Mündige Anwender suchen keinen Barock auf der Messe

16.08.1985

Eberhard Färber

Geschäftsführer Peripher Computer Systeme GmbH PCs, München Vorsitzender des

Ausstellerbeirates der "Systec", München

Schiere Größe war schon immer ein zweifelhaftes Gestaltungsprinzip: Die Dinosaurier sind ein Beispiel dafür, ebenso die sich immer mehr selbst verwaltenden Allzweck-Großcomputer. Dezentralisierung, Spezialisierung, gestufte Vorgehensweisen und gestufte Organisationskonzepte sind daher gefragt - und dank der Technologie-Entwicklung sowie fortschreitender Standardisierung auch überschaubar machbar.

Überschaubarkeit: Das ist wohl ein Schlüsselwort für den völlig verunsicherten Anwender von lnformationstechnik, für den Messebesucher. Wie soll der Anwender den "Durchblick" für sein Problemfeld bekommen, wenn er ihm verstellt wird durch Pomp, durch Show-Business und durch die Illusion der "ganzheitlichen schlüsselfertigen Lösung aller Informationsprobleme aus einer Herstellerhand"?

Oder soll er den Durchblick bekommen auf zukunftsweisenden wissenschaftlichen Seminaren mit angeschlossener "Industrieausstellung" im Zehn-Quadratmeter-Raster?

Sachliche, qualifizierte Information auf nicht zu großen und nicht zu kleinen Messeständen sowie ein begleitender, gut strukturierter Kongreß haben - in Verbindung mit der Attraktivität von München - die "Systems" großgemacht. Über 80 000 Besucher im Jahr 1983 fanden im Rahmen einer Hallengliederung nach Angebotsschwerpunkten bei 960 Ausstellern in fünf Tagen, was sie suchten: das Fachgespräch.

Auch die Aussteller signalisierten: qualifizierte Kontakte mit Alt- und Neukunden. Es seien zwar vielleicht weniger "leads" als in Hannover, aber es seien die richtigeren. Interessenten also, die wissen, worauf sie achten müssen. Mündige Anwender und - ja klar - viele fachkundige Wiederverkäufer: OEMs, VARs, System- und Softwarehäuser.

Die in 1981 begonnene und 1983 weiter präzisierte Hallengliederung machte eine Differenzierung der Nachfrage deutlich. Der klassische Rechenzentrumsleiter ist - von der Herkunft und den Prioritäten des Anwendungsstatus bedingt - auf die Anwendungen in der Büroumgebung hin orientiert. Dort gibt es ja wahrhaftig auch viel zu tun, zu verbessern, zu integrieren - vor allem die wildwuchernden Mikros (die mit ein oder zwei Megabyte Speicher oft die Hauptspeicherkapazitäten des Rechenzentrumcomputers überschreiten).

Daneben hat sich aber ein dringender, ja überfälliger Bedarf an Informationstechnik für die Forschung und Entwicklung, für die Fabriken und für die Produktionsanlagen gebildet. Besonders forciert wurde er durch das 450-Millionen-Mark-CAD/CAM-Programm der Bundesregierung. Noch wichtiger aber ist, daß es eine andere "Welt" ist. Es ist eine Welt der Ingenieure, der Konstrukteure, der technischen Informatiker, der Entwickler, der Produktionsleiter und Arbeitsvorbereiter.

Es wäre nicht nur zuviel verlangt von der zentralen Datenverarbeitung selbst, es wäre angesichts der Technologie- und Standardisierungsentwicklung auch in organisatorischer Hinsicht richtig, dieser technischen Welt den direkten Zugang zur Informationstechnik zu erleichtern. Die zwei- oder dreidimensionale Darstellung von Business-Charts ist einfach etwas anderes als die zwei- und dreidimensionale Konstruktion von Maschinen und Prozessen. Hier sind eigenständige Lösungen erforderlich, die sehr wohl als dezentraler Teil des Ganzen eingebunden werden können und sollen (siehe MAP von General Motors).

Dieser von der Technik her bestimmten Welt der Informationstechnik hat sich die neugegründete "Systec", internationale Fachmesse mit Kongreß für Computerintegration in Logistik, Entwicklung, Konstruktion, Fertigung und Qualitätssicherung, verschrieben. Erstmals 1986 und danach im Zwei-Jahres-Rhythmus, abwechselnd zur "Systems".

Wie in Hannover ist auch in München die Abgrenzung nicht ganz eindeutig zu ziehen. Es wird sicherlich Besucher und Aussteller geben, die auf der "Systems" und "Systec" sein werden. Aber die Ansprache, ja die Sprache, wird eine andere sein. Die "Systec" ist eine Messe der (Informations-) Techniker. Sie ist andererseits gewiß keine Maschinenbau- oder Robotermesse. Roboter und flexible Fertigungsstraßen sind aus der Sicht des technischen Informationsmanagers sozusagen Peripheriegeräte.

Wie auf der "Systems" soll auch für die "Systec" das Fachgespräch einschließlich dem begleitenden - vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) getragenen - Kongreß im Vordergrund stehen. Barock kann man in der Münchner Innenstadt finden, der mündige Anwender wünscht ihn nicht auf dem Messegelände.

- "Ein Plädoyer für die Hannover-Messe" ist in CW Nr. 31/85 als Gastkommentar erschienen.