MoReq: Einheitliche Aktenverwaltung in der EU?

10.01.2008
Kommission und Industrie wollen 2008 neue Version veröffentlichen.

Mit "Model Requirements for the Management of Electronic Records" (MoReq) existiert seit 2001 die bisher einzige branchenunabhängige Spezifikation für den Aufbau und Betrieb von Dokumenten- und Records-Management-Systemen in Europa. Sie entstand im Auftrag der Europäischen Kommission, die einen einheitlichen Dokumentenaustausch mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten etablieren wollte. Mittlerweile ist MoReq in einigen Staaten De-facto-Standard für das Records-Management und in elf Sprachen übersetzt (nicht in Deutsch).

Umfangreiche Empfehlungen

Das Werk umfasst rund 390 Richtlinien für öffentliche und private Einrichtungen. So etwa Systemfunktionen, Klassifikationsschemata, Zugriffsverwaltung und Sicherheit, Aufbewahrung und Vernichtung, Erfassung von Schriftgut, Suche, Retrieval und Ausgabe von Dokumenten. Zum Jahresende ist eine überarbeitete zweite, dann auch in Deutsch abgefasste Version von MoReq geplant. Sie verspricht eine flexiblere Struktur, ein erweitertes Basismodul (Mimimalanforderungen), neue optionale Module etwa für Content-Management sowie einen Compliance-Test als Vorlage für die Abnahme von Implementierungen und zur Zertifizierung von Softwareprodukten. Ferner würden aktuelle Änderungen in Quelldokumenten wie dem Standard ISO 15489 oder das deutsche Domea-Konzept für die Aktenverwaltung im öffentlichen Dienst berücksichtigt.

Große Hoffnungen

An der Ausgestaltung beteiligen sich europäische DMS-Hersteller und Dienstleister, Archive, Organisationen aus dem DMS-Umfeld und Einzelpersonen. Diese verknüpfen große Hoffnungen mit MoReq. So könnte die Spezifikation die Entwicklung und europaweite Einführung entsprechend zertifizierter Systeme erleichtern. Ebenso ließen sich mit den Vorgaben Service-Levels im Records-Management für Dienstleister und deren Kunden definieren und prüfen. Für Unternehmen könnte MoReq eine Referenz bei der Produktauswahl stellen und als Grundlage von Schulungsunterlagen dienen. Doch bis jetzt beachten weder alle DMS-Hersteller diese Referenzen bei der Produkt-entwicklung, noch nutzen viele Anwender ein über die bisherige Archivierung hinausgehendes Records-Management . So räumte auch Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der Hamburger Project Consult und Mitverfasser der MoReq-Spezifikationen, kürzlich in einem Newsletter ein, dass Anwender zwar interessiert seien, sich aber beim Kauf spezieller Lösungen noch zurückhielten.

Jürgen Biffar, Geschäftsführer des an den Spezifikationen beteiligten DMS-Herstellers Docuware, sieht vor allem in den zahlreichen nationalen Vorgaben für die Aktenverwaltung das Hindernis für den Erfolg von MoReq. So sei hierzulande besonders das "unselige" Domea-Konzept derart detailliert, spezialisiert und überambitioniert, dass es Projekte behindere und die Produktentwicklung erschwere. MoReq sei hingegen viel pragmatischer und werde sich durchsetzen: "Behörden wollen ihre Freiheiten bei der Aktenverwaltung behalten." Gelingt dies, könnte MoReq laut Biffar auch zum Vorbild und Qualitätskriterium für Privatunternehmen werden, jedoch frühestens in drei bis vier Jahren. (as)