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Bill Gates wird Meineid vorgeworfen

Monopolprozeß gegen Microsoft ist eröffnet

20.10.1998
Von Michael Hufelschulte
Bill Gates wird Meineid vorgeworfen

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit einer langen Liste von Anklagepunkten eröffneten die Staatsanwälte am Dienstag das Monopolverfahren gegen Microsoft. Überraschend ist dabei der von seinem Unternehmen aus der Schußlinie genommene Firmenchef Bill Gates wieder ins Zentrum der Kritik geraten. Hintergrund: Microsoft wird vorgeworfen, durch den Mißbrauch seines Betriebssystem-Monopols gegen Kartellgesetze verstoßen zu haben. Dabei soll das Unternehmen auf rechtswidrige Weise andere Firmen für den Kampf gegen den Browser-Konkurrenten Netscape eingespannt haben. Mögliche Folgen: Für den Fall, daß Microsoft schuldig gesprochen wird, fordern die amerikanischen Kartellbehörden weitreichende und harte Sanktionen. Staatsanwalt Stephen Houk, der die Interessen der zwanzig ebenfalls klagenden Bundesstaaten vertritt, rief das Gericht auf, eine "umfassende Lösung" zu suchen. Wie diese allerdings aussehen soll, bleibt bislang

im Dunkeln. Tatsächlich rechnet in der Branche niemand mit einer Zerschlagung des Softwarekonzerns. Was Microsofts Gegner sagen: Nach Darstellung der Kläger versuchte Microsoft ursprünglich, den Markt zwischen sich und Netscape aufzuteilen. Als das nicht gelang, beschloß die Gates-Company, den Konkurrenten zu zerstören. Zu diesem Zweck habe Microsoft begonnen, den eigenen Browser "Internet Explorer" zu verschenken und gleichzeitig Geschäftspartner gezwungen, Netscape-Produkte zu boykottieren. So beklagte sich Hewlett-Packard gegenüber Microsoft: "Ihr Unternehmen wäre bestimmt nicht unser Browser-Lieferant, wenn uns Ihre Aktivitäten auf diesem Gebiet eine andere Wahl gelassen hätten." America Online soll Gates folgendes Angebot unterbreitet haben: "Wieviel müssen wir zahlen, damit Sie Netscape fallen lassen? Heute ist ihr Glückstag." Zu den Unternehmen, die von Microsoft unter Druck gesetzt wurden, gehören laut Anklage auch

Intel, Intuit, Apple und Sun. Gates unter Beschuß: Eigentlich sollte Bill Gates bei dem Prozeß im Hintergrund bleiben. Das haben jedoch die Staatsanwälte verhindert. Unter Berufung auf eine Reihe von E-Mails und firmeninterne Memos wird ihm vorgeworfen, er habe unter Eid die aggressiven Methoden seines Unternehmens zur Erringung der Marktkontrolle im Internet falsch dargestellt. Konkret geht es dabei um ein Treffen mit Netscape im Juni 1995. Die Beweismittel würden belegen, daß Gates entgegen seiner Zeugenaussage damals versucht habe, den Konkurrenten zum freiwilligen Verzicht auf Geschäfte im Windows-Umfeld zu überreden. Im Gegenzug habe er Netscape freie Hand im Geschäft mit Unternehmens-Servern angeboten. Nach einem vor Gericht zitierten Papier war er sogar dazu bereit, Netscape Geld zu geben, "etwa um Teile des Unternehmens zu kaufen oder auch für etwas anderes". Als sich Netscape dennoch unkooperativ zeigte, wurde laut Anklage ein Feldzug

gestartet, der "unter Inkaufnahme von vorübergehenden Verlusten direkt gegen Netscape und dessen Umsatz gerichtet war". Aufgrund dieser persönlichen Verwicklungen von Gates in die Firmenaktivitäten geben sich die Kläger nicht mehr mit der Zeugenaussage auf Video zufrieden, die dem Gericht bisher vorliegt. Sie wollen den Microsoft-Chef persönlich vorladen und ins Kreuzverhör nehmen.