MPs verändern Landschaft

26.03.1976

4 K-Speicher auf einem LSI-Chip von etwa 6 Millimeter Seitenlänge - das entspricht 14000 Transistorfunktionen. Kaum sind die 4 K-Chips da, kommen Intel und Texas Instruments mit 16 K-Chips, und 64 K-Chips werden bereits entwickelt.

Der Halbleiter-Markt - laut Business Week "die wohl bedeutendste Industrie der heutigen Welt" - wird 1980 weltweit vermutlich 7 Milliarden Dollar Umsatz machen. Gigantische Zahlen.

Auf Mikroprozessoren (1971 erstmals vorgestellt, heutiger Weltmarkt: 50 Millionen Dollar) werden in knapp 5 Jahren davon 500 Millionen bis 1 Milliarde entfallen - mehr als 50 Prozent Wachstum per annum. Nach Mikroprozessoren in bipolarer und MOS-Technik in den verschiedensten Entwicklungsstufen (PMOS, CHOS, NMOS) kommt jetzt " Integrated Injection Logic" oder "I squared L" oder 12L, die die Vorteile der bipolaren Schnelligkeit mit den MOS-Vorteilen hoher Packungsdichte und billiger Produktion vereint. 8Bit-Mikroprozessoren werden 1980 vermutlich nur noch etwa 30 Mark kosten.

Computer on a Chip für jedermann

Künftige Anwendungen, die jedermann tangieren: Computer on a Chip in Waschmaschinen, Elektroherden, Kraftfahrzeugen, Glücksspielautomaten, Video-Geschicklichkeitsspielen, Unterhaltungselektronik-Steuerungen, automatisierten Schreibmaschinen, rechnenden Waagen, Benzin-Zapfsäulen, Registrierkassen, in der Betriebsdatenerfassung.

Sind wir überhaupt darauf vorbereitet? 1980 ist nicht mehr fern. Nach Siemens-Schätzungen wird sich der Mikroprozessor-Markt in der Bundesrepublik von 17 Millionen Mark im Jahre 1976 auf 665 Millionen Mark im Jahre 1980 gar schneller als in den USA entwickeln. Immerhin zehn Prozent werden davon zusammen auf die Konsum- und Unterhaltungs-Elektronik entfallen. Etwa 40 Prozent der Systeme dürften in der Datenverarbeitung eingesetzt werden, jeweils 20 Prozent in der Nachrichtentechnik und in der Meß-, Steuer- und Regeltechnik (CW-Nummer 8 vom 20. Februar 1976, "Siemens will den europäischen Mikro-Markt erobern"). Übrigens setzt Siemens nicht auf eigene Entwicklung, sondern auf Zusammenarbeit mit dem MP-Pionier Intel auf Santa Clara in "Silicon Valley" im Herzen Kaliforniens.

Alles Hexenkunst?

General Motors schätzt, daß 1985 in jedem Auto Elektronik, vornehmlich Mikroprozessor-Systeme, im Werte von durchschnittlich 100 Dollar installiert sein werden.

Kein Zweifel, diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Nochmals gefragt: Sind wir überhaupt darauf vorbereitet?

Heute kann man immer noch in diesem Lande Diplom-Kaufmann werden, ohne zu wissen, was eine Programmiersprache ist, geschweige denn, eine zu beherschen.

In einigen Bundesländern gibt es Informatik-Unterricht an den Gymnasien - und sonst gar nichts.

Welcher Hauptschul-Absolvent weiß heute, was binäres Rechnen und logisches Verknüpfen ist. System-Denken wäre erforderlich, um die Zusammenhänge künftig so wichtiger Alltags-Erscheinungen zu verstehen.

Die Entmystifizierung des Computers ist höchstens in Management-Kreisen abgeschlossen - ansonsten bleibt alles weiterhin Hexenkunst. Das dürfte sich künftig eher verschlimmern.