NSA erlaubt Microsoft den Export von Verschlüsselungsverfahren

MS-Normandy soll Compuserve nun auf Internet-Kurs trimmen

14.06.1996

Mit Normandy stellt Microsoft jetzt eine Entwicklungsplattform bereit, die es erlaubt, Online-Dienste auf Basis von Internet- Technologien aufzubauen. Seine Feuertaufe hat Normandy bereits hinter sich: Es diente der Gates-Company zum Aufbau des eigenen Online-Dienstes Microsoft Network. Die Umgebung basiert auf bekannten Microsoft-Produkten wie dem Windows NT Server.

Mit Compuserve hat Gates jetzt einen ersten Kunden gewonnen, der seine Online-Dienste Compuserve und den Consumer-Service WOW mit Normandy auf Internet-Kurs trimmen will. Darüber hinaus steht der Softwareriese eigenen Angaben zufolge in Verhandlungen mit Kabel- und Telefongesellschaften.

Compuserve erhält vollen Zugang zum Sourcecode von Normandy und will mit Hilfe dieser Technologie verbesserte Dienste anbieten. Zudem soll eine intuitivere Benutzeroberfläche Einzug halten. Des weiteren ist die Verwendung von Technologien wie Microsofts Active X geplant. Eine erste Teilintegration will Compuserve im September vorstellen, die vollständige Realisierung des Projekts ist dann zum Jahresende anvisiert.

Im Zuge der neuen Verbindung mit Microsoft soll der Internet- Browser "Explorer" als primärer Browser mit der dritten Generation des "Compuserve Information Manager" (CIM) ausgeliefert werden. Ein Marketing-Coup, der in Analystenkreisen für Aufmerksamkeit sorgte, da Netscape bisher mit seinem Navigator noch einen Marktanteil von über 80 Prozent hat. Im Gegenzug verpflichtet sich Microsoft dazu, als erste fremde Icons Compuserve und WOW in den Online-Services-Folder seines Betriebssystems Windows 95 aufzunehmen. Die Integration soll bereits im August erfolgen.

Analysten werten Normandy in Verbindung mit anderen Microsoft- Ankündigungen als Zeichen dafür, daß es Gates mit seinen Bemühungen, im Internet-Geschäft eine wichtige Rolle zu spielen, ernst ist. Dafür spricht auch die Vorstellung eines neuen API- Satzes zur Erhöhung der Sicherheit im Internet. Diese "Crypto"- APIs sollen nach den derzeitigen Plänen in die Betriebssysteme, Messaging-Produkte sowie den Internet-Browser des Unternehmens integriert werden.

Gates entwickelt Crypto-APIs

Mit der Entscheidung, Verschlüsselungsverfahren in das Betriebssystem zu integrieren, auf denen dann Applikationen aufbauen, hat Microsoft gute Chancen, den Standard in Sachen Sicherheit zu setzen. Zwar will der Softwaregigant die APIs auch Dritten zur Verfügung stellen, doch deren Anwendungen benötigen eine digitale Signatur der Gates-Company, bevor sie die Krypto- Funktionen der Betriebssysteme nutzen können.

Zusätzlicher Clou an der Sache ist, daß es Microsoft geschafft hat, bei der ansonsten strengen National Security Agency (NSA) eine Exportfreigabe nach Übersee zu erwirken. Bisher fuhr die NSA nämlich einen sehr restriktiven Freigabekurs in Sachen Kryptografie (Netscape darf beispielsweise seinen Browser nur mit einem kürzeren Schlüssel ins Ausland ausliefern).