Nicht genügend Streicheleinheiten für DV-Mitarbeiter:

Motivation muß oberstes Gebot werden

15.04.1988

Weit über die Hälfte der DV-Kräfte sind mit dem Führungsstil unzufrieden. Selbst die Nachfrage nach qualifizierten und engagierten DV-Mitarbeitern immer größer wird, führte bislang nicht dazu, die Motivation entscheidend zu verbessern. Managementberater Berthold B. Trottnow aus Stuttgart kommentiert eine Erhebung seines Hauses zum Thema.

Obwohl die verschiedenen Methoden der "Mitarbeitermotivation" als wirksame Instrumente der Personalführung in den letzten Jahren allenthalben an Bedeutung gewonnen haben, scheinen sie in den Org.- und DV-Bereichen der Unternehmen nur sehr schleppend Eingang zu finden. Dies ist das ohne Zweifel alarmierende Ergebnis einer Umfrage unter Informations-Managern und -Spezialisten, die von März bis Oktober 1987 in Unternehmen verschiedener Branchen durchgeführt wurde.

Die befragten Mitarbeiter gehörten allen DV-Hierarchieebenen an: Gesamtleiter Organisation und Datenverarbeitung, Gruppen- und Abteilungsleiter, Programmierer, Systemspezialisten. Ziel dieser Erhebung war es, einerseits Aussagen zur Motivationsstruktur von DV-Mitarbeitern zu erhalten und andererseits Erkenntnisse über Fluktuationsgründe zu gewinnen.

Wird das Umfrageergebnis mit früheren Untersuchungen dieser Art verglichen, kann man feststellen, daß im Hinblick auf die seit langem bekannten Motivationsfaktoren ("Motivatoren") kaum wesentliche Änderungen eingetreten sind: An erster Stelle mit weit über 40 Prozent steht nach wie vor das "Erfolgserlebnis", also die unsittelbar vollbrachte Arbeitsleistung. Mit etwas Abstand (knapp 40 Prozent) folgt die "Anerkennung für geleistete Arbeit", wiederum gefolgt vom "Inhalt der Aufgabenstellung" selbst. Wenn dies so ist, dann muß sich jeder Vorgesetzte fragen, wie es mit seinem Führungsstil im allgemeinen und mit seinem Anerkennungs- und Kritikverhalten im besonderen aussieht. Denn im Gegensatz zur Meinung der "Human-Relations-Bewegung" ist es beispielsweise nicht die Arbeitsumwelt, durch welche die Mitarbeiter entscheidend motiviert werden: bessere Arbeitsbedingungen, Lohn- und Gehaltserhöhungen, Statussymbole, Sicherheit führen nicht unmittelbar zu einer Leistungssteigerung, sondern können allenfalls vermeiden, daß Mitarbeiter unzufrieden werden. Deshalb: Motivation und Befriedigung erfahren Mitarbeiter im wesentlichen nur aus dem Arbeitsinhalt und aus dem Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten.

Führungsverhalten entscheidet

Von jenen Mitarbeitern, die sich zum Zeitpunkt der Befragung entweder bereits zu einem Unternehmenswechsel entschlossen hatten (Kündigung) oder deren Absicht, sich kurzfristig nach außen zu orientieren schon feststand, gaben über zwei Drittel (68 Prozent) folgende Kündigungsmotive an (Mehrfachnennungen waren möglich):

- Unzufriedenheit mit der Aufgabe und mit dem Führungs- und Leitungsverhalten von Vorgesetzten,

- kaum Mitwirkungsmöglichkeiten bei Führungsentscheidungen,

- Unklarheit über Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.

Es ist verblüffend: Selbst die Tatsache, daß es für Unternehmen immer dringender wird, qualifizierte und motivierte DV-Kräfte zu finden, führte bislang offenbar nicht dazu, die Mitarbeitermotivation in den DV-Abteilungen entscheidend zu verbessern. Dabei wissen wir heute, daß die neuen Aufgaben und Herausforderungen, vor denen die Personalführung steht, schon bis Ende dieses Jahrhunderts riesige Ausmaße annehmen werden.

Die demographische Entwicklung in unserem Land zeigt, daß in den kommenden Jahren zunehmend weniger Berufsanfänger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Demgegenüber ist aber beispielsweise der Bedarf an qualifizierten DV-Arbeitskräften weiterhin stark im Steigen begriffen. Den negativen Auswirkungen dieser "Schere" zu begegnen, muß Zielsetzung aller verantwortlichen Führungskräfte in Organisations- und DV-Bereichen sein. Wenn also die Nachfrage nach qualifiziertem DV-Personal zunehmen wird - die Anzahl der durch unser Haus im Jahre 1987 abgewickelten Rekrutierungsprojekte für den DV-Bereich ist auf der Basis des Vorjahres um knapp 70 Prozent gestiegen - und Unternehmen Spezialisten für dieses Funktionsfeld immer schwerer aus eigener Kraft gewinnen können, muß die Ausschöpfung der Motivationspotentiale oberstes Gebot sein.

Die Bedeutung, die der Motivation von DV-Mitarbeitern, auch und in erster Linie im Hinblick auf die Frage der durch Fluktuationsentscheidungen entstehenden Kosten beigemessen werden muß, läßt sich an einem - grob skizzierten - Beispiel deutlich machen (siehe Kasten).

Die Summe dieser Kosten hängt selbstverständlich wesentlich von der Art der neu zu besetzenden DV-Führungs- oder Spezialistenposition ab und wird je nach Dauer der Einarbeitungszeit, der Qualifikation des neuen Mitarbeiters und der Branchenzugehörigkeit entsprechend variieren. Um ein mehrfaches höher wird diese Summe allerdings dann sein, wenn falsche Auswahlentscheidungen, beispielsweise durch häufig zu beobachtende, krasse Fehler in der Selektions-Phase, getroffen werden. Erfahrungsgemäß bewegen sich Fluktuationskosten mindestens in Höhe des 1,5fachen des Jahreseinkommens des betreffenden Mitarbeiters.

Diese Zahlen aus der Praxis belegen einmal mehr, warum kaum ein anderes Thema die Gemüter in den Firmen so sehr erregt, wie "Personalführung und -motivation".

Wer beispielsweise leistungsmäßig durchschnittliche Programmierer oder Software-Spezialisten einmal dabei beobachten konnte, mit wieviel Energie, Einsatz und Motivation diese den Bau eines Eigenheims oder ein anderes privates Projekt planen, zielsicher umsetzen und verwirklichen, der muß sich fragen, warum DV-Manager und Führungskräfte bislang nur völlig unzureichend in der Lage zu sein scheinen, dieses gewaltige Kreativ-Potential des Menschen für betriebliche Funktionsbereiche zu nutzen, mit dem Ziel, mehr Arbeitszufriedenheit zu erreichen, um damit die Fluktuationsquote merklich zu senken.