Steven Sinofsky

"Mr. Windows" ist raus bei Microsoft

13.11.2012
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Windows ist das wichtigste Produkt von Microsoft und Steven Sinofsky war als Bereichs-Chef eine zentrale Figur für die Zukunft des Software-Riesen.
build 2012: Steven Sinofsky lauscht (vermutlich noch nichtsahnend) seiner Nachfolgerin Julie Larson-Green.
build 2012: Steven Sinofsky lauscht (vermutlich noch nichtsahnend) seiner Nachfolgerin Julie Larson-Green.

Überraschender Wechsel in der Microsoft-Chefetage: Nur wenige Wochen nach dem Start des neuen Betriebssystems Windows 8 verlässt der zuständige Manager Steven Sinofsky nach 23 Jahren den Software-Konzern. Nachfolgerin an der Spitze des Windows-Bereichs wird Julie Larson-Green, wie Microsoft in der Nacht zum Dienstag mitteilte. Die Software-Entwicklerin war unter anderem für das neue Design des Windows-Betriebssystems mit den großen Kacheln auf dem Startbildschirm verantwortlich.

Sinofsky galt jedoch als Chefarchitekt der neuen Version von Microsofts wichtigstem Produkt. Einem Bericht der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge gab es allerdings Probleme in seinem Verhältnis zu anderen Managern, inklusive Konzernchef Steve Ballmer. Der Microsoft-Chef wolle die nächste Version mit einem erneuerten Team angehen, hieß es. Zudem wird die Verantwortlichkeit aufgeteilt: Finanz- und Marketingchefin Tami Reller kümmert sich künftig auch um die geschäftliche Seite von Windows, während Larson-Green für Software und Hardware zuständig ist. Windows 8 soll für Microsoft zu einem großen Neuanfang werden. Die Software läuft in ähnlicher Form auf klassischen PCs, Tablets und Smartphones. Damit will Microsoft gegen die Schwäche bei mobilen Geräten ankämpfen.

Steven Sinofsky war 1989 als Software-Entwickler zu Microsoft gekommen, nachdem er zuvor seinen Informatik-Master an der University of Massachusetts at Amherst gemacht hatte. Er zog dann die Aufmersamkeit von Microsoft-Mitgründer Bill Gates auf sich, der ihn als "technischen Assistenten" mit der Erforschung vielversprechender neuer Techniken betraute. Sinofsky war dann unter anderem daran beteiligt, dass Gates Microsoft in Richtung Internet pushte. Später nach seinem Aufstieg in die Produktentwicklung war Steven Sinofsky an der Markteinführung von vier Office-Generationen beteiligt, bevor er 2006 das Windows-Engineering übernahm und in der neuen Funktion dafür sorgte, dass die Microsoft-Kundschaft das Debakel mit "Windows Vista" so schnell wie möglich wieder vergaß.

Nachdem Sinofsky nach Windows 7 jetzt bereits das zweite Major Release des Microsoft-Betriebssystems verantwortet hatte, wurde der 47-jährige Manager in Medien zuletzt immer wieder als "Kronprinz" für die Nachfolge von Konzernchef Steve Ballmer gehandelt (beiden Managern kürzte der Microsoft-Verwaltungsrat übrigens aufgrund des unerwartet schlechten Windows-Geschäfts, des Ärgers mit der EU-Kommission wegen der "vergessenen" Browser-Auswahl und dem bislang bescheidenen Erfolg im Smartphone-Business unlängst die Boni).

Intern lagen Sinofsky und Ballmer dem Vernehmen nach aber eher im Clinch. Der Hauptgrund war offenbar Sinofskys mangelnde Fähigkeit (oder mangelnder Wille), innerhalb des Konzerns mit anderen Bereichen zusammenzuarbeiten, wie Jay Greene für den Branchendienst "Cnet" berichtet. Der Windows-Chef hatte demnach über die Jahre eine regelrecht "giftige Umgebung" aufgebaut, die beispielsweise eine engere Zusammenarbeit der Windows-Sparte mit den Kollegen aus dem Bereich Windows Phone verhinderte. "Das war eine Silo-Perspektive", wird der seit 21 Jahren für Microsoft tätige Entwickler Charlie Kindel zitiert. "Eine Wir-gegen-die-Sicht."

Einst gehörten miteinander wetteifernde Sparten zur Microsoft-Kultur - im Consumer-Markt kann Microsoft damit heute aber nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Und mit dem neuen "vereinheitlichten" Ansatz von Windows 8 auf Smartphones über Tablets und PCs bis hoch zu Servern war Sinofskys Abgang aus Sicht von Greene eigentlich nur noch eine Frage der Zeit (und ist durchaus vergleichbar mit dem Rausschmiss von iOS-Chef Scott Forstall, der sich bei Apple wohl ähnlich gebärdete). Das Technikblog "The Verge" schreibt unter Berufung auf Insider, dass es wohl in der Microsoft-Führungsetage nicht viele Kollegen gebe, die Sinofsky nachtrauerten - trotz dessen anerkannter Qualitäten, neue komplexe Produkte sauber und im Terminplan auf die sprichwörtliche Straße zu bringen.

Was Steve Ballmer will, macht der Microsoft-CEO jedenfalls in den letzten Sätzen klar, mit denen er in der offiziellen Microsoft-Mitteilung zum Management-Umbau zitiert wird. "Um weiterhin erfolgreich zu sein, müssen wir zwingend unsere Ausrichtung über alle Microsoft-Teams hinweg weiter vorantreiben und für unsere Angebote stärker integrierte und schnellere Entwicklungszyklen haben." In dieses neue Bild von Microsoft passte ein Steven Sinofsky wohl nicht mehr so recht hinein.

Laut "Wall Street Journal" werfen Kritiker Sinofsky neben rauem Umgang mit diversen Mitarbeitern und Management-Kollegen auch vor, dass er sich nur auf einen engen Kreis von Vertrauten in seinem "Inner Circle" verließ und nie Beziehungen zu wichtigen Microsoft-Partnern beispielsweise unter den Hardware-OEMs aufbaute. "Er war bekannt dafür, dass er Entscheidungen traf, die innerhalb von Microsoft umstritten waren", zitiert das Blatt den IDC-Analysten Al Hilwa. "Einige davon waren nötig. Andere waren aber wohl auch unnötig."

Ein sehr ausführliches Porträt von Steven Sinofsky hatte "Business Insider" im Februar dieses Jahres veröffentlicht. Anlässlich seiner Demission haben die Kollegen es auf ihrer Webseite erneut hochgezogen, weil sie es nach wie vor sehr lesenswert finden. (mit dpa)