliebtes Instrument zur Kundenbindung. Es kann spezielle Angebote nur bestimmten Kundengruppen eröffnen oder aber Kundendaten sammeln, um damit Trendanalysen erstellen zu können. Diese wiederum erleichtern gezielte Werbemaßnahmen. Zudem lassen sich die Terminals so für eine individuelle Kundenbetreuung ausbauen.

Zunehmend werden auch komplette Bestellvorgänge elektronisch abgewickelt. Ist ein Warensortiment nicht vorrätig, kann der Kunde sein Produkt direkt ordern. Die Rechnungsstellung erfolgt dann beispielsweise über ein angeschlossenes Zentralsystem (etwa SAP R/3 Retail). Immer häufiger trifft der Kunde auf einfache elektronische Formen des Bezahlens: direkt am Terminal kann er per EC-Geldkarte kleinere Beträge abbuchen lassen.

Das Kiosksystem ist auf diese Weise erweiterbar und deckt nach und nach komplette Transaktionen ab. Es bedeutet ein Plus an Service und eine Entlastung im Tagesbetrieb.

Wichtig für die Wahl eines Selbstbedienungsterminals ist die Rechnerarchitektur. Die Lösung sollte auf Standardtechnologien wie Windows NT beziehungsweise Windows 95 basieren. Auch die Einbindung von Standardapplikationen wie MS-Office oder E-Mail sollte sich im Hinblick auf künftige Entwicklungen realisieren lassen. Wird eine verbreitete und allgemein anerkannte Technologie genutzt, impliziert dies nicht nur Investitionsschutz, sondern auch niedrigere Betriebskosten, da unter anderem der Schulungsaufwand für Mitarbeiter geringer ist als bei Lösungen, für die eine spezifische, nichtstandardkonforme Technologie verwendet wurde.

Derzeit eignet sich das Internet wegen seiner wechselhaften Performance nur bedingt als Kommunikationsmedium für Multimedia-Kioske. Anders ist es im Intranet. Intranets nutzen die kostengünstigen Technologien des Internet, haben allerdings nicht mit dessen Schwachpunkten, der mangelnden Sicherheit und zu geringer Durchsatzleistung, zu kämpfen. Viele Unternehmen stellen ihre betriebswirtschaftlichen Lösungen wie Materialwirtschaft, Auftragsabwicklung und Einkauf auf die neue Technologie ein. Das Intranet bildet die ideale Basis für Multimedia-Kioske, die sich auf diese Weise einfach und kostengünstig in die bestehende Informationsinfrastruktur einbinden lassen.

ANGEKLICKT

Das A und O erfolgreicher Kioske ist deren Benutzeroberfläche. Ihre Gestaltung beschäftigt nicht nur Hard- und Softwarespezialisten. Genauso gefragt sind Psychologen, Kommunikationsdesigner, Unterhaltungskünstler und Filmproduzenten. Wichtigste Ziele: Die Schnittstelle Mensch-Maschine sollte selbsterklärend und reizvoll sein. Sie muß fesseln, soll sich der E-Commerce-Kiosk zur gewinnbringenden virtuellen Verkaufstheke entwickeln.

Kiosk-Technologie

Multimedia-Kioske verfügen heute über

- Rechner mit Pentium-Prozessor

- große Touchscreen-Monitore (17 Zoll und mehr)

- Audio-Unterstützung

- Videokonferenz

- Kartenlesegeräte

- Bondrucker

- Formular- oder Laserdrucker

- PIN-Pad (optional)

- Alpha-Tastatur (optional)

Kiosk-Angebote

Multimedia-Kioske liefern dem Kunden zum Beispiel Informationen über

- Warenstandorte

- Warenangebot

- Inhaltsangaben

- Herstellungsverfahren

- Preise

Multimedia-Kioske liefern dem Unternehmen zum Beispiel Informationen über

- Kaufverhalten

- Kaufkontinuität

- Besuchshäufigkeit

*Anke Goos ist freie Journalistin in München.