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Mögliche Sanktionen: Was wird mit Microsoft?

05.04.2000

MÜNCHEN (CW) - Richter Thomas Jackson hat mit seinem Urteil gegen Microsoft noch keine Angaben zum Strafmaß gemacht. Dazu soll es in den kommenden Monaten mehrere Anhörungen geben. Mit einem abschließenden Richterspruch ist frühestens im Sommer zu rechnen. Experten streiten sich unterdessen, welche Sanktionen gegen den Softwarekonzern zu verhängen sind.

US-Juristen teilen die möglichen Maßnahmen gegen die Gates-Company in zwei Kategorien ein: Sogenannte Conduct Remedies (oder Behavioral Remedies) zielen auf eine Verhaltensänderung des Unternehmens ab, um künftige Rechtsbrüche zu verhindern. Strukturelle Maßnahmen (Structural Remedies) dagegen würden tiefgreifende organisatorische Veränderungen beinhalten, die die Marktposition des Unternehmens komplett verändern könnten. Zu letzterer Kategorie zählen Experten eine Aufspaltung Microsofts in mehrere voneinander unabhängige Unternehmen.

Etliche Prozessbeobachter sehen auch in der Offenlegung des Windows-Quellcodes und sämtlicher Application Programming Interfaces (APIs) einen gangbaren Weg, das Geschäftsgebaren Microsofts zu kontrollieren. Würden unabgängige Softwareentwickler Zugang zu diesen Informationen erhalten, könnten Anwender in dem damit entstehenden freieren Wettbewerb von einer größeren Auswahl und mehr Innovationen profitieren.

Gegen die milderen Conduct Remedies sprechen nach Auffassung von Microsoft-Kritikern mehrere Faktoren. Zum einen hat die US-Justiz mit dem 1994 ausgehandelten Consent Decree schon einmal versucht, Microsoft zu bestimmten Verhaltensänderungen zu bewegen. Der Konzern verpflichtete sich seinerzeit, PC-Hersteller beim Erwerb von Windows-Lizenzen nicht gleichzeitig zur Abnahme weiterer Microsoft-Produkte zu zwingen. Mit der Bündelung von Windows 95 mit dem "Internet Explorer" im Jahr 1997 verstieß Microsoft prompt gegen diese Vereinbarung. Eine einstweilige Verfügung von Richter Jackson mit dem Ziel, dieses Vorgehen zu unterbinden, wurde im Juni 1998 von einem Appellationsgericht außer Kraft gesetzt. Insofern habe diese Maßnahme nichts bewirkt, so die Kritiker.

Gegen eine milde Bestrafung spricht zudem, dass Auflagen für eine Verhaltensänderung permanent von der Regierung überwacht werden müssten. Im Falle eines Verstoßes wären Behörden gezwungen, einzugreifen. Der dafür notwendige Aufwand wäre hoch.

Für eine Aufspaltung des Konzerns sprechen sich einige Antitrust-Experten auch noch aus einem anderen Grund aus: Sollten nach der US-Präsidentschaftswahl im Herbst die Republikaner die Macht übernehmen, könnte sich das Verhalten gegenüber dem Hersteller schnell ändern. Der republikanische Kandidat George Bush hat bereits klar gemacht, dass er wenig von strukturellen Maßnahmen hält. Nach seiner Meinung sollten sich Sanktionen auf die Preisgestaltung Microsofts beschränken. Mit einer Zerschlagung hätte die Clinton-Administration Tatsachen geschaffen.

Zur Diskussion steht dabei eine vertikale wie auch eine horizontale Trennung. Die erste Variante sieht etwa eine Aufspaltung Microsofts in ein Betriebssystem-Geschäft und ein Unternehmen für Anwendungssoftware vor. Letzteres hätte ein natürliches Interesse daran, seine Produkte nicht nur an Windows-Anwender zu verkaufen, und würde deshalb auch andere Betriebssystem-Plattformen - beispielsweise Linux – unterstützen, argumentieren die Befürworter.

Ein anderer Vorschlag zielt auf eine Teilung in drei separate Anbieter von Betriebssystemen. Diese würde in puncto Funktionsumfang und Preis miteinander in Konkurrenz treten. Kritiker wenden ein, die Kosten für die Softwareentwicklung und damit letztlich auch für die Verbraucher könnten steigen, wenn Programmierer ihre Anwendungen auf drei verschiedene Plattformen portieren müssten.

Eine vertikale Aufspaltung ließe dagegen mehrere unabhängige Unternehmen ("Baby Bills") entstehen. Diese würden untereinander konkurrieren. Gegner dieses Konzepts weisen unter anderem auf den hohen logistischen Aufwand hin, den eine solche Teilung verursachen würde. Zudem sei zu befürchten, dass auch in diesem Szenario untereinander nicht kompatible Windows-Versionen entstünden, was wiederum zu Lasten der Anwender ginge.