Münchens Linux-Umstieg verzögert sich

13.09.2005
Eine zusätzliche Pilotphase soll die Migration der rund 14 000 PCs absichern.
Auf 35 Millionen Euro schätzt München die Kosten für die Linux-Umstellung.
Auf 35 Millionen Euro schätzt München die Kosten für die Linux-Umstellung.

Wegen einer verlän- gerten Testphase beginnt die Stadt München erst im nächsten Jahr mit der Migration der rund 14 000 Client-Rechner auf Linux. Das bestätigte Projektleiter Peter Hofmann der computerwoche. Die Verzögerungen seien bereits seit Juni bekannt und "überhaupt nichts Neues" relativierte er aktuelle Medienberichte.

Linux-Server im Bundestag

Auch die Linux-Migration der rund 100 Server in der Bundestagsverwaltung verlief nicht reibungslos. Das dazu aufgesetzte Projekt "MigOS" entstand nach einem Beschluss des Ältestenrates im März 2002. Ähnlich wie im Fall München entschieden sich die IT-Verantwortlichen, Rechner unter dem Microsoft-Betriebssystem Windows NT 4.0 auf Linux zu migrieren. Dies galt indes nur für die Server-Infrastruktur. Für die rund 5000 PCs wählte die Verwaltung Windows XP. Ein Großteil der Umstellungsarbeiten solle bereits Mitte 2003 abgeschlossen sein, hieß es zu Beginn des Vorhabens. Problematisch gestaltete sich die Verbindung der Windows-Clients mit den Linux-Servern über den quelloffenen Verzeichnisdienst Open LDAP. Im November 2004 hatten Verwaltungsangestellte und Abgeordnete deshalb zeitweise keinen Zugriff mehr auf Mails und das Internet. Nachdem eine Neukonfiguration fehlgeschlagen war, sah sich die Projektleitung gezwungen, die Server vorübergehend auf Windows zurückzusetzen. Erst mit Hilfe eines externen Experten-Teams gelang es, die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Am 2. September 2005 meldete die Bundestagsverwaltung Vollzug: Mehr als 100 Server seien erfolgreich auf Linux umgestellt worden. (wh)

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www.computerwoche.de/go/

*78900: München und Wien auf Linux-Kurs;

*80029: Linux-Roundtable der CW;

*76825: Microsofts Offensive gegen Linux-Clients.

Im Rahmen des Projekts "Limux" wollten die IT-Verantwortlichen der Stadt ursprünglich bereits im laufenden Jahr die ersten PCs von Windows NT 4 auf Linux und das quelloffene Büropaket "Open Office" umstellen. Die aktuelle Planung sieht nun vor, zunächst in jeder städtischen Abteilung versuchsweise einen PC mit dem Limux-Basis-Client zu installieren. Die Pilotphase dauert deshalb sechs Monate länger. "Wir haben uns entschieden, den Basis-Client nicht nur im Labor, sondern unter realen Bedingungen zu testen", begründet Hofmann das Vorgehen. Am Zeitplan, die Linux-Migration bis Ende 2008 abzuschließen, ändere sich nichts.

Manfred Lubig-Konzett, stellvertretender Limux-Projektleiter, sprach bereits auf dem Karlsruher Linux-Tag am 22. Juni von einer "Pilotierung" im ersten Quartal 2006. Nötig ist die breit angelegte Testphase vor allem wegen der sehr heterogenen IT-Systeme in der Kommune. Lubig-Konzett verwies auf die 17 städtischen Verwaltungsorganisationen mit jeweils eigener IT-Verantwortung. Diese Struktur war entstanden, nachdem die Stadt München im Jahr 1989 die IT-Zuständigkeiten dezentralisierte. Die elf Referate arbeiten heute mit etwa 170 verschiedenen Fachanwendungen. Entsprechend unterschiedlich fallen die Konfigurationen der Arbeitsplatzrechner aus, über die die städtischen Angestellten auf die Server-Anwendungen zugreifen.

In der erweiterten Pilotphase wollen die IT-Verantwortlichen vor allem herausfinden, wie die Client-Software an die Anforderungen in den jeweiligen Abteilungen angepasst werden muss. Erst danach beginnt die eigentliche Umstellung. Einmal mehr spielt dabei Oberbürgermeister Christian Ude den Vorreiter. Seine Abteilung mit rund 250 PCs soll als erste mit dem Linux-Client arbeiten. Eine Beta-Version präsentiert das Limux-Team auf der Münchner IT-Messe Systems vom 24. bis 28. Oktober.

Finanzielle Risiken

Mit den Testinstallationen versucht die Stadtverwaltung nicht zuletzt, die finanziellen Risiken des Projekts einzudämmen. Nach dem Feinkonzept für die Umstellung schätzten die Verantwortlichen die Gesamtkosten auf rund 35 Millionen Euro. Davon entfallen zehn Prozent auf die Anwendungsmigration und 18 Prozent auf die Einführung der neuen Systeme (siehe Grafik: "Projektkosten"). Den Löwenanteil machen mit 38 Prozent Schulungskosten aus. Andreas Zilch, Chef des Consulting-Unternehmens Experton Group, begrüßte das Vorgehen der Stadtverwaltung: "Die Verlängerung der Pilotphase ist konsequent und richtig." Limux berge im Vergleich zu anderen IT-Großprojekten sehr hohe Risiken, die es zu begrenzen gelte. Der ursprüngliche Zeitplan für die Migration sei sehr ambitioniert gewesen. "Wie in vielen anderen IT-Vorhaben gibt es auch bei Limux eine Reihe von Unsicherheiten, die man zu Projektbeginn noch nicht erkennen konnte." (wh)