OS2 zwischen MS-DOS 3.4 und UnixXenix:

MS-DOS-Nachfolger ist nur teure Zwischenlosung

06.05.1988

OS/2 wird von den Marktführern der PC-Welt mit großem Aufwand als Nachfolge-Betriebssystem für MS-DOS propagiert. Mit Eigenschaften wie grafischer Benutzeroberfläche, Multitasking und wesentlich erweitertem adressierbarem Arbeitsspeicher soll es vor allem High-Power-Usern eine Aufstiegsmöglichkeit bieten, Doch OS/2 weist gravierende Schwachstellen auf.

IBM und Microsoft haben als Wachstumspfad für die MS-DOS-Linie das neue PC-Betriebssystem OS/2 angekündigt, das sie auch gleich als neuen "Standard" etablieren wollen. Doch primär die Softwarehäuser und die Anwender müssen entscheiden, ob sie auf dem Weg zum voll Multitasking- und Multiuserfähigen PC-Betriebssystem der neunziger Jahre noch eine kostenintensive Zwischenstation einlegen wollen. Software-gestütztes Multitasking ist auch unter MS-Windows möglich, und allein die Oberwindung der ärgerlichen 640-KB-MS-DOS-Grenze, die nur mit Software-Tricks überschritten werden kann, rechtfertigt eigentlich noch nicht den Riesenaufwand für ein neues Betriebssystem, das schließlich auf dem Weg zum vollwertigen Multiuser-PC der neunziger Jahre doch wiederum nur ein Zwischenstadium sein kann. Wer jedoch ein heute verfügbares PC-Betriebssystem mit Multitasking und Hauptspeicher-Adressierung bis 16 MB und "enger Verwandtschaft" zu MS-DOS benötigt, sollte bei OS/2 gleich auf die Original-Programm-Versionen im Protected Mode setzen, da das alleinige Arbeiten im Kompatibilitäts-Modus nicht sinnvoll ist.

Schaut man sich die MS-DOS-Entwicklung der letzten sieben Jahre im Detail an, wird schnell die logische Entwicklungsrichtung klar: Nutzung der Intel-Prozessor-Serie 8088, 8086, 80286 und 80386 einerseits sowie Erweiterung der Speichermöglichkeiten im Floppy-, Platten- und Hauptspeicherbereich andererseits:

- 1981 war IBM mit dem PC auf dem Markt erschienen, und mit ihm trat MS-DOS von Microsoft - bei IBM in PC-DOS umgetauft - seine Erfolgsserie an: Über acht Millionen Personal Computer nach Industriestandard sind weltweit installiert.

- DOS 1.0: Die erste Version von DOS konnte nur einseitige Disketten mit einer Kapazität von 160 KB bearbeiten. Die meisten damaligen Rechner hatten eine Speicherkapazität von 16 bis 64 KB. Nach und nach wurde diese Version ohne Änderung der Versionsbezeichnung ergänzt.

- DOS 1. 1: Zweiseitige Disketten konnten bearbeitet werden. Die Kapazität stieg sprunghaft auf 320 KB. Ansatzweise wurde auch schon der serielle Drucker am IBM PC unterstützt.

- DOS 2.0: Im März 1983 wurde der IBM PC XT vorgestellt, bei dem MS-DOS erstmals eine 10-MB-Platte unterstützte. Ab dieser Programmversion wurde - angelehnt an das Betriebssystem Xenix - die hierarchische Dateistruktur mit Subdirectories eingeführt. Auch der erste Hintergrund-Druckspooler wurde vorgestellt.

- DOS 2.1: Die Version 2.1 wurde im März 1984 ausschließlich an IBM vergeben. Ab dieser Programmversion werden die länderspezifischen Eigenheiten von DOS unterstützt (Datumsformat etc.). Ferner stieg der unterstützte Hauptspeicher auf (damals) imposante 128 KB. Die größte Verbreitung von DOS fand durch die nur an Kompatible-Hersteller vergebenen Versionen 2.11 statt, die in 60 Sprachen übersetzt wurde.

- DOS 3.0 unterstützt ab August 1984 die 1,2-MB-Laufwerke des IBM AT und dessen größere Festplatten.

- DOS 3.1: DOS war ab November 1984 netzwerkfähig, so daß der PC-Benutzer Zugriff auf Netzwerkdateien, -drucker und -verzeichnisse hatte.

- DOS 3.2: Diese Version brachte ab März 1986 die Unterstützung von 3,5-Zoll-Laufwerken und, wie alle anderen neuen DOS-Versionen auch, einige neue Kommandos.

- DOS 3.3 ist die neueste erweiterte Version von DOS 3. 1. Es unterstützt sowohl die IBM PCs als auch das neue Personal System /2. Verbessert wurde vor allem der schnelle Zugriff auf Dateien mit dem neuen Befehl FASTOPEN, der Cache-Unterstützung für Dateinamen bietet. Besonders beim Arbeiten mit verschachtelten Unterverzeichnissen kommt man schneller an abgespeicherte Informationen. Ferner unterstützt DOS 3.3 die Verwaltung von Festplatten über 32 MB durch eine interne Unterteilung in mehrere logische Laufwerke. Die Neuerungen im Datenspeicherungsbereich sollen bei der Ein- und Ausgabe von Dateien eine Leistungssteigerung bis zu 15 Prozent ermöglichen. Zudem hat sich der residente Speicherbedarf von 44 KB (DOS 3.2) auf 42 KB (Basis-DOS 3.3) reduziert.

- Obwohl die Version 3.3 noch nicht in großen Stückzahlen ausgeliefert ist, spricht man dennoch schon von DOS 3.4: Neue grafische Benutzeroberfläche, angelehnt an den Presentation Manager bei OS/2, Unterstützung von Festplatten bis 200 MB sowie Hilfsprogramme für Speichererweitungen über 640 KB hinaus sollen die wichtigsten Punkte dabei sein. Besonders unter dem Hauptspeicher-Aspekt war MS-DOS in der Vergangenheit heftig kritisiert worden, weil es nicht ohne softwaretechnische Klimmzüge mehr als 640 KB Arbeitsspeicher verwalten oder gar Multitasking-/Multiuser-Betrieb realisieren kann. Erst als von Anwendern lautstark die Überschreitung dieser Limits gefordert wurde, begann IBM mit der Entwicklung der neuen PS/2-PCs und beauftragte Microsoft mit der Entwicklung des neuen Betriebssystems OS/2.

Vergleicht man einmal die Liste der einzelnen Kommandos von MS-DOS und OS/2, so kommt man zu einer erstaunlich hohen Deckung: Zirka zwei Drittel laufen unverändert, ein knappes Drittel ist in seinen Parametern leicht modifiziert und nur drei Kommandos laufen ausschließlich im OS/2-Original-Modus. Hier wird die nahe Verwandtschaft mit MS-DOS überdeutlich - zusammen mit den beschriebenen Eigenschaften der Version 3.4 und dem Software-Multitasking von Windows hätte OS/2 eigentlich auch MS-DOS 3.5 heißen können. Doch die Marketing-Profis von IBM haben sich hier wohl statt eines unspektakulären Release-Wechsels für die umsatzträchtigere Strategie eines "neuen" Betriebssystem-Standards entschieden.

An "echten" OS/2-Programmen herrscht noch großer Mangel

Bis auf Hersteller-individuelle Treiber und Hardware-Anpassungen wurde das Betriebssystem OS/2 ausschließlich von Microsoft entwickelt. Wenn man sich die Marktmacht des Hauptauftraggebers IBM vor Augen hält, mußte das zunächst verwundern, zumal Microsoft die Entwicklungsarbeit nicht exklusiv für IBM betrieb. Die hat zwar inzwischen ihr als Standard-Betriebssystem für Single-User-PCs geplantes OS/2 - nur haben oder bekommen alle diejenigen Hersteller, die auch Systeme mit den Intel-Prozessoren 80286/80386 entwickeln, das gleiche Betriebssystem. So wurde OS/2 schon auf 80386-Rechnern von Compaq entwickelt, und mittlerweile bieten beispielsweise Zenith, Toshiba und weitere Clone-Hersteller OS/2 an. Sollte IBM wie schon damals beim Übergang von CP/M auf MS-DOS geplant haben, das Betriebssystem-Geschehen für PCs mit einem eigenen Standard zu beherrschen, so droht auch hier ein massiver Kompatiblen-Einbruch. Einzige - allerdings für Betriebssystem-Spezialisten leicht zu überwindende - Hürde ist die Treiber-Anpassung: War es unter MS-DOS noch weit verbreitet, direkt Hardware-Funktionen zu benutzen, so verfolgt OS/2 ein anderes Konzept: Sämtliche Systemaufrufe gehen direkt an den Hardwaretreiber des OS/2. Jeder Hersteller, der dieses System auf seinem PC anbieten möchte, muß also nicht wie gewohnt ein IBM-kompatibles BIOS einbauen, sondern den hardwareabhängigen Teil des OS/2 ergänzen.

Gewinner beim Standard-Gerangel auf dem PC-Markt ist und bleibt auf jeden Fall Microsoft, das "nebenbei" auch noch seine betriebssystemnahe grafische Benutzeroberfläche Windows - in den Versionen 2.0 und /386 für MS-DOS sowie als Presentation Manager für OS/2 - mit Hilfe der PC-Hersteller gegen leistungsfähigere Konkurrenz wie GEM am Markt durchdrücken konnte.

So ist für Microsoft-Chef Bill Gates, der auch mit kräftigen Marketing-Sprüchen nicht geizt, "Windows/386 die ultimative MS-DOS-Oberfläche" da keine neuen Software-Schnittstellen geschaffen wurden, sondern unter der grafischen Oberfläche die Original-MS-DOS-Programme ohne Änderungen im Multitasking laufen. Dennoch ist Windows nicht annähernd mit OS/2 zu vergleichen: Unter Windows läuft der Datenaustausch zwischen verschiedenen Anwendungen nur über den Zwischenspeicher, das "Clip-board". Nur spezielle Windows-Anwendungen, die auf dem 80386 alle in einem "virtuellen PC" laufen, können das "Windows-Message-System" für den Datenaustausch nutzen. Aus diesem Grund gibt es unter Window/386 übrigens auch keinerlei Schwierigkeiten mit speicherresidenter Software.

OS/2 dagegen wird von Microsoft als Gelegenheit gesehen, "die nächste Software-Generation zu schaffen" und sei deswegen "langfristig viel wichtiger als Windows/386". Hervorgehoben bei OS/2 werden von Microsoft besonders das "echte" Multitasking, die Möglichkeit per API-Anwendungsprogramm-Schnittstelle den Datenaustausch zwischen verschiedenen Programmen sowie den Durchbruch bei der bisherigen Hauptspeicher-Restriktion von 640 KB zu realisieren. OS/2-Anwendungen können direkt bis zu 16 MB Hauptspeicher adressieren.

Im Hintertreffen ist Microsoft allerdings, genau wie alle anderen Software-Anbieter bei originaler OS/2-Standardsoftware: Man brachte jetzt erst Protected-Mode-Versionen ihrer Programmiersprachen auf den Markt, die bisher nur Softwarehäusern im Rahmen des "System-Development-Kit" SDK zur Verfügung standen. Erst im Laufe des Jahres 1988 sollten einige Standard-Applikationen für den Protected Mode angekündigt werden. Bis jetzt sind von Microsoft - und das verwundert beim OS/2-Entwickler um so mehr nur Anwendungs-Programme verfügbar, die in der Kompatibilitätsbox von MS-OS/2 ablauffähig sind.

IBM versucht, sich mit OS/2-Extended Edition abzusetzen

Am 2. April 1987 kündigte IBM das Personal System PS/2 mit dem Betriebssystem BS/2 an, was zunächst zumindest sprachlich zu Verwirrungen führte und Diskussionen über die Kompatibilität verursachte: MS-OS/2 ist in der Grundversion identisch mit dem IBM-BS/2; lediglich die Hardwaretreiber unterscheiden sich, Die zwar "funktionale", aber eben nicht hundertprozentige Deckung zwischen MS-OS/2 und IBMs Portierung liegt im wesentlichen an folgenden Unterschieden:

- Der Text "IBM" beziehungsweise "Microsoft" oder "MS" im Betriebssystemcode,

- IBMs eigenes Installationsprogramm und

- optionale Funktionen in MS-OS/2 Dual-Boot-Routine, andere Umschaltung zwischen Real- und Protected-Mode der CPU, anderer Laufwerktreiber mit Cache und Fdisk-Hilfsprogramm).

Erst mit der Extended Edition" von OS/2 werden die Unterschiede größer, da ein sogenannter Kommunikations- und Datenbank-Manager hinzugefügt wird. Damit wird IBM-OS/2 enger auf die eigenen Systeme und besonders auf das eigenen SAA-Konzept abgestimmt, denn diese Version wird es nur für IBM-Produkte geben. Dabei soll jedoch die Programm-Kompatibilität zum Standard-OS/2 gewahrt bleiben. Obwohl OS/2 in der Extended Edition 1. 1 erst im Dezember 1988 ausgeliefert wird, steht sein Preis schon fest: Zusammen mit dem Kommunikations-, dem Datenbank- und dem Presentation Manager wird es 1610 Mark kosten.

IBM sieht die OS/2-Vorteile neben der 16-MB-Adressierung und dem Multitasking auch bei größeren Dateien: So soll OS/2 in allen Varianten Dateien und Festplatten-Partitionen von mehr als 32 MB verwalten können. Positiv seien auch die Advanced-Peer-to-Peer-Communications (APPC) Eigenschaften des Datenbankmanagers zu bewerten. APPC sei als die prinzipielle SAA-Programmierschnittstelle anzusehen und bilde die Basis für intelligenten Datentransfer in verteilten Applikationen. Mit der Extended Edition werde außerdem eine Möglichkeit geboten, DOS-Dateien im Lotus-, Symphony- und Dbase-Format zu im- und zu exportieren. Mit weiteren Hilfsprogrammen könnten Dbase-Dateien in relationale Datenbankformate umgewandelt werden; auch umgekehrt sei eine Konvertierung möglich.

OS/2-Vorteile: Speicherkonzept und Multitasking

Wichtigste Neuerungen gegenüber MS-DOS sind die erweiterte Verwaltung von realem Hauptspeicher bis 16 MB, von virtuellem Adreßraum bis 1 GB sowie die Möglichkeit des Multitasking. Nur die Ausnutzung dieser wesentlichen Erweiterungen rechtfertigt Oberhaupt den großen finanziellen und zeitlichen Aufwand, der mit einem neuen Betriebssystem verbunden ist.

Der Intel-Prozessor 80286 bildet das eigentliche OS/2-Fundament: Die maximale Größe des realen Speicherraums beträgt durch den 24 Bit breiten Adreßbus des Prozessors 16 MB (= 224 Byte) - auf einem IBM AT zum Beispiel lassen sich jedoch maximal 8 MB Hauptspeicher adressieren. OS/2 unterstützt, nun den gesamten vorhandenen Hauptspeicher bis zur 16-MB-Grenze im sogenannten "Protected Mode" des 80286. Damit sind beispielsweise Speicherverwaltungsroutinen für die Überwindung der 640-KB-DOS-Grenze wie EMS von Intel/Lotus überflüssig geworden. Darüber hinaus steht jeder Anwendung bei OS/2 ein virtueller Adreßraum von bis zu einem GB zur Verfügung - die Umsetzung der virtuellen in physikalische Adressen wird mit Hilfe von Tabellen und Segment-Registern realisiert. Diese auch Memory-Swapping genannte Funktion ist für den Fall gedacht, wenn alle im Speicher residenten Anwendungs-Programme den vorhandenen realen Arbeitsspeicher überschreiten. OS/2 lagert dann Teile des physikalischen Hauptspeichers auf die Festplatte aus und überträgt sie bei Bedarf zurück. Hier liegt ein entscheidender Vorteil von OS/2 gegenüber MS-DOS: Der Anwender braucht sich nicht mehr den Kopf zerbrechen, ob sein Programm in den starren 640-KB-Rahmen paßt oder wie sein Programm segmentiert werden muß. Vorsicht ist allerdings bei intensivem Swapping angebracht, wie es als Problem bei Großrechner-Betriebssystemen ja hinreichend bekannt ist: Zu häufiges Ein- und Auslagern von Hauptspeicherdaten bedingt intensive Plattenzugriffe und drückt erheblich auf die Gesamt-Performance des Systems.

Das virtuelle Speicherkonzept bildet gleichzeitig auch die Grundlage für den zweiten Schwerpunkt von OS/2 - den Multitasking-Betrieb. Wichtigstes Element dafür ist ein prioritätengesteuertes Zeitscheibenkonzept, das durch einen integrierten Scheduler/Dispatcher realisiert wird. Verschiedene Objekttypen (Tasks) wie Threads, Prozesse und Bildschirmgruppen bekommen hierbei "scheibchenweise" Rechenzeit zugewiesen, wodurch beim Benutzer der Eindruck eines tatsächlichen Multitasking-Betriebs entsteht. Der OS/2-Session-Manager ermöglicht dem Benutzer, Anwendungen gleichzeitig zu starten und zwischen ihnen beliebig hin und her zu schalten.

Zunächst überwiegen einfache Portierungen

Um eine zumindest weitgehende Kompatibilität zu den vielen existierenden MS-DOS-Anwendungen zu, erhalten, wurde im OS/2 ein sogenannter "Compatibility-Mode" geschaffen, der im Real-Mode des Intel-Prozessors 80286 abgewickelt wird und unter dem - so jedenfalls IBM und Microsoft - "nahezu alle bisherigen MS-DOS-Programme" laufen sollen. Vermutlich nur fünf Prozent der Anwenderprogramme seien anzupassen, wird da Zweckoptimismus verbreitet, wobei mit dieser Zahl nur die Programme gemeint sind, die nicht-dokumentierte Dienste unter MS-DOS in Anspruch, nehmen, die OS/2 meistens nicht mehr kennt.

Viel wichtiger ist bei Kompatibilitäts-Überlegungen allerdings, daß die meisten alten Device-Treiber auch im Compatibility-Mode nicht mehr laufen, weil OS/2 keine Block-Device-Treiber unterstützt, wie sie in MS-DOS zum Beispiel mit Disketten- und Bandlaufwerken verwendet werden: Das bedeutet de facto, daß eben doch eine große Anzahl von MS-DOS-Programmen - wenn auch geringfügig - im Device-Treiber-Bereich geändert werden muß. Von echter Kompatibilität kann man dann eigentlich nicht mehr reden.

Angesichts des dennoch wesentlich geringeren Programmier-Aufwandes für "kompatible" Programme gegenüber "Original"-OS/2-Programmen dominieren jetzt und auch noch in absehbarer Zukunft einfache Portierungen von DOS-Paketen - es müsse eine gewisse "Fein-Schnittstelle anzupassen, wie IBM es den mißtrauischen Kunden dezent beizubringen versucht.

"Wir mußten die komplette Software konvertieren" , berichten genervte Softwarehäuser. Vorteilhaft seien nur C-Programme, weil mit dieser Sprache Quellcode für DOS und für OS/2 leichter portiert werden kann. Grafikanwendungen seien dagegen mit Grauraster-Hintergrund unter OS/2 nicht so einfach zu realisieren wie auf dem Macintosh. Kurzfristig müßten die Anwendungsentwickler "noch einiges bei OS/2 dazulernen". Vor allem bei der neuen Speicherverwaltung gebe es noch viele bisher unbekannte Optimierungsmöglichkeiten. So können viele Softwarehäuser ihre Produktreihen erst langfristig mit dem OS/2-typischen Merkmal der virtuellen Speicherverwaltung ausstatten. Die "Extended Edition" von OS/2 kann so mit Sicherheit erst dann der angestrebte neue Marktstandard für PC-Betriebssysteme werden, wenn die Version 1. 1 mit dem Presentation Manager mindestens ein Jahr lang im Markt ist.

OS/2-Apfel fällt nicht weit vom UNIX-Baum

Sind OS/2-Befürworter der Meinung, daß dem PC-Anwender durch das neue Multitasking "enorme Vorteile" entstehen, so betrachten nicht nur überzeugte Unix-Verfechter OS/2 als "totgeborenes Kind". DOS-Programme mühselig auf eine doch nur wieder als Zwischenlösung anzusehende Betriebssystem-Lösung umzustellen, sei eine überflüssige "Investition". Tatsächlich wird die Argumentation gegenüber einem echten Multiuser- und Multitasking-Betriebssystem wie Unix/Xenix, das auch auf PCs läuft und mittlerweile mit X/Windows ebenfalls über eine grafische Benutzeroberfläche verfügt, immer schwächer. So zweifeln auch renommierte Softwarehäuser und große PC-Anwender am Sinn und langfristigen Nutzen von OS/2. Zumindest die ausschließliche Nutzung von OS/2 im Kompatibilitäts-Modus wird in der Branche - auch bei kurzer übergangsweiser Anwendung - als "sinnloser Weg, den man sich schenken kann" angesehen. Dazu kommt, daß echte OS/2-Anwendungen so ressourcenaufwendig geraten, daß auch gleich zu einem richtigen Mehrplatz-System übergegangen werden kann.

So waren selbst in MS-DOS bereits einige kleinere Unix-Konzepte in der Benutzeroberfläche integriert: Ausgaben auf den Bildschirm konnten zum Beispiel mit dem Zeichen , " > " umgeleitet werden. Weitere Unix-Details wurden auch in OS/2 verwirklicht: Ein- und Ausgaben können nicht nur umgeleitet, sondern auch über Filterprogramme modifiziert werden. Der Befehlsaufbau ähnelt stark entsprechenden Unix-Zeichen. Nicht umsonst spricht man bei Microsoft über OS/2 vom "Sohn aus MS-DOS und Unix". Dennoch wird dort weiterhin stark auf die Xenix-Linie gesetzt. Besonders für Multiuser-Aufgaben wird Microsoft weiterhin Xenix anbieten und will sogar eine neue Version des SCO-Xenix-Betriebssystems zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen.

Die Umrüstung auf OS/2 wird kostspielig

Besonders fragwürdig wird die OS/2-Entwicklung im Unix-Umfeld angesichts neuer Meldungen aus Amerika: Dort wurde bekannt, daß IBM als Teil einer neuen Workstation-Strategie eine Multiuser-fähige OS/2-Version für High-End-PS/2 und die 6150 (RT PC) plant. Damit tritt OS/2 in direkte Konkurrenz zu IBMs Unix-Derivat AIX, dem bisher einzigen Multiuser-Betriebssystem des Marktführers für PCs. Laut William Lowe, President von IBMs Entry Systems Division, ist eine AIX-Ablösung jedoch nicht geplant, sondern eher das Gegenteil: Wegen der steigenden Kunden-Nachfrage werde Unix zunehmende Bedeutung für IBMs Arbeitsplatzrechner RT PC und Mikrokanal-PS/2 gewinnen.

Grundvoraussetzungen für den OS/2-Betrieb sind 80286/80386-Prozessoren und entsprechend große Hauptspeicher: Als um sind für das Standard-OS/2 1,5 UM anzusehen; bei Einsatz von OS/2 und DOS-Anwendungen im Kompatibilitäts-Modus müssen sogar 2 MB vorhanden sein, Geringere Ausstattungen sind zwar theoretisch möglich, sind aber nicht zu empfehlen und auch kaum praktikabel. Das Betriebssystem selber beansprucht zwar "nur" etwa 550 KB Hauptspeicher, doch das Arbeiten mit der "Compatibility-Box" benötigt dann eben doch mehr Hauptspeicher, und ein sinnvolles Arbeiten im Multitasking mit entsprechend großen Programmen erfordert unbedingt die genannten Hauptspeichergrößen.

Um schließlich OS/2 Version 1.1 mit dem Presentation Manager sinnvoll nutzen zu können, muß das PC-System zusätzlich mit EGA- oder VGA-Karte, großer Festplatte und Maus ausgestattet werden, denn die Extended Edition wird immerhin auf 15 Disketten geliefert und beansprucht neben mindestens 3 MB RAM wenigstens 15 MB eigene Plattenkapazität.

OS/2 bedeutet also für den Anwender, nicht nur eigene Anwendungen umzuschreiben, fremde Standardprogramme upzudaten und einige MB des PC-Datenbestandes zu konvertieren - hier stellt sich zumindest bei größeren PC-Installationen die Kostenfrage: Die Einzelkosten für Hardware-Erweiterungen, für das Betriebssystem und für Software-Upgrades sowie für die neuen Schulungen der Benutzer schlagen in der Summe gravierend zu Buche.

Der Nutzen von OS/2 bleibt zunächst fragwürdig

Alles in allem macht dies schnell einige tausend, Mark Mehraufwand pro PC aus. In vielen großen Firmen müssen aber Hunderte PCs erweitert, zigfach Anwendungen umgestellt und die Benutzer neu geschult werden. So wundert es nicht, wenn viele IS-Manager angesichts des zur Zeit noch äußerst fragwürdigen Nutzens den Wechsel zu OS/2 um ein bis zwei Jahre verschieben.

Die echten Leistungsbeweise stehen noch aus

Neben dem Kostenaspekt gibt es auch noch eine Reihe von Fragezeichen im Durchsatz-Bereich: OS/2 fährt MS-DOS nicht im Native-Code, sondern emuliert es - das bringt aber wie bei allen Emulationen Geschwindigkeitsverluste. Bei einem Test stellte sich ein Standard-AT mit 8 Mhz im Real-Mode von OS/2 als um einiges langsamer als unter MS-DOS heraus. Besonders bei Videoausgaben waren die OS/2-Werte erheblich schlechter. Bei einem in den USA durchgeführten Geschwindigkeitsvergleich zwischen OS/2 und Xenix 5.2 auf einem 386-PC erwies sich OS/2 um bis zu siebenmal langsamer. Trotz des prompt folgenden Protestes von IBM und Microsoft fehlen letztlich noch die Leistungsbeweise für ihr OS/2.

*Dipl.-Inf. Udo Kellerbach ist freier EDV-Berater und EDV-Fachredakteur in Bergisch Gladbach.

OS/2-Versionen: Verfügbarkeit und Funktionen

Standard Edition Version 1.0 zusätzlich (lieferbar ab Januar 1988)

- Multitasking

-16 MB Arbeitsspeicher adressierbar

- Dateien und Partitionen bis zu 32 MB

Standard Edition Version 1.1 zusätzlich (lieferbar ab November 1988)

- Dateien und Partitionen größer als 32 MB

- System-Editor

- Presentation Manager

- Grafik und Fensterfunktionen

Extended Edition Version 1.0 zusätzlich zu Standard Edition 1.0 (lieferbar ab August 1988)

- Datenbank-Manager

- Kommunikations-Manager

Extended Edition Version 1.1 zusätzlich zur Standard Edition 1.0 (lieferbar ab Dezember 1988)

- Dateien und Partitionen größer als 32 MB

- System-Editor

- Presentation Manager

- Grafik und Fensterfunktionen

- Datenbank-Manager

- Kommunikations-Manager

Quelle IBM