Test soll Soft-Skills nachweisen

Münchner Berater erteilt fragwürdiges Gütesiegel

28.05.1999
Beim Münchner Personaldienstleister Newplan können Freiberufler ein Zertifikat für soziale Kompetenzen erwerben. Diese lassen sich aber nicht durch Tests feststellen, meint die Psychologin und Journalistin Bärbel Schwertfeger*.

Mit Fachwissen allein macht heute kein IT-Spezialist mehr Karriere. Wenn es darum geht, Projekte zu organisieren und Teams zu koordinieren, dann ist soziale Kompetenz gefragt. Doch was sich dahinter verbirgt, wissen die meisten Personal-Manager selbst nicht so genau. Da fallen dann Schlagworte wie überzeugend, teamfähig, belastbar, konfliktbereit, selbstmotiviert und flexibel. Doch was bedeutet das? Wie definiert man Selbstmotivation? Wo ist die Grenze zwischen Konfliktbereitschaft und Starrköpfigkeit? Wann wird aus dem flexiblen Experten ein Chaot? Je nach Person und Unternehmen fällt die Definition der Merkmale unterschiedlich aus und vielfach ist die soziale Kompetenz daher zur Worthülse geworden.

Noch problematischer wird es, wenn man die "Soft-Skills" eines Bewerbers mit einem Test erfassen will. Hier ist auch die Wissenschaft ratlos. Ein fundiertes und seriöses Verfahren, mit dem sich die soziale Kompetenz messen läßt, gibt es nicht.

Kein Problem für den Personaldienstleister Newplan Brainwork Management & Services GmbH in München. Der hat nämlich ein "Gütesiegel für soziale Kompetenzen" entwickelt. Das Wunderwerk "Freecert" kostet 4524 Mark. "Der Markt stellt hohe Anforderungen an Freelancer. Dementsprechend anspruchsvoll ist auch das Niveau von Freecert", behauptet Newplan. Als ganzheitliches Verfahren gebe es den Ein-Personen-Unternehmen erstmals die Möglichkeit, die eigenen Potentiale zu erschließen und sich ihre persönlichen Stärken zertifizieren zu lassen. Die Vorteile für Freiberufler lägen auf der Hand: "Differenzierung in der eigenen Vermarktung" und "vertrauensbildende Maßnahme gegenüber neuen Auftraggebern".

Seit einigen Jahren vermittelt Newplan in seiner "Börse für Freelancer" IT-Spezialisten. Zudem betreiben die vielseitigen Münchner mit ihrem achtköpfigen Kernteam auch eine Personalberatung und -vermittlung. Sie kümmern sich als virtuelle Personalabteilung um Gehaltsabrechnungen, Mitarbeiter-Coaching und Outplacement, übernehmen die Konzeption von Seminaren und beraten Unternehmen in Sicherheitsfragen der Telekommunikation.

Woher die Tausendsassas der Personalbranche ihre Kompetenz dafür haben, bleibt allerdings ein Rätsel.

Denn hier zeigen sich die drei Geschäftsführer Stephan Löchler, Günther Löffler und Brigitte Weninger merkwürdig verschwiegen. So heißt es lediglich "kaufmännischer Background". Man glaube nicht, jede beliebige Frage beantworten zu müssen, um nicht der vorsätzlichen Verschleierung verdächtigt zu werden, weist Geschäftsführer Löffler die Frage nach der Qualifikation zurück.

Skeptisch macht auch der Pressespiegel. "Alle Artikel der letzten zwei Jahre über Newplan hier darzustellen würde den Rahmen sprengen und Sie vermutlich langweilen", schreibt Newplan. In der Übersicht steht dann zum Beispiel: Bayerischer Rundfunk 6/97 und 1/98. Der Bayerische Rundfunk hat fünf Programme, die täglich viele Stunden über den Äther gehen. Schnell überprüfbar ist die Angabe daher nicht. Auf die Nachfrage reagiert Geschäftsführer Stephan Löchler gereizt. Diese Frage beantworte er nicht.

Daß die Personalvermittler auch zu den Auswahlkriterien für ihre Freiberufler-Börse keine Auskunft geben, verwundert allerdings nicht. Denn die Aufnahme ist einfacher, als man denkt. Da genügt bereits ein kurzes Fachprofil, und schon ist man Mitglied. 1997 klang das noch anders. Bedingung für die Aufnahme sei, so damals der Newplan-Chef, daß die Freelancer wirklich gut sind. Dabei sei neben exzellentem Fachwissen vor allem die persönliche Kompetenz entscheidend.

Doch dafür gibt es ja nun das neue Gütesiegel. Dafür hat der Freiberufler jedoch zunächst einmal einen Pre-Test für 336,40 Mark zu absolvieren. Damit wolle man bestimmte Hauptkriterien abprüfen, deren Nichterfüllung einer möglichen Zertifizierung von vornherein im Wege stehen, erklärt Löchler. "Wir wollen das Ganze sozialverträglich machen", betont er. Außerdem ließe sich an bestimmten Kriterien nichts mehr ändern. Welche das sind, konnte er leider nicht erklären.

Der Fragebogen zur Selbsteinschätzung der "Unternehmer-Persönlichkeit" enthält dann 210 zum Teil recht merkwürdige Fragen. So muß man etwa angeben, wie sehr folgende Aussagen auf die eigene Person zutreffen: "Gegenüber unzufriedenen Kunden lasse ich schon mal eine passende Bemerkung fallen" oder "Bei dem heutigen heftigen Wettbewerb muß ich manchmal auf Seriosität verzichten". Da fragt sich, welcher Jobsuchende so naiv ist, hier ehrlich zu antworten. Rätselhaft sind auch Fragen wie "Mir fallen spontan sechs Länder ein, die zu Amerika gehören" oder "Für mich ist Deutschland der schönste Platz der Welt, und hier möchte ich keinesfalls weg". Sind heimatverbundene Menschen vielleicht weniger sozialkompetent?

Doch solche Fragen sind für Geschäftsführer Löchler nur ein Indiz dafür, daß der Fragende nicht ernsthaft an dem Test interessiert ist. Denn der sei über jeden Zweifel erhaben, wurde er doch von einem Diplompsychologen entwickelt, wie der Münchner mehrfach betont. Doch bestätigen auch dessen Antworten nur die Fragwürdigkeit des Gütesiegels. Denn um aufgrund eines Tests überhaupt sinnvolle Aussagen machen zu können, muß der Test zunächst an einer repräsentativen Stichprobe normiert werden.

Schließlich hat ein Testergebnis allein keine Aussagekraft. So sagt ein IQ-Wert von 130 erst dann etwas aus, wenn man weiß, wie hoch der durchschnittliche Intelligenzquotient ist. "Die Nor- mierung erfolgte anhand des vollen Spektrums der Newplan-Personaldatenbank, in diesem Fall überwiegend Freiberufler", schreibt der Diplompsychologe. Das würde bedeuten, daß sämtliche Mitglieder der Datenbank den Test bereits absolviert haben und ihre Ergebnisse als Vergleichswerte dienen. Doch irgendwie war das wohl anders. "Natürlich haben nicht alle registrierten Freelancer den Test gemacht", erklärt Newplan-Geschäftsführer Löffler. Bisher hätten lediglich 50 Personen den Pre-Test absolviert.

Wer diesen "bestanden" hat, kann am viertägigen Zertifizierungsverfahren teilnehmen. Da werden dann im Schweinsgalopp die verschiedensten Themen abgehandelt. Zweieinhalb Stunden geht es um Stimme, Ausdruck, Argumentationslinie und Kontaktverhalten, eineinhalb Stunden um Zeit-Management und immerhin einen ganzen Tag um Kommunikation. "Die Abnahme der Zertifizierung findet danach an einem separaten Tag statt", heißt es weiter.

Bisher haben acht Teilnehmer das Zertifizierungsverfahren mitgemacht, fünf davon haben ein Zertifikat erhalten, schreibt Newplan-Chef Löffler im März. Doch mit dem Zählen hat man offenbar so seine Probleme. Denn im Dezember hatten angeblich bereits zehn Teilnehmer die Zertifizierung abgeschlossen und sechs das Zertifikat erhalten.

Wer es geschafft hat, dem wird dann "ein hohes Niveau in den Bereichen Sozial-, Gestaltungs- und Handlungskompetenz" bescheinigt. Doch nur für eine bestimmte Zeit. Denn Freecert muß in regelmäßigen Abständen erneuert werden. Offenbar gehen die Newplan-Experten davon aus, daß sich soziale Kompetenzen ähnlich wie die Bremsbeläge im Auto abnützen.