Möglichkeiten und Grenzen heutiger DSS

04.02.1977

Dipl.-Math. Jürgen Kettler, EDV-Leiter bei der Friedrich Krupp GmbH, Krupp-Atlas-Elektronik, Bremen

Hardware und Software der auf dem Markt angebotenen Datensammelsysteme (DSS) können heute als ausgereift angesehen werden, obgleich starke Leistungsunterschiede vorhanden sind. Daher überrascht es, daß viele Anwender nicht einmal den ersten Sehritt zur Nutzung dieses Arbeitsmittels vollzogen haben, nämlich die 1:1- Umstellung der konventionellen Datenerfassung.

Darüber hinaus ist festzustellen, daß von denjenigen Anwendern, die DSS für ihre Datenerfassung einsetzen, erst ein erstaunlich geringer Prozentsatz der potentiellen Möglichkeiten und damit den wahren Wert ihres bereits zur Verfügung stehenden Arbeitsmittels erkannt hat. Dieser Wert liegt in der Nutzung der sachbearbeiterbezogenen Ein-/Ausgabe, in der Implementierung von Abfrage und Update-Systemen und den - allerdings begrenzten - Möglichkeiten der Datenaufbereitung. Viele Zielsetzungen "großer" Lösungen von "Distributed Processing", von Online-Systemen, Datenbanken sowie Verbundnetzen lassen sich mit vergleichsweise bescheidenen organisatorischem und finanziellem Einsatz und sehr effizient realisieren.

Indes: Nicht alle dezentralen Anwendungen rechtfertigen einen eigenen DSS-Platz bei alleiniger Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit-Gesichtspunkten. Das erfolgreiche Konzept heutiger Datensammelsysteme besteht darin, daß aus bewährten Komponenten leistungsfähige Mini-Rechner zusammengestellt werden, die auf die

Probleme der Datenerfassung und Datenmanipulation spezialisiert sind. Hierzu wird ihnen eine einfache aber sehr mächtige problem-orientierte Programmiersprache und ein hoher Bedienungskomfort, unterstützt durch Funktionstasten, mitgegeben. Man beschränkt sich dabei "weise" bei den Möglichkeiten der Verarbeitung von Daten. Das Erfassen und Prüfen von Daten mit mehreren Jobs, das Abfragen und Updaten verschiedener Dateien, das Blättern in Dateien, das Suchen in Dateien nach Suchbegriffen von mehreren Plätzen aus, das Übersetzen von Programmen und Ausführen von Datenübertragungen beispielsweise Sorts, das Drucken im Spool-Betrieb, das ständige Laden von Programmsegmenten bei vielen konkurrierenden Jobs und das Führen von System-Statistiken sind Aufgaben die die Realtime-Software simultan bewältigt. In der Effizienz, gemessen an den Wartezeiten der Plätze, können Online-Anwendungen auf universellen Rechenanlagen um Längen geschlagen werden.

Denn die heutige DSS-Software ist auf einem nahezu optimalen Stand der Technik angelangt. Eine weitere Verfeinerung oder Erweiterung der Anwendungsmöglichkeien würde den Rahmen des "Dedicated System" sprengen und unter Umständen das hervorstechendste Merkmal, ihre Effizienz, beeinträchtigen.

Ein besonderes Merkmal heutiger DSS ist nämlich die einfache Programmierbarkeit, verbunden mit der Möglichkeit interaktiven Programmier-Testens. Organisatorische Problemstellungen beschränken sich in der Realisierung letztlich auf die Festlegung der Datenstruktur, der gewünschten Prüfungen und des Bildschirm-Layouts. Die einmal erarbeitete DSS-Lösung paßt sich ebenfalls interaktiv sehr sehnen und mit geringem Aufwand den Benutzerwünschen an - eine für Anwender neue Perspektive, die selbstverständlich ihre Grenzen haben muß. Diese günstigen Realisierungszeiten bewirken, daß auch viele kleine Anwendungen, die für eine Großrechner-Lösung nie lohnend gewesen wären, in Angriff genommen werden können. In den Fachabteilungen wächst im Laufe der Zeit das Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen der EDV, und es baut sich ein Vertrauensverhältnis auf - nicht zuletzt dank der hohen Zuverlässigkeit der DSS. Letztlich kann diese neue Situation innerhalb von zwei Jahren zu einem regelrechten Innovationsschub führen. Wird dieser nicht in richtige Bahnen gelenkt, so entsteht eine unvernünftige Konkurrenz zur zentralen Datenverarbeitung und es werden "unbequeme" Richtlinien der Organisation und Programmierung umgangen.

Mit der ständigen Anpassung einer DSS-Anwendung an die Benutzer-Vorstellungen kann überdies die Anwendung an Transparenz und Effizienz verlieren. Sie wird komplexer und voll nur noch von wenigen Spezialisten genutzt, so daß hier eine vernünftige Bremse zu finden ist.

Fazit: Heutige DSS bieten ein großes Reservoire an Rationalisierungsmaßnahmen durch Realisierung kostengünstiger und effizienter EDV-Lösungen im Vorfeld der Datenverarbeitung. Die gebotenen Möglichkeiten sollten gerade bei denjenigen Anwendern besser genutzt werden, die den ersten Sehritt bereits getan haben. Die Grenzen derartiger Systeme sind bereits ausgelotet und die Risiken können als gering angesehen werden.