Neue Betriebssystemfamilie für Dietz-Minis und -Prozeßrechner?

MPOS, RTOS, TSOS und TROS für alle Betriebsarten

11.07.1975

HOHENHEIM - Eine neue Betriebssystemfamilie unter dem Namen XOS stellt die sich mit eigenwilligen Konzeptionen in der Minicomputer-Entwicklung profilierende Firma DIETZ, Mühlheim, in der Universität Hohenheim vor. Das X in der Betriebssystembezeichnung steht für die verschiedenen Betriebsarten. So gibt es MPOS für Multiprogramming, ein RTOS für Realzeit, ein TSOS für Timesharing, und TROS für Timesharing-Realtime.

MPOS und RTOS eignen sich insbesondere für den Echtzeit- beziehungsweise Prozeßbetrieb. Dagegen erlaubt TSOS den Aufbau von Timesharing-Systemen mit vielen Terminals für den Einsatz im Bereich der Ausbildung oder für kommerzielle Aufgaben.

Die einzelnen Glieder der XOS-Familie sind aufwärts kompatibel vom MPOS bis zum TROS.

Unterschiedliche Verwaltungsstrategie

Timesharing- und Multiprogramming-Betriebssysteme unterscheiden sich durch die Task-Verwaltungsstrategie. Bei Multiprogramming läuft ein Prozeß stets bis zum Ende. Es sei denn, er wird von einem Prozeß höherer Priorität unterbrochen. Bei Timesharing wird der gerade laufende Prozeß nach Ablauf seiner Zeitscheibe abgebrochen und der nächste wird aktiv.

16 Ebenen

Kennzeichnend für die Dietz-Rechner ist die mit 16 Ebenen arbeitende Unterbrechungsstruktur (Großrechner drei oder vier Ebenen). Das ist Voraussetzung dafür, daß die Umschaltzeiten zwischen zwei und zehn Mikrosekunden liegen und bei dem residenten Timesharingsystem nicht mehr als ein Prozent der Gesamtzeit ausmachen. Da auf jede Unterbrechungsebene 128 Register zu acht Bit zur Verfügung stehen, entfällt das Retten der Registerstände, das bei rein softwaremäßig realisierten Timesharing-Betriebssystemen sehr viel Zeit und Platz in Anspruch nimmt. Dementsprechend ist es nicht überraschend, daß das sowohl für Timesharing als auch für Realzeitaufgaben geeignete TROS für beispielsweise zwölf Benutzer, die je 8 Kilobyte zur Verfügung haben, nur 112 Kilobyte Hauptspeicher benötigt.

Dateibeschreibung vom Terminal aus

Vorgesehen ist ein komfortables Datei-Ein/Ausgabe-System mit Zugriffen über invertierte Dateien und Verkettung. Dabei ist interessant, daß die von Datenbanksystemen her bekannte Dateibeschreibung mit Hilfe einer Dateibeschreibungssprache von einem Terminal aus realisiert werden kann. Diese Sprache ist einfach als Erweiterung der jeweils benutzten Programmiersprache zu sehen. Das heißt, es ist nicht notwendig, aus dem Programmentwicklungsdialog herauszuspringen, die Datei zu generieren, um dann anschließend das Programm wieder aufzurufen und weiter zu entwickeln.

Fünf Sprachen

Der Benutzer kann in einer Vielzahl von Programmiersprachen arbeiten:

- MARS (Macroessembler)

- Fortran IV (Compiler)

- Basic (Interpreter/Compiler)

- C-Basic (Interpreter/Compiler)

- Basex (Interpreter/Compiler)

Die Implementierung von Pearl ist vorgesehen. Der Benutzer kann auf dem gleichen System von einer zur anderen Sprache übergehen, wobei Datenstrukturen und Dialogsprache des Systems voll erhalten bleiben.

Ein Anwender: "Bestechende Dialogfreundlichkeit"

Zu den Einsatzmöglichkeiten und der Leistungsfähigkeit befragte CW-Redakteur C. Heitz Dr. Ludwig Weigel und Helmut Wolfseher von den Wieland Werken in Ulm. Dr. Weigel: Ich muß vielleicht vorausschicken, daß wir seit zirka fünf Jahren Kunden bei der Firma Dietz sind. Unser erstes System war Mincal 4, dann haben wir als Laborrechnersystem das Doppelsystem Mincal 5 installiert und seit einiger Zeit jetzt drei Rechner des Systems 6, wozu das heute vorgestellte Betriebssystem gehört. Wir hatten uns für Dietz entschieden, weil das vorgestellte Hardware-Interrupt-System für Probleme die in unserem Hause anstanden, geeignet schien. Diese Annahme hat sich auch voll bestätigt. Als einen Mangel haben wir in der vergangenen Zeit immer wieder die Tatsache empfunden, daß bisher kein umfassendes Betriebssystem zur Verfügung stand. Das heute vorgestellte Betriebssystem scheint geeignet zu sein, alle unsere Erwartungen in der Zukunft zu erfüllen. Wir haben uns außer den Aufgaben, die ohne Betriebssystem realisiert werden können, insbesondere die Implementierung eines firmeneigenen Timesharing-Systems vorgenommen und wollen das nach Möglichkeit bereits im Juli dieses Jahres realisieren.

Helmut Wolfseher: Ein Betriebssystem, das auf einem Mini wie dem System 6 von der Firma Dietz läuft, kann natürlich nicht mit Großrechnersystemen direkt verglichen werden. Die Vor- und Nachteile beider Systeme sind schon durch die unterschiedlichen Größenordnungen der Rechner bedingt. Bestechend ist natürlich bei einem Betriebssystem, wie es die Firma Dietz heute vorgestellt hat, die Online- und Dialogfreundlichkeit. Ein Betriebssystem, das bei kleinem Platzbedarf doch so viel Komfort bietet, läßt sich nur dadurch realisieren, daß eine Hardware im Hintergrund steht, die eine Menge Softwareaufwand überflüssig macht. Dietz hat dies mit der Interrupt-Struktur gelöst. Versucht man das neue Betriebssystem mit anderen Systemen auf Minicomputern zu vergleichen, dann fällt der stark modulare Aufbau auf.