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Münchner Stadtrat beschließt Feinkonzept für die Linux-Migration

16.06.2004

Die Vollversammlung des Münchner Stadtrats hat heute Nachmittag das Feinkonzept für die Migration von rund 14.000 städtischen PC-Systemen auf Open-Source-Produkte mit den Stimmen von SPD sowie Bündnis90/Die Grünen, FDP und kleineren Parteien verabschiedet. Gegen das Konzept stimmten einzig die Stadträte der CSU.

Bereits vor rund einem Jahr hatte das Stadtparlament den Grundsatzbeschluss gefasst, auf Linux zu migrieren, statt weiterhin Microsoft-basierende Systeme einzusetzen. In den vergangenen Monaten haben die Verantwortlichen unter der Federführung des Amts für Informationions- und Datenverarbeitung (Afid) und des Münchner Direktoriums ein Feinkonzept für die Migration entwickelt.

Es werde eine sanfte Migration geben, betont Christine Strobl, Vizechefin der SPD-Fraktion und Mitglied der IT-Kommission im Stadtrat. Projektstart für "Li-Mux" ist der 1. Juli 2004. Die Kernarbeiten sollen am 1. Oktober dieses Jahres beginnen und bis Ende 2006 abgeschlossen sein. Bis jedoch alle Referate den Wechsel auf Open-Source-Produkte vollzogen haben, wird es laut Strobl bis 2009 dauern. Im Rahmen des Feinkonzepts, das nur mit finanzieller und praktischer Unterstützung der Firmen IBM und Suse möglich war, wurden bereits einige Vorarbeiten erledigt. So haben die IT-Verantwortlichen ein Schulungskonzept entwickelt und einen Basis-Linux-Client mit allen notwendigen Komponenten definiert.

"Die Migration wird jedoch nicht ohne Probleme ablaufen", räumt Strobl ein. So erweise sich beispielsweise die Umstellung der Fachanwendungen schwieriger als ursprünglich erwartet. Viele kleinere Softwareanbieter zögerten noch, ihre Produkte auch an eine Linux-Plattform anzupassen. Auch die rund 1300 Makro-Funktionen innerhalb der Stadtverwaltung müssten konsolidiert und durch standardisierte Web-Applikationen ersetzt werden. Außerdem gebe es in Sachen Nutzerakzeptanz noch allerhand zu tun. Strobl will die Linux-Umstellung gleich mit zum Anlass nehmen, die gesamte IT-Organisation der Stadt München strategisch neu auszurichten. So müssten Redundanzen wie beispielsweise im Rahmen der rund 6000 Verwaltungsformulare ausgeräumt werden.

Eine Art Generalunternehmer soll es bei der Umsetzung des Projektes allem Anschein nach nicht geben. Laut Jens Mühlhaus von der Fraktion der Bündnisgrünen wird es viele kleine Ausschreibungen für Einzel- und Teilvorhaben geben. Damit will der Stadtrat kleine und mittlere IT-Anbieter mit ins Boot holen und den Wirtschaftsstandort München stärken. Das Projekt soll vor allem der lokalen IT-Branche neue Impulse geben, hofft Mühlhaus. München dürfe sich nicht von dem Monopolisten Microsoft abwenden und dem nächsten, nämlich IBM, in die Arme laufen, warnt der Stadtrat.

Was die Finanzierung der Linux-Migration betrifft, tappen die Verantwortlichen jedoch noch im Dunklen. Robert Brannekämper von der CSU rechnet damit, dass die Kosten weit über den bisher veranschlagten 35 Millionen Euro liegen werden. Daher könne seine Fraktion den Umstieg politisch nicht mittragen. Die Microsoft-Lösung wäre rund sieben Millionen günstiger gekommen. Brannekämper geisselt das Projekt als "finanzielles Abenteuer mit nicht absehbaren Folgen". Die Grundsatzentscheidung aus dem vergangenen Jahr sei allein politisch begründet gewesen. Wenn man jedoch Microsoft als bösen Monopolisten verurteile, müsse die Stadt auch mit Firmen wie IBM und SAP anders umspringen.

Stadtkämmerer Klaus Jungfer räumt ein, dass für die Migration zusätzliche Mittel im Haushalt für das Jahr 2005 eingeplant werden müssten. Problematisch sei jedoch, dass die Höhe noch nicht klar sei. Daher könnten die Kosten auch nicht in dem Eckdatenbeschluss für 2005 berücksichtigt werden, den die Finanzverantwortlichen derzeit erarbeiten. Woher das Geld für die Linux-Migration kommen soll, weiß auch Jungfer nicht. Weitere Sparmaßnahmen an anderen Stellen des Haushalts seien kaum noch zu vertreten. Andererseits könne sich München aber auch ein weiteres Anwachsen des Defizits nicht leisten. Die Kritik aus dem CSU-Lager weist der Stadtkämmerer jedoch zurück. So gesehen sei jede Art der Finanzpolitik ein Abenteuer. (ba)