Multimedia: Die Zeit der Autodidakten ist vorbei

02.07.2001
Von Helga Ballauf
Lutz Michel
Lutz Michel

Auf diesem Feld des "E-Consulting" konkurrieren Multimedia-Agenturen wie Kabel New Media, GFT Technologies oder Framfab mit Unternehmensberatern wie Accenture und McKinsey oder Dienstleistern wie Siemens Business Services. "Die Projekte im Internet-Umfeld werden zunehmend komplexer. Man darf den Anschluss zum Geschehen nicht verlieren", gibt deshalb Alexander Kandzior, CEO bei der Framfab Deutschland AG in Frechen, als Losung aus.

Zugleich ist zu beobachten, dass große Anwenderfirmen angesichts der Bedeutung der Online-Präsenz fürs Kerngeschäft die Multimedia-Aktivitäten verstärkt in eigenen Abteilungen konzentrieren. In seiner Studie zur "Ausbildung in der Internet-Ökonomie" beschreibt Michel, dass dies nicht nur Aufgaben der strategischen Planung und der IT-Architektur im Zusammenhang mit dem E-Commerce betrifft. Selbst die Hälfte der Multimedia-Design-Aufträge wird nicht mehr nach außen vergeben. New-Media-Dienstleister ohne Spezialprofil werden das immer deutlicher spüren. Dennoch: "Kein Problem für gut ausgebildete Fachkräfte", weiß Michel. "Die Anwenderunternehmen stellen gerne Leute ein, die bereits in Agenturen Berufserfahrung gesammelt haben."

Die Jahresgehälter der Beschäftigten in der Multimedia-Wirtschaft liegen tendenziell unter den Vergleichswerten der Old Economy. Zu diesem Schluss kam im Frühjahr dieses Jahres eine Studie der Universität Witten Herdecke. Das liegt nicht nur daran, dass laut Umfrage rund 20 Prozent der Gehälter in der Multimedia-Branche aus Aktienoptionen und Leistungsprämien bestehen. Bereits das Ausgangsniveau ist niedriger als etwa bei IT-Fachkräften. Für sie sind Einstiegsgehälter von 100 000 Mark pro Jahr unterstes Level. Dagegen liegen junge Marketing-Führungskräfte laut Gehaltsspiegel des dmmv mit durchschnittlich 104 000 Mark pro Jahr bereits an der Spitze ihrer Zunft. Viele selbständige junge E-Lancer können indes vom großen Geld nur träumen (mehr dazu: www.e-lancer-nrw.de).

Die Multimedia-Wirtschaft entdeckt die duale Ausbildung. Bereits 45 Prozent der Unternehmen stellen Azubis ein, die Fachinformatiker oder Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien, AV-Medienkaufleute, Mediengestalter Bild und Ton oder Informatikkaufmann/-frau werden wollen, ergab jüngst eine Studie. Es sind vor allem betriebswirtschaftliche Gründe, so Medienforscher Michel, die in einer typischen Akademikerbranche das Interesse an der betrieblichen Ausbildung wecken: "Wer sie zwei bis drei Jahre durchlaufen hat, kennt das Unternehmen und ist billiger als ein Fachhochschulabsolvent.

Mancher Hochschulabgänger wird sich anstrengen müssen, um von gut ausgebildeten Fachkräften nicht in den Schatten gestellt zu werden." Einige Multimedia-Dienstleister bieten jungen AV-Medienkaufleuten nach der Abschlussprüfung sogar ähnliche Job- und Aufstiegschancen im Projekt-Management wie den FH-Diplomanden. Wenn es um die Konzeption und Gestaltung eines Kundenauftrags geht, ziehen Agenturen dagegen Hochschulabsolventen "mit fundiertem Fachwissen über Wirkungsmechanismen und die Werbepsychologie" vor.

Diese Differenzierung geht weiter. Denn die Tätigkeitsprofile in den Firmen werden vielfältiger, und es entstehen ausgeprägte Hierarchieebenen. Auch die Hochschulen tragen dem Rechnung und bieten Multimedia-Studiengänge mit unterschiedlichsten Schwerpunkten an. Unter den 15 "grundständigen" Angeboten, die der Kompass der Hochschulrektorenkonferenz ausweist, halten sich mediengestalterische, informationstechnische und betriebswirtschaftliche Ausrichtungen die Waage.

Dazu kommen zwölf weiterführende Studienmöglichkeiten, die mal im Fachbereich Elektrotechnik, mal im Marketing und mal bei den Didaktikern angesiedelt sind. Neue Wege gehen beispielsweise die Fachhochschulen in Karlsruhe und Mittweida, die in Kooperation mit dem privaten Bildungsinstitut Macromedia Kontaktstudien anbieten.

Jerome Niemeyer
Jerome Niemeyer

Solche Aufbau- und Ergänzungsstudien sind eine Möglichkeit für die vielen Quereinsteiger in der Multimedia-Wirtschaft, nach Jahren der Berufstätigkeit ihre Erfahrungen zu systematisieren, zu erweitern und formale Abschlüsse zu erreichen. Die Zeit der Autodidakten ist vorbei - wer heute nicht sicher sein kann, ob es seinen Arbeitgeber übermorgen noch gibt, muss dafür sorgen, dass sich die eigenen Kenntnisse auf dem Stellenmarkt nachweisen lassen.

Jerome Niemeyer, Personalentwickler bei Pixelpark, kennt die Verunsicherung von Bewerbern angesichts negativer Firmenschlagzeilen. Sein Rat: "Mir wäre der Berufseinstieg bei einer Firma zu riskant, die keine gezielten, die Laufbahn begleitenden Trainingsmaßnahmen anbietet. Unternehmen, die selbst qualifizieren, bleiben dagegen interessant als Arbeitgeber. Denn mit dem gewonnenen Wissen kann man sich im Fall des Falls auch anderswo durchsetzen."