Das neue Unterrichtsmedium an den Universitäten:

Multifunktionales Arbeiten mit dem PC

28.11.1986

Professor Otto J. Knapp von der Fachhochschule Nürtingen beschreibt in diesem Beitrag Erfahrungen, die er mit dem PC als zentrales, multifunktionales Arbeitsgerät in Vorlesungen und Seminaren gemacht hat. Seiner Meinung nach hat sich dieses Medium in Aus- und Weiterbildung sehr bewährt.

Wer sich der Herausforderung rasant vollziehender Neuentwicklungen und ständiger Veränderungen stellen muß, wie dies seit wenigen Jahren besonders ausgeprägt in der Datenverarbeitung der Fall ist, wird vor allem als Ausbilder und Leiter sehr schnell merken, daß er mit den herkömmlichen Mitteln und Medien nicht mehr in der Lage ist, all die vielen Änderungen auf Manuskripten, Merkblättern, Folien, Aufgaben "einzufangen" oder auch nur annähernd nachzuvollziehen.

Papier als Medium ist zu umständlich

"Papier" als Medium ist einfach zu endgültig, viel zu umständlich zu handhaben, wenn die dem Schüler, Studenten oder Auszubildenden zum Wiederholen und Vertiefen des Wissensstoffes notwendigen Unterlagen und Handreichungen immer im korrekten und sauberen Zustand, also ohne Handeintragungen, Streichungen, Einfügungen, übergeben werden sollen.

Das ständige Anfertigen von Folien für den Tageslichtprojektor ist keine brauchbare Dauerlösung, denn sie ist nicht nur viel zu zeitaufwendig, sondern vor allem auch zu kostspielig bei den viel zu häufig anstehenden Änderungen und Erweiterungen.

Auch die von vielen Ausbildern und Lehrern schon zur "Kunst" gewordene Fertigkeit, mit "Scherenschnitten", Lack und Klebstoff die verwendeten Unterlagen "aktuell" zu halten, stößt sehr bald an eine Grenze, die ein wiederholtes und manchmal nach kürzester Zeit ein erneutes Schreiben und Zeichnen, Kopieren und Anfertigen von Folien unumgänglich macht.

Wer die Gelegenheit hat, einen Personal Computer (PC) als Arbeitsgerät einzusetzen und sich den notwendigen Ruck gibt und einfach damit anfängt, seine benötigten Unterlagen - gleichgültig welcher Art - mit dem PC zu erstellen, wird nach einiger Zeit mit wenig Aufwand nach oft geringfügigen Änderungen stets saubere Unterlagen verfügbar haben.

Der diese Lehrmaterialien produzierende Ausbilder wird sich dazu einen geeigneten Editor - sprich Textverarbeitungsprogramm oder Textsystem - zulegen müssen und systematisch mit der Einarbeitung beginnen, am besten nach dem wirksamen Prinzip des "Learning by doing".

Nach relativ kurzer Zeit kann er von einfachen Schreibarbeiten bis zu Skizzen und Zeichnungen (mit 265 Zeichen umfassenden Zeichensatz eines PC) dieses Arbeitsgerät einsetzen und alle Schreibprodukte auf Diskette speichern und für

- Änderungen, Verbesserungen

- Erweiterungen (von kleinem zu größerem Umfang)

- Kürzungen (aus Volltext zu Schlagworten)

- Umgestaltungen (Normaltext und Zeitungsspalten)

ständig parat haben.

Mit der laufenden Erweiterung seines Diskettenumfangs erhält der Ausbilder immer mehr Möglichkeiten der Wissenssammlung, Wissensaufbereitung durch den Computer. Neues Wissen läßt sich aus der

- neuartigen Arbeitsweise,

- mehrfachen Verwendung von Texten und Zeichnungen für ähnliche Formen und Inhalte,

- Gewinnung neuer Erkenntnisse und Erfahrungen

ziehen, so daß er schon nach einiger Zeit seine Arbeitsproduktivität, seine Gestaltungsfähigkeiten und Umsetzfähigkeit steigern kann.

Durch Vorrat an Wissen kombinieren statt schreiben

Schon mit einem relativ guten Vorrat an gespeichertem Wissen über ein bestimmtes Gebiet ist es möglich, daß jeder Ausbilder schnell die reine "Produktphase" verläßt und in eine vorläufige Endphase des "Kombinierens" statt des Schreibens gelangt. Denn anders gewichtete Darstellungen von Inhalten, wie bei Vorträgen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, werden dann überwiegend nur noch aus dem Bilden von Extrakten aus den verschiedenen Disketten und dem Einfügen von "Übergängen" und Überleitungen bestehen.

Direktprojektion aus dem PC möglich

Vorhandene Texte und Zeichnungen sind auch sehr schnell zu "formatieren".

Mit einem geeigneten Textsystem ist es mit wenigen Befehlen möglich, einen Text in eine beliebige Spaltenbreite (zum Beispiel für die Zeitung) umzusetzen, so daß ein einmal geschriebener Text eigentlich nur noch geändert oder neu formatiert werden muß, um als "neu" eingestuft zu werden.

Wer sich im Laufe der Zeit eine gewisse Wissenssammlung zugelegt hat, wird erst vollen Nutzen daraus ziehen, wenn er die nach und nach aufkommenden Großbildprojektoren oder ein Videosystem mit Monitoren einsetzen kann.

Damit wird bei entsprechend gelockerter Aufbereitung der bereits vorhandenen Texte eine Direktprojektion aus dem PC möglich, die alle nur erdenklichen Freiheitsgrade der Gestaltung von Vorlesung, Seminar oder Unterricht bei weitem übertreffen:

- Präsentation des Lehrstoffs mit PC

- Protokollieren von Arbeitsergebnissen, wichtigen Absprachen, Aufgaben usw. (PC=Tafel, Tageslichtprojektor, Flipchart)

- Aufruf von ähnlichen Lösungen, die lediglich geändert oder erweitert werden

- Anbringen von Farbe an die soeben zu besprechende Stelle im Text oder auf einer Zeichnung.

Bewegtbilder aus Disketten

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß es ohne weiteres auch möglich ist, Bewegtbilder über Disketten zu präsentieren, wie dies heute vielfach bei DEMO-Disketten über Software, neue Produkte und Beschreibung neuer Anwendungen der Fall ist. Es können auch entsprechende Grafikprogramme eingesetzt werden die den bildhaften Gestaltungsraum erweitern.

Es ist vielfach üblich , den Auszubildenden irgendwelche Unterlagen zur Vertiefung und Wiederholung des Gelernten zugänglich zu machen.

Dies kann auf folgende Weise geschehen, wenn die mit Steuerzeichen (zum Beispiel für Farbe) versehenen Texte mit dem Computer über ein "Umsetzprogramm" für den anschließenden Druck bereinigt werden. Wer einige Zeit Erfahrung gesammelt hat, wird dieses aus Editier-Befehlen bestehende Umsetzprogramm selbst erstellen können.

Der einmalige Entwurf einer Titelmaske mit genauer Seitenaufteilung, ein pro Datei notwendiger Aufruf des Umsetzprogramms für den Druck sowie das Eingeben einiger Befehle zum Aufruf der Dateien zum Ausdrucken sind die einzigen Arbeiten, um jedes beliebige Manuskript ausdrucken zu können.

Besonders vorteilhaft ist die Seiteneinteilung mit der Abbildung von jeweils drei Bildschirmseiten pro Druckseite, die außerdem automatisch mit einer Kopf- und Fußzeile sowie mit Datum und einer fortlaufenden Nummer versehen wird.

Kreative Gestaltung für Vorlesung

Diese Handreichung ist also ein Manuskript - wenn auch nicht in der üblichen Form, das jeweils mit dem ständig gepflegten aktuellsten Stand in Druck geht, vor der Behandlung des Stoffes verfügbar ist und während der Vorlesung vom Teilnehmer erweitert und ergänzt werden kann.

In Gesprächen über diese Art der Wissensdarbietung kommt sofort die Frage auf, ob noch ein genügend großer Freiraum für kreative Gestaltung von Vorlesung und Seminar verbleibt.

Nach einiger Übung lassen sich Texte genauso schnell wie jemand auf eine Tafel schreibt und zeichnet am PC eintippen - dabei ist nicht zu übersehen, daß der letzte weggewischte Tafelinhalt für spätere Bearbeitung jeweils auf der Diskette abgespeichert ist.

Es bietet sich sogar regelrecht an, gewisse Absprachen, Regelungen sowie Vorbereitungen auf Veranstaltungen interaktiv während Vorlesung, Seminar oder Unterricht für alle sichtbar festzuhalten, um diese Texte bei Bedarf jederzeit wieder aufrufen zu können (Gruppeneinteilung, Aufgaben, Aufgabenzuordnung).

Tastatur zur Wissenspräsentation

Oft schleichen sich Tippfehler ein oder eine noch nicht umfassende Angabe liegt vor. Mit Geschick können diese Änderungen während des Besprechens vorgenommen werden. Statt einer "Kunstpause" wird ausdrücklich darauf hingewiesen und damit sogar Aufmerksamkeit erweckt.

Wer die Tastatur auf dem Rednerpult legt und den Bildschirm einsehbar daneben plaziert, kann dies alles im Stehen durchführen, ohne beim Schreiben in "Tauchstation" gehen zu müssen! Und seinen Zuhörerkreis aus den Augen zu verlieren!

Das Fazit ist: Schon nach wenigen Monaten praktischer Arbeit hat sich dieser Weg der Wissenspräsentation meiner Meinung nach als sehr vorteilhaft auch für die Studenten erwiesen, so daß er im Sinne effektiveren Lehrens und Lernens seine Berechtigung hat.