Unternehmen fordern hohe Sozial- und Technikkompetenz

Multimedia-Jobs: Der Einstieg gelingt am besten über Praktika

17.05.1996

Etwa 2000 Multimedia-Firmen soll es Ende dieses Jahr geben, hat Joachim Graf ausgerechnet. Der Herausgeber des Münchner "Multimedia-Branchendienstes" meint damit aber nicht die zahlreichen Freelancer, die sich in diesem Umfeld tummeln, sondern Betriebe mit im Durchschnitt acht Mitarbeitern. Auf einer Podiumsdiskussion bei der Mediadesign GmbH, München, zum Thema "Multimedia - neue Strukturen auf dem Arbeitsmarkt" zitierte er eine Studie aus dem Rheinland, "nicht unbedingt eine High-Tech-Region", in der die Zahl der Beschäftigten im Zeitraum 1988 bis 1994 um sechs Prozent stieg, in der "Media-Industrie", wie er es nennt, aber um 25 Prozent.

Er machte all denjenigen große Hoffnungen, die sich in diesem Umfeld ausbilden lassen. Der Bedarf sei enorm, und wer keinen Job finde, "ist selber schuld". Er registriere aber auch einen "sehr starken Trend zur Selbständigkeit" und forderte die Schüler im Publikum auf, diesen Weg zu beschreiten, denn "nur wer selbst etwas unternimmt, ist nicht abhängig von Management-Methoden". Peter Pauli vom Arbeitsamt München dämpfte Grafs Euphorie und berichtete, daß den Arbeitsämtern kaum Stellen für Multimedia-Experten gemeldet werden. Nun ist aber bekannt, daß gerade kleine Firmen ihren Bedarf nicht unbedingt den Behörden mitteilen. Auch in bezug auf die Selbständigkeit zeigte sich der Arbeitsamtsvertreter zurückhaltend: "Im Prinzip sind wir froh, wenn die Absolventen Arbeit finden", und die Bundesanstalt für Arbeit fördert den Weg in die Selbständigkeit, indem sie 26 Wochen lang das Arbeitslosengeld verlängert die Beamten können diesen Trend jedoch nicht begrüßen, da ihnen damit die Beitragszahler entschlüpfen. Pauli warnte vor allem vor der Scheinselbständigkeit. Freelancer begeben sich in die Abhängigkeit eines einzigen Auftraggebers, und wenn es dem schlecht gehe, seien sie auch am Ende. "Wer vier Jahre keine Sozialbeiträge eingezahlt hat, verliert jeden staatlichen Anspruch", warnte Pauli.

Dennoch fördert das Münchner Arbeitsamt Multimedia-Kurse. Von den etwa 10000 Teilnehmern an staatlichen Fortbildungsmaßnahmen in München befinden sich etwa fünf Prozent in Multimedia-Seminaren, Tendenz steigend. In der bayerischen Hauptstadt bieten immerhin acht Schulungsunternehmen von den Behörden geförderte Fortbildungsprogramme im diesem Umfeld an.

Daß die Unternehmen gerade im Multimedia-Umfeld die berühmt-berüchtigte eierlegende Wollmilchsau suchen, wurde aus den Ausführungen von Maren Müller-Bierbaum sehr deutlich. Die Kursbegleiterin bei Media-Design, die im ständigen Kontakt zu den Firmen steht und den Kursteilnehmern bei der Jobsuche behilflich ist, weiß, was "draußen" gefragt ist. Als Grundvoraussetzungen nennt sie Bereitschaft zur Teamarbeit, Lern- und Arbeitsbereitschaft sowie Pioniergeist.

Neben diesen außerfachlichen Kompetenzen und der Kreativität, die Personalchefs gerne in den Vordergrund rücken, spiele das technische Know-how, also der Umgang mit Hard- und Software, eine ebenso bedeutende Rolle. Und weil es sich (fast) immer um Projekte dreht, sollte man ein solches kalkulieren und den Kunden beraten können.

Frau Müller-Bierbaum hat beobachtet, daß 90 Prozent der Schüler ihres Ausbildungsinstituts, die ein Praktikum ableisten, danach auch übernommen werden oder zumindest die Möglichkeit haben, als Selbständige weiterzuarbeiten.

Pauli wies in diesem Zusammenhang auf eine Regelung der Arbeitsämter hin, die besagt, daß Schüler ein zwölfwöchiges bezahltes Praktikum absolvieren und dabei Arbeitslosengeld beziehen können. Die Vermittlungsquote der Absolventen von Multimedia-Schulungen in feste Beschäftigungsverhältnisse liege bei etwa 50 Prozent. Addiere man noch die Freelancer dazu, komme man auf zirka 70 Prozent. Was die Einstiegsgehälter angeht, nannten die Podiumsteilnehmer etwa 4500 bis 5000 Mark Monatssalär.