Veränderungen auf dem US-Halbleitermarkt:

Motorola überholt den Spitzenreiter TI

30.04.1982

New York (CW) -Texas Instruments (TI), bisher weltweit unumstrittene Nummer 1 auf dem Halbleitermarkt, spürt jetzt erstmals die Konkurrenz im Nacken, das berichtete die Harold Tribune. Motorola, bis 1980 noch in gebührendem Abstand hinter dem Marktführer, kam demnach TI im vergangenen Jahr bedenklich nahe.

Der Vergleich der Verkaufszahlen, durchgeführt vom kalifornischen Marktforschungsinstitut Dataquest, zeigt dies deutlich. Während TI nach 1,6 Milliarden Dollar 1980 ein Jahr später nur auf Verkäufe von 1,3 Milliarden Dollar kam, erreichte Motorola im selben Zeitraum eine leichte Steigerung um 100 Millionen auf 1,2 Milliarden Dollar. Auf dem amerikanischen Markt machte die Nummer 2 sogar das Rennen mit 850 Millionen Dollar im Vergleich zu TI mit 725 Millionen. Auch für Motorola selbst ist nach den Worten von William G. Howard, dem Vizepräsidenten und für die Halbleiterabteilung der Company Verantwortlichen, dieses Ergebnis ein wenig überraschend.

Die Gründe für den Einbruch bei TI sehen die Marktforscher vor allem in kostspieligen Engagements bei Computern und elektronischen Verbrauchsgütern, von denen viele nicht unbedingt erfolgreich waren. Als Folge verloren nach der Entlassung von 2800 Arbeitskräften im letzten Jahres weitere 2700 Arbeitnehmer ihren Job.

Zur Zeit wird bei TI kräftig umorganisiert, in den Führungsetagen hüllt man sich allerdings hierüber in Schweigen. Insider wie Adam Cuhney von Salomon Brothers tippen jedoch auf eine Dezentralisierung. Auf diese Weise wolle das Unternehmen eine bessere Anpassung an die Gegebenheiten des Marktes erzielen.

Motorola dagegen hat nach Ansicht der Experten im Unterschied zu den übrigen Companies den Einbruch auf dem Halbleitermarkt vor allem deswegen besser überstanden, weil die Angebotspalette überwiegend solche Produkte umfaßt, die nicht von dem starken Preisrückgang bei Speicherchips betroffen sind. Obwohl die Einnahmen der Firma im Halbleiterbereich von fast 40 auf 31 Prozent zurückgingen, stieg der Gewinn auf 130 Millionen Dollar.

Während sich die meisten anderen Companies aus dem nicht sehr lukrativ erscheinenden Markt diskreter Schaltungen zurückzogen, baute Motorola seine Stellung in diesem Bereich noch aus und ist heute Marktführer. Der mangelnde Wettbewerb bewirkte relativ stabile Preise bei den diskreten Schaltungen und sorgte letztlich für die schwarzen Zahlen in der Firmenbilanz.

Die Zukunftsaussichten von Motorola werden von den Experten sehr unterschiedlich beurteilt. Die einen prophezeien, daß die Company im Halbleiterbereich TI überholen wird, da sie vor allem in der Fertigung von Mikroprozessoren, dem wichtigsten Baustein für Personal Computer sehr stark sei. Radio Shack zum Beispiel verwendet den Motorola-Mikroprozessor 6800 für seine Personal Computer.

Daneben hat Motorola seine Position auf dem Speicherchip-Markt stark verbessert und war im letzten Jahr der führende Hersteller von 64-K-RAMs. Außerdem hat sich die Firma auch auf dem Sektor logische Schaltungen engagiert.

Eher vorsichtige Analysten verweisen darauf, daß die Erfolge von Motorola lediglich kurzfristiger Natur seien und TI auf lange Sicht doch die Nase weiter vorn haben werde.